Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite


Kind/ in deinen Armen: das muste nun ein
Discantist mit heller Stimme in eine Baß-
geige singen. Jn währendem Liede will
Storax nach seiner Amaryllis sehen/ ob sie auch
im Fenster audienz gäbe/ tritt darüber fehl/
daß er mit seinem gantzen Ornat in die Pfütze
fällt. Da machte eine Macht gegen über diese
Parodie: Hier liegt mein Schatz im etc. biß an
die Armen. Solches sahe der Mahler/ und
referirte es seinen Principalen, welche sich all-
sachte schickten/ den folgenden Tag auffzubre-
chen. Was aber Florindo vor Lehren von
seinem Hoffmeister wegen der possierlichen
Begebenheiten hat anhören müssen/ ist unnö-
thig zu erzehlen. Denn es kan ein iedweder
verständiger Leser die abgeschmackten Thor-
heiten selbst mit Händen greiffen. Eins war
bey dem Gelanor abzumercken/ daß er zurücke
dachte/ wie er in seiner blühenden Jugend der
Liebe auch durch die Spießruthen gelauffen/
und dannenhero die gute Hoffnung hatte/ es
würde sich auch mit diesen jungen Liebhabern
schicken/ wenn sie die Hörner etwas würden
abgelauffen haben. Und in diesem judieirte
er nicht unrecht. Denn die Liebe ist bey einem
jungen Kerlen von 15. Jahren gleichsam als
ein Malum necessarium, wer auch da-

mit


Kind/ in deinen Armen: das muſte nun ein
Diſcantiſt mit heller Stimme in eine Baß-
geige ſingen. Jn waͤhrendem Liede will
Storax nach ſeiner Amaryllis ſehen/ ob ſie auch
im Fenſter audienz gaͤbe/ tritt daruͤber fehl/
daß er mit ſeinem gantzen Ornat in die Pfuͤtze
faͤllt. Da machte eine Macht gegen uͤber dieſe
Parodie: Hier liegt mein Schatz im ꝛc. biß an
die Armen. Solches ſahe der Mahler/ und
referirte es ſeinen Principalen, welche ſich all-
ſachte ſchickten/ den folgenden Tag auffzubre-
chen. Was aber Florindo vor Lehren von
ſeinem Hoffmeiſter wegen der poſſierlichen
Begebenheiten hat anhoͤren muͤſſen/ iſt unnoͤ-
thig zu erzehlen. Denn es kan ein iedweder
verſtaͤndiger Leſer die abgeſchmackten Thor-
heiten ſelbſt mit Haͤnden greiffen. Eins war
bey dem Gelanor abzumercken/ daß er zuruͤcke
dachte/ wie er in ſeiner bluͤhenden Jugend der
Liebe auch durch die Spießruthen gelauffen/
und dannenhero die gute Hoffnung hatte/ es
wuͤrde ſich auch mit dieſen jungen Liebhabern
ſchicken/ wenn ſie die Hoͤrner etwas wuͤrden
abgelauffen haben. Und in dieſem judieirte
er nicht unrecht. Denn die Liebe iſt bey einem
jungen Kerlen von 15. Jahren gleichſam als
ein Malum neceſſarium, wer auch da-

mit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0144" n="138"/><lb/>
Kind/ in deinen Armen: das mu&#x017F;te nun ein<lb/><hi rendition="#aq">Di&#x017F;cant</hi>i&#x017F;t mit heller Stimme in eine Baß-<lb/>
geige &#x017F;ingen. Jn wa&#x0364;hrendem Liede will<lb/><hi rendition="#aq">Storax</hi> nach &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Amaryllis</hi> &#x017F;ehen/ ob &#x017F;ie auch<lb/>
im <hi rendition="#fr">F</hi>en&#x017F;ter <hi rendition="#aq">audienz</hi> ga&#x0364;be/ tritt daru&#x0364;ber fehl/<lb/>
daß er mit &#x017F;einem gantzen <hi rendition="#aq">Orn</hi>at in die Pfu&#x0364;tze<lb/>
fa&#x0364;llt. Da machte eine Macht gegen u&#x0364;ber die&#x017F;e<lb/><hi rendition="#aq">Parodie</hi><hi rendition="#i">:</hi> Hier liegt mein Schatz im &#xA75B;c. biß an<lb/>
die Armen. Solches &#x017F;ahe der Mahler/ und<lb/><hi rendition="#aq">referir</hi>te es &#x017F;einen <hi rendition="#aq">Principalen,</hi> welche &#x017F;ich all-<lb/>
&#x017F;achte &#x017F;chickten/ den folgenden Tag auffzubre-<lb/>
chen. Was aber <hi rendition="#aq">Florindo</hi> vor Lehren von<lb/>
&#x017F;einem Hoffmei&#x017F;ter wegen der po&#x017F;&#x017F;ierlichen<lb/>
Begebenheiten hat anho&#x0364;ren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ i&#x017F;t unno&#x0364;-<lb/>
thig zu erzehlen. Denn es kan ein iedweder<lb/>
ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger Le&#x017F;er die abge&#x017F;chmackten Thor-<lb/>
heiten &#x017F;elb&#x017F;t mit Ha&#x0364;nden greiffen. Eins war<lb/>
bey dem <hi rendition="#aq">Gelanor</hi> abzumercken/ daß er zuru&#x0364;cke<lb/>
dachte/ wie er in &#x017F;einer blu&#x0364;henden Jugend der<lb/>
Liebe auch durch die Spießruthen gelauffen/<lb/>
und dannenhero die gute Hoffnung hatte/ es<lb/>
wu&#x0364;rde &#x017F;ich auch mit die&#x017F;en jungen Liebhabern<lb/>
&#x017F;chicken/ wenn &#x017F;ie die Ho&#x0364;rner etwas wu&#x0364;rden<lb/>
abgelauffen haben. Und in die&#x017F;em judieirte<lb/>
er nicht unrecht. Denn die Liebe i&#x017F;t bey einem<lb/>
jungen Kerlen von 15. Jahren gleich&#x017F;am als<lb/>
ein <hi rendition="#aq">Malum nece&#x017F;&#x017F;arium,</hi> wer auch da-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0144] Kind/ in deinen Armen: das muſte nun ein Diſcantiſt mit heller Stimme in eine Baß- geige ſingen. Jn waͤhrendem Liede will Storax nach ſeiner Amaryllis ſehen/ ob ſie auch im Fenſter audienz gaͤbe/ tritt daruͤber fehl/ daß er mit ſeinem gantzen Ornat in die Pfuͤtze faͤllt. Da machte eine Macht gegen uͤber dieſe Parodie: Hier liegt mein Schatz im ꝛc. biß an die Armen. Solches ſahe der Mahler/ und referirte es ſeinen Principalen, welche ſich all- ſachte ſchickten/ den folgenden Tag auffzubre- chen. Was aber Florindo vor Lehren von ſeinem Hoffmeiſter wegen der poſſierlichen Begebenheiten hat anhoͤren muͤſſen/ iſt unnoͤ- thig zu erzehlen. Denn es kan ein iedweder verſtaͤndiger Leſer die abgeſchmackten Thor- heiten ſelbſt mit Haͤnden greiffen. Eins war bey dem Gelanor abzumercken/ daß er zuruͤcke dachte/ wie er in ſeiner bluͤhenden Jugend der Liebe auch durch die Spießruthen gelauffen/ und dannenhero die gute Hoffnung hatte/ es wuͤrde ſich auch mit dieſen jungen Liebhabern ſchicken/ wenn ſie die Hoͤrner etwas wuͤrden abgelauffen haben. Und in dieſem judieirte er nicht unrecht. Denn die Liebe iſt bey einem jungen Kerlen von 15. Jahren gleichſam als ein Malum neceſſarium, wer auch da- mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/144
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/144>, abgerufen am 23.11.2024.