Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.5. Doch wie lange kan es wären? Endlich muß die jugend sich Durch den schnellen lauff verzehren/ Oder es beruffet dich Liebe/ lust und eitelkeit Jn der tugend wette-streit. 6. Will man bey den äpffel-bäumen Zu der lust spatziren gehn/ Darff man nicht die zeit versäumen Wann sie in der blüte stehn/ Eh der Gärtner nach der saat Auch die frucht gebrochen hat. 7. Und soll dann der schönen wangen Halbvermischtes milch und blut Gantz und gar vergebens prangen/ Wie ein saurer apffel thut/ Welcher nicht so wohl den zahn Als das aug ergetzen kan? 8. Wein und bier wird ja zum trincken Nicht zum ansehn aufgesetzt/ Und was nutzt ein guter schincken Wann er nicht den mund ergetzt? Solte denn der jugend schein Auch nicht etwas nutze seyn? 9. Freylich pflantzt die zeuge-mutter Dir was heimlichs in die brust/ Daß du dich nach frembden futter Höchst-begierich sehnen must/ Und da fehlt dir manche krafft O du arme jungferschafft! 10. Wie manch schönes nest voll eyer Unter frost und kälte steht/ Biß das angenehme feuer Frembder brüt darüber geht; Also
5. Doch wie lange kan es waͤren? Endlich muß die jugend ſich Durch den ſchnellen lauff verzehren/ Oder es beruffet dich Liebe/ luſt und eitelkeit Jn der tugend wette-ſtreit. 6. Will man bey den aͤpffel-baͤumen Zu der luſt ſpatziren gehn/ Darff man nicht die zeit verſaͤumen Wann ſie in der bluͤte ſtehn/ Eh der Gaͤrtner nach der ſaat Auch die frucht gebrochen hat. 7. Und ſoll dann der ſchoͤnen wangen Halbvermiſchtes milch und blut Gantz und gar vergebens prangen/ Wie ein ſaurer apffel thut/ Welcher nicht ſo wohl den zahn Als das aug ergetzen kan? 8. Wein und bier wird ja zum trincken Nicht zum anſehn aufgeſetzt/ Und was nutzt ein guter ſchincken Wann er nicht den mund ergetzt? Solte denn der jugend ſchein Auch nicht etwas nutze ſeyn? 9. Freylich pflantzt die zeuge-mutter Dir was heimlichs in die bruſt/ Daß du dich nach frembden futter Hoͤchſt-begierich ſehnen muſt/ Und da fehlt dir manche krafft O du arme jungferſchafft! 10. Wie manch ſchoͤnes neſt voll eyer Unter froſt und kaͤlte ſteht/ Biß das angenehme feuer Frembder bruͤt daruͤber geht; Alſo
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5. Doch wie lange kan es waͤren?
Endlich muß die jugend ſich
Durch den ſchnellen lauff verzehren/
Oder es beruffet dich
Liebe/ luſt und eitelkeit
Jn der tugend wette-ſtreit.
6. Will man bey den aͤpffel-baͤumen
Zu der luſt ſpatziren gehn/
Darff man nicht die zeit verſaͤumen
Wann ſie in der bluͤte ſtehn/
Eh der Gaͤrtner nach der ſaat
Auch die frucht gebrochen hat.
7. Und ſoll dann der ſchoͤnen wangen
Halbvermiſchtes milch und blut
Gantz und gar vergebens prangen/
Wie ein ſaurer apffel thut/
Welcher nicht ſo wohl den zahn
Als das aug ergetzen kan?
8. Wein und bier wird ja zum trincken
Nicht zum anſehn aufgeſetzt/
Und was nutzt ein guter ſchincken
Wann er nicht den mund ergetzt?
Solte denn der jugend ſchein
Auch nicht etwas nutze ſeyn?
9. Freylich pflantzt die zeuge-mutter
Dir was heimlichs in die bruſt/
Daß du dich nach frembden futter
Hoͤchſt-begierich ſehnen muſt/
Und da fehlt dir manche krafft
O du arme jungferſchafft!
10. Wie manch ſchoͤnes neſt voll eyer
Unter froſt und kaͤlte ſteht/
Biß das angenehme feuer
Frembder bruͤt daruͤber geht;
Alſo
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/18>, abgerufen am 16.07.2024. |