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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Vierdtes Gespräch.
verboten wird/ sonst muß ich antworten/ wenn die leu-
te feuer an mich suchen.
Lis. Er muß allzeit recht behalten. Aber Mons.
Gilanes/ was heist denn alles in dem liede? Wie ist es
möglich/ daß man dem leibe nach abwesend ist/ und
doch mit der seele gegenwärtig bleibt. Jch dachte/ so
lange man lebt/ so würde leib und seele nicht getrennt.
Fill. Die seele ist wie eine fledermauß/ wenn die
verliebten knaben in den gedancken sitzen/ und vor äng-
sten das maul offen lassen/ so wischt sie darvon/ und
fleugt einmahl in der welt spatzieren herum.
Lis. Daß ihm nicht eine fledermauß muß auff dem
maule sitzen.
Gil. Es ist eine art von complimenten.
Fill. Auf grob deutsch heist es gelogen.
Lis. Was fangen wir doch mit dem menschen an.
Gil. Es heist nicht gelogen. Recht zu bekennen
was die meynung ist/ so verspricht ein solcher liebha-
ber/ er wolle stets an seine liebste gedencken/ denn auff
die weise ist er mit den gedancken bey ihr.
Lis. Aber sie empfindet es nicht.
Gil. O ja/ wenn sie nur seiner affection versichert ist.
Lis. Jch wüste nicht/ wie ich mir solche schwachheit
einbilden solte.
Gil. Sie verliebe sich nur/ sie wird schwach gnung
werden.
Lis. Gewiß nein. Man hört nicht daß die jung-
fern solche wunderliche grillen fangen/ als sie unter
einander.
Gil. Es stehet den jungfern nicht an/ daß sie mit
den gedancken so geschwind heraus seyn. Sonst
wolte ich wetten/ dürfften sie mit der ziege auff den
marckt/
A a
Vierdtes Geſpraͤch.
verboten wird/ ſonſt muß ich antworten/ wenn die leu-
te feuer an mich ſuchen.
Liſ. Er muß allzeit recht behalten. Aber Monſ.
Gilanes/ was heiſt denn alles in dem liede? Wie iſt es
moͤglich/ daß man dem leibe nach abweſend iſt/ und
doch mit der ſeele gegenwaͤrtig bleibt. Jch dachte/ ſo
lange man lebt/ ſo wuͤrde leib und ſeele nicht getrennt.
Fill. Die ſeele iſt wie eine fledermauß/ wenn die
verliebten knaben in den gedancken ſitzen/ und vor aͤng-
ſten das maul offen laſſen/ ſo wiſcht ſie darvon/ und
fleugt einmahl in der welt ſpatzieren herum.
Liſ. Daß ihm nicht eine fledermauß muß auff dem
maule ſitzen.
Gil. Es iſt eine art von complimenten.
Fill. Auf grob deutſch heiſt es gelogen.
Liſ. Was fangen wir doch mit dem menſchen an.
Gil. Es heiſt nicht gelogen. Recht zu bekennen
was die meynung iſt/ ſo verſpricht ein ſolcher liebha-
ber/ er wolle ſtets an ſeine liebſte gedencken/ denn auff
die weiſe iſt er mit den gedancken bey ihr.
Liſ. Aber ſie empfindet es nicht.
Gil. O ja/ weñ ſie nur ſeiner affection verſichert iſt.
Liſ. Jch wuͤſte nicht/ wie ich mir ſolche ſchwachheit
einbilden ſolte.
Gil. Sie verliebe ſich nur/ ſie wird ſchwach gnung
werden.
Liſ. Gewiß nein. Man hoͤrt nicht daß die jung-
fern ſolche wunderliche grillen fangen/ als ſie unter
einander.
Gil. Es ſtehet den jungfern nicht an/ daß ſie mit
den gedancken ſo geſchwind heraus ſeyn. Sonſt
wolte ich wetten/ duͤrfften ſie mit der ziege auff den
marckt/
A a
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[369/0385] Vierdtes Geſpraͤch. verboten wird/ ſonſt muß ich antworten/ wenn die leu- te feuer an mich ſuchen. Liſ. Er muß allzeit recht behalten. Aber Monſ. Gilanes/ was heiſt denn alles in dem liede? Wie iſt es moͤglich/ daß man dem leibe nach abweſend iſt/ und doch mit der ſeele gegenwaͤrtig bleibt. Jch dachte/ ſo lange man lebt/ ſo wuͤrde leib und ſeele nicht getrennt. Fill. Die ſeele iſt wie eine fledermauß/ wenn die verliebten knaben in den gedancken ſitzen/ und vor aͤng- ſten das maul offen laſſen/ ſo wiſcht ſie darvon/ und fleugt einmahl in der welt ſpatzieren herum. Liſ. Daß ihm nicht eine fledermauß muß auff dem maule ſitzen. Gil. Es iſt eine art von complimenten. Fill. Auf grob deutſch heiſt es gelogen. Liſ. Was fangen wir doch mit dem menſchen an. Gil. Es heiſt nicht gelogen. Recht zu bekennen was die meynung iſt/ ſo verſpricht ein ſolcher liebha- ber/ er wolle ſtets an ſeine liebſte gedencken/ denn auff die weiſe iſt er mit den gedancken bey ihr. Liſ. Aber ſie empfindet es nicht. Gil. O ja/ weñ ſie nur ſeiner affection verſichert iſt. Liſ. Jch wuͤſte nicht/ wie ich mir ſolche ſchwachheit einbilden ſolte. Gil. Sie verliebe ſich nur/ ſie wird ſchwach gnung werden. Liſ. Gewiß nein. Man hoͤrt nicht daß die jung- fern ſolche wunderliche grillen fangen/ als ſie unter einander. Gil. Es ſtehet den jungfern nicht an/ daß ſie mit den gedancken ſo geſchwind heraus ſeyn. Sonſt wolte ich wetten/ duͤrfften ſie mit der ziege auff den marckt/ A a

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/385>, abgerufen am 11.06.2024.