Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Erstes Gespräch. erklähren/ denn mit worten solche auszusprechen wä-re unmöglich. Mel. Du hättest den kerl sollen klug machen/ so hast du ihn närrischer gemacht. Gil. Hätte ich ihm widersprochen/ so wäre er nicht so fleißig zu meinen diensten gewesen. Fill. Nun wie heist denn endlich das halb-vorneh- me und halb schlechte lied? Gil. So heists/ und zwar auf seine eigene melodey. ALlerliebstes Marilißgen Gieb mir was ich wünschen kan/ Und nim ein gehorsam grüßgen Von demselben diener an/ Welcher nichts auf dieser welt Uber deine freundschafft hält. 2. Zwar ich solte wohl bedencken Wer ich bin und wer du bist/ Und mein hertz nach einer lencken/ Welche meines gleichen ist: Doch dein schöner tugend-schein Heist mich ohne sorgen seyn. 3. Denn wer sich verliebt will machen/ Muß auf seines gleichen sehn; Doch in blossen freundschaffts sachen Kan es auch also geschehn/ Daß ein schlecht und vornehm kind Sich zu gleicher gunst verbindt. 4. Mach es wie die sonnenstrahlen/ Wenn sie auf der blumen bahn Lilgen und narcissen mahlen/ Schaun sie auch ein kleeblat an: Drum laß mich/ mein sonnenschein/ Dein
Erſtes Geſpraͤch. erklaͤhren/ denn mit worten ſolche auszuſprechen waͤ-re unmoͤglich. Mel. Du haͤtteſt den kerl ſollen klug machen/ ſo haſt du ihn naͤrriſcher gemacht. Gil. Haͤtte ich ihm widerſprochen/ ſo waͤre er nicht ſo fleißig zu meinen dienſten geweſen. Fill. Nun wie heiſt denn endlich das halb-vorneh- me und halb ſchlechte lied? Gil. So heiſts/ und zwar auf ſeine eigene melodey. ALlerliebſtes Marilißgen Gieb mir was ich wuͤnſchen kan/ Und nim ein gehorſam gruͤßgen Von demſelben diener an/ Welcher nichts auf dieſer welt Uber deine freundſchafft haͤlt. 2. Zwar ich ſolte wohl bedencken Wer ich bin und wer du biſt/ Und mein hertz nach einer lencken/ Welche meines gleichen iſt: Doch dein ſchoͤner tugend-ſchein Heiſt mich ohne ſorgen ſeyn. 3. Denn wer ſich verliebt will machen/ Muß auf ſeines gleichen ſehn; Doch in bloſſen freundſchaffts ſachen Kan es auch alſo geſchehn/ Daß ein ſchlecht und vornehm kind Sich zu gleicher gunſt verbindt. 4. Mach es wie die ſonnenſtrahlen/ Wenn ſie auf der blumen bahn Lilgen und narciſſen mahlen/ Schaun ſie auch ein kleeblat an: Drum laß mich/ mein ſonnenſchein/ Dein
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Erſtes Geſpraͤch.
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re unmoͤglich.
Mel. Du haͤtteſt den kerl ſollen klug machen/ ſo haſt
du ihn naͤrriſcher gemacht.
Gil. Haͤtte ich ihm widerſprochen/ ſo waͤre er nicht
ſo fleißig zu meinen dienſten geweſen.
Fill. Nun wie heiſt denn endlich das halb-vorneh-
me und halb ſchlechte lied?
Gil. So heiſts/ und zwar auf ſeine eigene melodey.
ALlerliebſtes Marilißgen
Gieb mir was ich wuͤnſchen kan/
Und nim ein gehorſam gruͤßgen
Von demſelben diener an/
Welcher nichts auf dieſer welt
Uber deine freundſchafft haͤlt.
2. Zwar ich ſolte wohl bedencken
Wer ich bin und wer du biſt/
Und mein hertz nach einer lencken/
Welche meines gleichen iſt:
Doch dein ſchoͤner tugend-ſchein
Heiſt mich ohne ſorgen ſeyn.
3. Denn wer ſich verliebt will machen/
Muß auf ſeines gleichen ſehn;
Doch in bloſſen freundſchaffts ſachen
Kan es auch alſo geſchehn/
Daß ein ſchlecht und vornehm kind
Sich zu gleicher gunſt verbindt.
4. Mach es wie die ſonnenſtrahlen/
Wenn ſie auf der blumen bahn
Lilgen und narciſſen mahlen/
Schaun ſie auch ein kleeblat an:
Drum laß mich/ mein ſonnenſchein/
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/317>, abgerufen am 10.06.2024. |