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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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stande nach eine Ursache beygefüget/ welche
doch hernachmals vor wahr angenommen
und in der Welt als eine sonderliche Weisheit
fort gepflantzet worden. Zum Exempel/ es
steht unhöflich/ wann man auf alles mit den
Fingern weiset. Drumb hat ein Vater un-
gefehr wider sein Kind gesagt/ bey leibe weise
nicht mit dem Finger/ du erstichst einen Engel.
Solches ist von dem Kinde auffgefangen/ und
auf die Nachkommen gebracht worden/ daß
ietzund mancher nit viel Geld nehme/ und wiese
mit dem Finger in die Höh/ wenn es auch die
höchste Noth erforderte. Jngleichen weiß
ein iedweder/ wie gefährlich es ist/ wenn man
das Messer auf den Rücken legt/ denn es kan
ein ander leicht drein greiffen/ und sich Schaden
thun/ drum hat der Vater gesagt/ liebes Kind/
lege das Messer nicht so/ die lieben Engel tre-
ten sich hinein. Nun ist der Glaube so einge-
rissen/ daß ich einen Priester in einer vorneh-
men Stadt kenne/ der in einem Gastgebot of-
fentlich gesagt/ wenn man zugleich ein Kind
im Feuer und ein Messer auf dem Rücken lie-
gen sähe/ solte man eher dem Messer/ als dem
Kinde zulauffen/ und hätte ein solcher Kerl nit
verdient/ daß man ihn mit blossem Rücken in
die heisse Asche setzte/ und liesse ihn so lange zap-

peln


ſtande nach eine Urſache beygefuͤget/ welche
doch hernachmals vor wahr angenommen
und in der Welt als eine ſonderliche Weisheit
fort gepflantzet worden. Zum Exempel/ es
ſteht unhoͤflich/ wann man auf alles mit den
Fingern weiſet. Drumb hat ein Vater un-
gefehr wider ſein Kind geſagt/ bey leibe weiſe
nicht mit dem Finger/ du erſtichſt einen Engel.
Solches iſt von dem Kinde auffgefangen/ und
auf die Nachkommen gebracht worden/ daß
ietzund mancher nit viel Geld nehme/ und wieſe
mit dem Finger in die Hoͤh/ wenn es auch die
hoͤchſte Noth erforderte. Jngleichen weiß
ein iedweder/ wie gefaͤhrlich es iſt/ wenn man
das Meſſer auf den Ruͤcken legt/ denn es kan
ein ander leicht drein greiffẽ/ und ſich Schaden
thun/ drum hat der Vater geſagt/ liebes Kind/
lege das Meſſer nicht ſo/ die lieben Engel tre-
ten ſich hinein. Nun iſt der Glaube ſo einge-
riſſen/ daß ich einen Prieſter in einer vorneh-
men Stadt kenne/ der in einem Gaſtgebot of-
fentlich geſagt/ wenn man zugleich ein Kind
im Feuer und ein Meſſer auf dem Ruͤcken lie-
gen ſaͤhe/ ſolte man eher dem Meſſer/ als dem
Kinde zulauffen/ und haͤtte ein ſolcher Kerl nit
verdient/ daß man ihn mit bloſſem Ruͤcken in
die heiſſe Aſche ſetzte/ und lieſſe ihn ſo lange zap-

peln
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[226/0232] ſtande nach eine Urſache beygefuͤget/ welche doch hernachmals vor wahr angenommen und in der Welt als eine ſonderliche Weisheit fort gepflantzet worden. Zum Exempel/ es ſteht unhoͤflich/ wann man auf alles mit den Fingern weiſet. Drumb hat ein Vater un- gefehr wider ſein Kind geſagt/ bey leibe weiſe nicht mit dem Finger/ du erſtichſt einen Engel. Solches iſt von dem Kinde auffgefangen/ und auf die Nachkommen gebracht worden/ daß ietzund mancher nit viel Geld nehme/ und wieſe mit dem Finger in die Hoͤh/ wenn es auch die hoͤchſte Noth erforderte. Jngleichen weiß ein iedweder/ wie gefaͤhrlich es iſt/ wenn man das Meſſer auf den Ruͤcken legt/ denn es kan ein ander leicht drein greiffẽ/ und ſich Schaden thun/ drum hat der Vater geſagt/ liebes Kind/ lege das Meſſer nicht ſo/ die lieben Engel tre- ten ſich hinein. Nun iſt der Glaube ſo einge- riſſen/ daß ich einen Prieſter in einer vorneh- men Stadt kenne/ der in einem Gaſtgebot of- fentlich geſagt/ wenn man zugleich ein Kind im Feuer und ein Meſſer auf dem Ruͤcken lie- gen ſaͤhe/ ſolte man eher dem Meſſer/ als dem Kinde zulauffen/ und haͤtte ein ſolcher Kerl nit verdient/ daß man ihn mit bloſſem Ruͤcken in die heiſſe Aſche ſetzte/ und lieſſe ihn ſo lange zap- peln

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/232>, abgerufen am 24.11.2024.