Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

Bild:
<< vorherige Seite

Capitel. insonderheit.
dre bald hinein schlupffen würde/ dadurch niemals einige exten-
sion
und Erstreckung zusammen gebracht werden könte: dennoch
aber weil die Erstreckung (als eine zwar dem Ursprung und dem
gantzen nach innigliche/ dem Ansehen aber/ und denen besondern
Stücklein nach/ zumahl wegen ihres figurirten umfanges/ mehr
äusserliche Qualität und Beschaffenheit derer Cörper) viel kändt-
licher ist/ als die Vestigkeit und impenetrabilität; so wird auch
vielmehr die Erstreckung (Extensio) als die Vest- und Undurch-
brüchigkeit zum Kennzeichen derer Cörper gesetzet. Und dahero
pflegen etliche die Extension nach gemeiner Schulart/ wie droben
erwehnet/ kurtz zu reden das Wesen/ das ist das eigentliche
Merckmahl des Cörperlichen Wesens/ zunennen/ ob gleich das
rechte Wesen selbst uns noch gar verborgen/ und was eigentlich
die Stücklein derer Cörper in sich begreiffen/ noch gar unbekandt
zu seyn scheinet.

§. 3. Eben auff diese Weise bey der Moralischen Welt/ ob
zwar die Vestigkeit/ Ehrsam- und Auffrichtigkeit/ als eine Mora-
lische Impenetrabilität und undurchbrüchigkeit der Personen/
auß welchen die Republiquen und alle so genandte Corpora,
Zünfften und Gesellschafften bestehen/ voran gesetzet werden
muß/ wenn man darstellen will/ wie denen beweglichen Mensch-
lichen Gesellschafften/ ja selbst jeden Menschen/ die Existimation
und Ehrenachtbarkeit zukomme/ dadurch die Personen ordent-
lich aneinander hangen/ eine neben der andern stehen/ und mit-
einander eine gewisse weit oder enge Verbindung und Ehren-Ge-
sellschafft schliessen/ jede Person auch so und so viel mehr oder
weniger Geltung an sich haben/ und dero selbst eigene Achtbar-
keit sich so oder so weit erstrecken könne/ nehmlich weil die Perso-
nen vest sind/ so kan keine gleichsam einkriechen/ sondern eine gibt
der andern einen Schutz und Enthaltung/ in dem eine sich an die
andere stemmen darff/ dadurch jede vor sich ausser der andern/
doch mit der andern zu gewisser Würckung gemeiner Hülff ver-
bunden/ bleibet/ daß sie alle zusammen eine ordentlich aneinander
hangende Erstreckung und Extensionem (darinnen pars extra
partem
) Moralischer Weise machen/ in welcher Erstreckung
als in einer Zusammenhaltung einer erbarn Gesellschafft/ jeder

als
N iij

Capitel. inſonderheit.
dre bald hinein ſchlupffen wuͤrde/ dadurch niemals einige exten-
ſion
und Erſtreckung zuſammen gebracht werden koͤnte: dennoch
aber weil die Erſtreckung (als eine zwar dem Urſprung und dem
gantzen nach innigliche/ dem Anſehen aber/ und denen beſondern
Stuͤcklein nach/ zumahl wegen ihres figurirten umfanges/ mehr
aͤuſſerliche Qualitaͤt und Beſchaffenheit derer Coͤrper) viel kaͤndt-
licher iſt/ als die Veſtigkeit und impenetrabilitaͤt; ſo wird auch
vielmehr die Erſtreckung (Extenſio) als die Veſt- und Undurch-
bruͤchigkeit zum Kennzeichen derer Coͤrper geſetzet. Und dahero
pflegen etliche die Extenſion nach gemeiner Schulart/ wie droben
erwehnet/ kurtz zu reden das Weſen/ das iſt das eigentliche
Merckmahl des Coͤrperlichen Weſens/ zunennen/ ob gleich das
rechte Weſen ſelbſt uns noch gar verborgen/ und was eigentlich
die Stuͤcklein derer Coͤrper in ſich begreiffen/ noch gar unbekandt
zu ſeyn ſcheinet.

§. 3. Eben auff dieſe Weiſe bey der Moraliſchen Welt/ ob
zwar die Veſtigkeit/ Ehrſam- und Auffrichtigkeit/ als eine Mora-
liſche Impenetrabilitaͤt und undurchbruͤchigkeit der Perſonen/
auß welchen die Republiquen und alle ſo genandte Corpora,
Zuͤnfften und Geſellſchafften beſtehen/ voran geſetzet werden
muß/ wenn man darſtellen will/ wie denen beweglichen Menſch-
lichen Geſellſchafften/ ja ſelbſt jeden Menſchen/ die Exiſtimation
und Ehrenachtbarkeit zukomme/ dadurch die Perſonen ordent-
lich aneinander hangen/ eine neben der andern ſtehen/ und mit-
einander eine gewiſſe weit oder enge Verbindung und Ehren-Ge-
ſellſchafft ſchlieſſen/ jede Perſon auch ſo und ſo viel mehr oder
weniger Geltung an ſich haben/ und dero ſelbſt eigene Achtbar-
keit ſich ſo oder ſo weit erſtrecken koͤnne/ nehmlich weil die Perſo-
nen veſt ſind/ ſo kan keine gleichſam einkriechen/ ſondern eine gibt
der andern einen Schutz und Enthaltung/ in dem eine ſich an die
andere ſtemmen darff/ dadurch jede vor ſich auſſer der andern/
doch mit der andern zu gewiſſer Wuͤrckung gemeiner Huͤlff ver-
bunden/ bleibet/ daß ſie alle zuſammen eine ordentlich aneinander
hangende Erſtreckung und Extenſionem (darinnen pars extra
partem
) Moraliſcher Weiſe machen/ in welcher Erſtreckung
als in einer Zuſammenhaltung einer erbarn Geſellſchafft/ jeder

als
N iij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0111" n="101"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Capitel. in&#x017F;onderheit.</hi></fw><lb/>
dre bald hinein &#x017F;chlupffen wu&#x0364;rde/ dadurch niemals einige <hi rendition="#aq">exten-<lb/>
&#x017F;ion</hi> und Er&#x017F;treckung zu&#x017F;ammen gebracht werden ko&#x0364;nte: dennoch<lb/>
aber weil die Er&#x017F;treckung (als eine zwar dem Ur&#x017F;prung und dem<lb/>
gantzen nach innigliche/ dem An&#x017F;ehen aber/ und denen be&#x017F;ondern<lb/>
Stu&#x0364;cklein nach/ zumahl wegen ihres <hi rendition="#aq">figurir</hi>ten umfanges/ mehr<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche Qualita&#x0364;t und Be&#x017F;chaffenheit derer Co&#x0364;rper) viel ka&#x0364;ndt-<lb/>
licher i&#x017F;t/ als die Ve&#x017F;tigkeit und <hi rendition="#aq">impenetrabili</hi>ta&#x0364;t; &#x017F;o wird auch<lb/>
vielmehr die Er&#x017F;treckung (<hi rendition="#aq">Exten&#x017F;io</hi>) als die Ve&#x017F;t- und Undurch-<lb/>
bru&#x0364;chigkeit zum Kennzeichen derer Co&#x0364;rper ge&#x017F;etzet. Und dahero<lb/>
pflegen etliche die <hi rendition="#aq">Exten&#x017F;ion</hi> nach gemeiner Schulart/ wie droben<lb/>
erwehnet/ kurtz zu reden das We&#x017F;en/ das i&#x017F;t das eigentliche<lb/>
Merckmahl des Co&#x0364;rperlichen We&#x017F;ens/ zunennen/ ob gleich das<lb/>
rechte We&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t uns noch gar verborgen/ und was eigentlich<lb/>
die Stu&#x0364;cklein derer Co&#x0364;rper in &#x017F;ich begreiffen/ noch gar unbekandt<lb/>
zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinet.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 3. Eben auff die&#x017F;e Wei&#x017F;e bey der Morali&#x017F;chen Welt/ ob<lb/>
zwar die Ve&#x017F;tigkeit/ Ehr&#x017F;am- und Auffrichtigkeit/ als eine Mora-<lb/>
li&#x017F;che <hi rendition="#aq">Impenetrabili</hi>ta&#x0364;t und undurchbru&#x0364;chigkeit der Per&#x017F;onen/<lb/>
auß welchen die Republiquen und alle &#x017F;o genandte <hi rendition="#aq">Corpora,</hi><lb/>
Zu&#x0364;nfften und Ge&#x017F;ell&#x017F;chafften be&#x017F;tehen/ voran ge&#x017F;etzet werden<lb/>
muß/ wenn man dar&#x017F;tellen will/ wie denen beweglichen Men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chafften/ ja &#x017F;elb&#x017F;t jeden Men&#x017F;chen/ die <hi rendition="#aq">Exi&#x017F;timation</hi><lb/>
und Ehrenachtbarkeit zukomme/ dadurch die Per&#x017F;onen ordent-<lb/>
lich aneinander hangen/ eine neben der andern &#x017F;tehen/ und mit-<lb/>
einander eine gewi&#x017F;&#x017F;e weit oder enge Verbindung und Ehren-Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chafft &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en/ jede Per&#x017F;on auch &#x017F;o und &#x017F;o viel mehr oder<lb/>
weniger Geltung an &#x017F;ich haben/ und dero &#x017F;elb&#x017F;t eigene Achtbar-<lb/>
keit &#x017F;ich &#x017F;o oder &#x017F;o weit er&#x017F;trecken ko&#x0364;nne/ nehmlich weil die Per&#x017F;o-<lb/>
nen ve&#x017F;t &#x017F;ind/ &#x017F;o kan keine gleich&#x017F;am einkriechen/ &#x017F;ondern eine gibt<lb/>
der andern einen Schutz und Enthaltung/ in dem eine &#x017F;ich an die<lb/>
andere &#x017F;temmen darff/ dadurch jede vor &#x017F;ich au&#x017F;&#x017F;er der andern/<lb/>
doch mit der andern zu gewi&#x017F;&#x017F;er Wu&#x0364;rckung gemeiner Hu&#x0364;lff ver-<lb/>
bunden/ bleibet/ daß &#x017F;ie alle zu&#x017F;ammen eine ordentlich aneinander<lb/>
hangende Er&#x017F;treckung und <hi rendition="#aq">Exten&#x017F;ionem</hi> (darinnen <hi rendition="#aq">pars extra<lb/>
partem</hi>) Morali&#x017F;cher Wei&#x017F;e machen/ in welcher Er&#x017F;treckung<lb/>
als in einer Zu&#x017F;ammenhaltung einer erbarn Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft/ jeder<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N iij</fw><fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0111] Capitel. inſonderheit. dre bald hinein ſchlupffen wuͤrde/ dadurch niemals einige exten- ſion und Erſtreckung zuſammen gebracht werden koͤnte: dennoch aber weil die Erſtreckung (als eine zwar dem Urſprung und dem gantzen nach innigliche/ dem Anſehen aber/ und denen beſondern Stuͤcklein nach/ zumahl wegen ihres figurirten umfanges/ mehr aͤuſſerliche Qualitaͤt und Beſchaffenheit derer Coͤrper) viel kaͤndt- licher iſt/ als die Veſtigkeit und impenetrabilitaͤt; ſo wird auch vielmehr die Erſtreckung (Extenſio) als die Veſt- und Undurch- bruͤchigkeit zum Kennzeichen derer Coͤrper geſetzet. Und dahero pflegen etliche die Extenſion nach gemeiner Schulart/ wie droben erwehnet/ kurtz zu reden das Weſen/ das iſt das eigentliche Merckmahl des Coͤrperlichen Weſens/ zunennen/ ob gleich das rechte Weſen ſelbſt uns noch gar verborgen/ und was eigentlich die Stuͤcklein derer Coͤrper in ſich begreiffen/ noch gar unbekandt zu ſeyn ſcheinet. §. 3. Eben auff dieſe Weiſe bey der Moraliſchen Welt/ ob zwar die Veſtigkeit/ Ehrſam- und Auffrichtigkeit/ als eine Mora- liſche Impenetrabilitaͤt und undurchbruͤchigkeit der Perſonen/ auß welchen die Republiquen und alle ſo genandte Corpora, Zuͤnfften und Geſellſchafften beſtehen/ voran geſetzet werden muß/ wenn man darſtellen will/ wie denen beweglichen Menſch- lichen Geſellſchafften/ ja ſelbſt jeden Menſchen/ die Exiſtimation und Ehrenachtbarkeit zukomme/ dadurch die Perſonen ordent- lich aneinander hangen/ eine neben der andern ſtehen/ und mit- einander eine gewiſſe weit oder enge Verbindung und Ehren-Ge- ſellſchafft ſchlieſſen/ jede Perſon auch ſo und ſo viel mehr oder weniger Geltung an ſich haben/ und dero ſelbſt eigene Achtbar- keit ſich ſo oder ſo weit erſtrecken koͤnne/ nehmlich weil die Perſo- nen veſt ſind/ ſo kan keine gleichſam einkriechen/ ſondern eine gibt der andern einen Schutz und Enthaltung/ in dem eine ſich an die andere ſtemmen darff/ dadurch jede vor ſich auſſer der andern/ doch mit der andern zu gewiſſer Wuͤrckung gemeiner Huͤlff ver- bunden/ bleibet/ daß ſie alle zuſammen eine ordentlich aneinander hangende Erſtreckung und Extenſionem (darinnen pars extra partem) Moraliſcher Weiſe machen/ in welcher Erſtreckung als in einer Zuſammenhaltung einer erbarn Geſellſchafft/ jeder als N iij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/111
Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/111>, abgerufen am 27.04.2024.