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Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

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Capitel. und Verbindung.
nichts/ und ist keine Dringung dazu von Gott gesetzet/ und an-
geordnet.

§. 8. Wo nun eine wahre Dringung und Obligation dem
Menschen anhengt/ und er nach derselben sich richtet/ dahin fol-
get/ oder zum wenigsten/ wo er wegen einer Hinderung nicht
fort und der Dringung nach kommen kan/ dennoch dahin zielet;
der thut recht/ und nach Anleitung der ihm anhängigen Qualität.
Gehet oder zielet er aber dieser Dringung zu wieder/ so thut er
wieder die Moralische Natur. Welches denn ein ungereimts
absurdes Wesen gibt/ eben als wenn das Bley von freyen Stü-
cken in die Höhe steigen/ und also wieder die Natur vom Mittel-
Punct der Erden sich wegwenden wolte.

§. 9. Wiewohl nun in der Natur ein solch absurdes Wesen
nimmermehr zugeschehen pfleget/ weil die natürliche Welt Gott
selbst und allein gebaut/ und sie so künstlich eingerichtet/ daß jedes
nach seiner Obligation richtig gehet und zielet/ niemals aber/ es
müste denn Gott selbst ein Wunder thun wollen/ zurücke blei-
bet/ geschweige zurücke zielet oder gehet; so will es doch in der Mo-
ralischen Welt nicht also zutreffen/ alldieweil solche zwar auff
Gottes Einsetzung/ doch von und aus Menschen zusammen ge-
baut ist/ denen mit ihrem freyen Willen zwar auch nach dem Mit-
telpunct der Billigkeit und Justitz zu dringen befohlen; sie aber
mißbrauchen bisweilen solcher Freyheit/ und wenden sich ab/ o-
der treten gar zurück/ und also geschicht das jenige/ was in der
Moralischen Welt nicht geschehen kan/ das ist/ nicht geschehen
soll/ und also was schnurstracks der Moralischen Natur entge-
gen leufft.

§. 10. Damit aber diese zu gäntzlicher Zerrüttung des ge-
meinen Wesens hinausschlagende Wiedersinnigkeit nicht immer
geschehen/ selbst auch jeder Jrrthum und Confusion wieder zu-
rück genommen/ und compensirt oder hereingebracht werden
möchte; so ist bey dieser Moralischen Welt ein extraordinar-
Mittel ergriffen/ und zur Ausbüssung die Bestraffung oder die
Vergebung verordnet worden/ welches der/ so das gantze Mo-
ralische Weltwesen herum treibet und regieret/ oder der die Rech-
nung führet/ und Rechenschafft fordert/ dem Verbrecher wie-

der-
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Capitel. und Verbindung.
nichts/ und iſt keine Dringung dazu von Gott geſetzet/ und an-
geordnet.

§. 8. Wo nun eine wahre Dringung und Obligation dem
Menſchen anhengt/ und er nach derſelben ſich richtet/ dahin fol-
get/ oder zum wenigſten/ wo er wegen einer Hinderung nicht
fort und der Dringung nach kommen kan/ dennoch dahin zielet;
der thut recht/ und nach Anleitung der ihm anhaͤngigen Qualitaͤt.
Gehet oder zielet er aber dieſer Dringung zu wieder/ ſo thut er
wieder die Moraliſche Natur. Welches denn ein ungereimts
abſurdes Weſen gibt/ eben als wenn das Bley von freyen Stuͤ-
cken in die Hoͤhe ſteigen/ und alſo wieder die Natur vom Mittel-
Punct der Erden ſich wegwenden wolte.

§. 9. Wiewohl nun in der Natur ein ſolch abſurdes Weſen
nimmermehr zugeſchehen pfleget/ weil die natuͤrliche Welt Gott
ſelbſt und allein gebaut/ und ſie ſo kuͤnſtlich eingerichtet/ daß jedes
nach ſeiner Obligation richtig gehet und zielet/ niemals aber/ es
muͤſte denn Gott ſelbſt ein Wunder thun wollen/ zuruͤcke blei-
bet/ geſchweige zuruͤcke zielet oder gehet; ſo will es doch in der Mo-
raliſchen Welt nicht alſo zutreffen/ alldieweil ſolche zwar auff
Gottes Einſetzung/ doch von und aus Menſchen zuſammen ge-
baut iſt/ denen mit ihrem freyen Willen zwar auch nach dem Mit-
telpunct der Billigkeit und Juſtitz zu dringen befohlen; ſie aber
mißbrauchen bisweilen ſolcher Freyheit/ und wenden ſich ab/ o-
der treten gar zuruͤck/ und alſo geſchicht das jenige/ was in der
Moraliſchen Welt nicht geſchehen kan/ das iſt/ nicht geſchehen
ſoll/ und alſo was ſchnurſtracks der Moraliſchen Natur entge-
gen leufft.

§. 10. Damit aber dieſe zu gaͤntzlicher Zerruͤttung des ge-
meinen Weſens hinausſchlagende Wiederſinnigkeit nicht immer
geſchehen/ ſelbſt auch jeder Jrrthum und Confuſion wieder zu-
ruͤck genommen/ und compenſirt oder hereingebracht werden
moͤchte; ſo iſt bey dieſer Moraliſchen Welt ein extraordinar-
Mittel ergriffen/ und zur Ausbuͤſſung die Beſtraffung oder die
Vergebung verordnet worden/ welches der/ ſo das gantze Mo-
raliſche Weltweſen herum treibet und regieret/ oder der die Rech-
nung fuͤhret/ und Rechenſchafft fordert/ dem Verbrecher wie-

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[115/0125] Capitel. und Verbindung. nichts/ und iſt keine Dringung dazu von Gott geſetzet/ und an- geordnet. §. 8. Wo nun eine wahre Dringung und Obligation dem Menſchen anhengt/ und er nach derſelben ſich richtet/ dahin fol- get/ oder zum wenigſten/ wo er wegen einer Hinderung nicht fort und der Dringung nach kommen kan/ dennoch dahin zielet; der thut recht/ und nach Anleitung der ihm anhaͤngigen Qualitaͤt. Gehet oder zielet er aber dieſer Dringung zu wieder/ ſo thut er wieder die Moraliſche Natur. Welches denn ein ungereimts abſurdes Weſen gibt/ eben als wenn das Bley von freyen Stuͤ- cken in die Hoͤhe ſteigen/ und alſo wieder die Natur vom Mittel- Punct der Erden ſich wegwenden wolte. §. 9. Wiewohl nun in der Natur ein ſolch abſurdes Weſen nimmermehr zugeſchehen pfleget/ weil die natuͤrliche Welt Gott ſelbſt und allein gebaut/ und ſie ſo kuͤnſtlich eingerichtet/ daß jedes nach ſeiner Obligation richtig gehet und zielet/ niemals aber/ es muͤſte denn Gott ſelbſt ein Wunder thun wollen/ zuruͤcke blei- bet/ geſchweige zuruͤcke zielet oder gehet; ſo will es doch in der Mo- raliſchen Welt nicht alſo zutreffen/ alldieweil ſolche zwar auff Gottes Einſetzung/ doch von und aus Menſchen zuſammen ge- baut iſt/ denen mit ihrem freyen Willen zwar auch nach dem Mit- telpunct der Billigkeit und Juſtitz zu dringen befohlen; ſie aber mißbrauchen bisweilen ſolcher Freyheit/ und wenden ſich ab/ o- der treten gar zuruͤck/ und alſo geſchicht das jenige/ was in der Moraliſchen Welt nicht geſchehen kan/ das iſt/ nicht geſchehen ſoll/ und alſo was ſchnurſtracks der Moraliſchen Natur entge- gen leufft. §. 10. Damit aber dieſe zu gaͤntzlicher Zerruͤttung des ge- meinen Weſens hinausſchlagende Wiederſinnigkeit nicht immer geſchehen/ ſelbſt auch jeder Jrrthum und Confuſion wieder zu- ruͤck genommen/ und compenſirt oder hereingebracht werden moͤchte; ſo iſt bey dieſer Moraliſchen Welt ein extraordinar- Mittel ergriffen/ und zur Ausbuͤſſung die Beſtraffung oder die Vergebung verordnet worden/ welches der/ ſo das gantze Mo- raliſche Weltweſen herum treibet und regieret/ oder der die Rech- nung fuͤhret/ und Rechenſchafft fordert/ dem Verbrecher wie- der- P ij

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Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/125>, abgerufen am 22.11.2024.