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Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

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Von den gegenständigen Das XIII.
zum Exempel wenn der Schuldmann Erbe wird/ der Creditor und
Debitor zusammen fallen/ daß einer den andern auffhebt.

Und dieses ist noch eine zuläßige penetration und innerliche Zu-
sammenfallung der Moralischen Personen. Wenn nur nicht auch eine
unzuläßige penetratio dimensionum sich offtmahls mit einschliche.

§. 9. Aber allhier ist wiederumb ein grosser Unterschied/ zwischen
der Natürlichen und zwischen der Moralischen Welt. Denn bey der
natürlichen Welt spühret man nirgend einige penetration derer na-
türlichen Cörper selbst/ ob gleich eine Fläche mit der andern überein
fält: Jn der Moralischen Welt aber will bey manchen auch die Ve-
stigkeit selbst bißweilen durchbrüchig werden/ indem offtmahls ein eus-
serlich anzusehender Ehrenvester Mann einen Schalck im Hertzen hat/
und solchen in- und mit sich unter dem Schein der Erbarkeit herum trä-
get. Es kan sich aber solcher Schalck selten lang bergen/ und gehet es
ihm gemeiniglich/ wie dem Clauß im Habersack/ daß er nicht schwei-
gen kan/ sondern sich selbst verrathen/ und als einen Bürger der Affter-
Welt zur Strafe darstellen muß.

Aufrichtige Biedermänner aber folgen der Natur/ und tragen so
grossen Abscheu vor der Durchbrüchigkeit ihrer innerlichen ursprüng-
lichen Substantz/ (welche bloß in der Aufrichtigkeit und Ehrsamkeit
bestehet) als die Natur derer Cörper die penetration abhorrirt: Jn
dem sie wohl wissen/ daß an der Vestigkeit das gantze gemeine Wesen
hanget/ und daß ein Durchbrüchiger ihme selbst den grösten Abtrag
thue/ weil er sich dadurch selbst vom Leben zum Tod hinrichtet/ nehmlich
vom Moralischen Leben zum Moralischen Tod/ welcher Tod vor ärger
als der natürliche Todt nicht unbillig gehalten wird.

§. 10. Zum vierden so findet sich auch in der Moralischen Welt bey
denen Menschen die Zusammenzielung/ oder die Gestaltsamkeit eines
mit dem andern auff einerley Zweck neben (und nicht wieder) einander
zielenden/ da einer mit dem andern conversiret; sich nach dem andern
richtet. Dero zur Seiten/ stehet

3. Die Abweichung/ oder die Gestaltsamkeit eines anders wo-
hin zielenden/ als der andere weiset oder sich vorgesetzet hat/ und
4. Die Entgegenzielung/ oder die Gestaltsamkeit eines dem
andern zuwieder und entgegenzielenden/ dergleichen sich bey den heimli-
chen und öffentlichen Feinden ereignet.
§. Diese

Von den gegenſtaͤndigen Das XIII.
zum Exempel wenn der Schuldmann Erbe wird/ der Creditor und
Debitor zuſammen fallen/ daß einer den andern auffhebt.

Und dieſes iſt noch eine zulaͤßige penetration und innerliche Zu-
ſammenfallung der Moraliſchen Perſonen. Wenn nur nicht auch eine
unzulaͤßige penetratio dimenſionum ſich offtmahls mit einſchliche.

§. 9. Aber allhier iſt wiederumb ein groſſer Unterſchied/ zwiſchen
der Natuͤrlichen und zwiſchen der Moraliſchen Welt. Denn bey der
natuͤrlichen Welt ſpuͤhret man nirgend einige penetration derer na-
tuͤrlichen Coͤrper ſelbſt/ ob gleich eine Flaͤche mit der andern uͤberein
faͤlt: Jn der Moraliſchen Welt aber will bey manchen auch die Ve-
ſtigkeit ſelbſt bißweilen durchbruͤchig werden/ indem offtmahls ein euſ-
ſerlich anzuſehender Ehrenveſter Mann einen Schalck im Hertzen hat/
und ſolchen in- und mit ſich unter dem Schein der Erbarkeit herum traͤ-
get. Es kan ſich aber ſolcher Schalck ſelten lang bergen/ und gehet es
ihm gemeiniglich/ wie dem Clauß im Haberſack/ daß er nicht ſchwei-
gen kan/ ſondern ſich ſelbſt verrathen/ und als einen Buͤrger der Affter-
Welt zur Strafe darſtellen muß.

Aufrichtige Biedermaͤnner aber folgen der Natur/ und tragen ſo
groſſen Abſcheu vor der Durchbruͤchigkeit ihrer innerlichen urſpruͤng-
lichen Subſtantz/ (welche bloß in der Aufrichtigkeit und Ehrſamkeit
beſtehet) als die Natur derer Coͤrper die penetration abhorrirt: Jn
dem ſie wohl wiſſen/ daß an der Veſtigkeit das gantze gemeine Weſen
hanget/ und daß ein Durchbruͤchiger ihme ſelbſt den groͤſten Abtrag
thue/ weil er ſich dadurch ſelbſt vom Leben zum Tod hinrichtet/ nehmlich
vom Moraliſchen Leben zum Moraliſchen Tod/ welcher Tod vor aͤrger
als der natuͤrliche Todt nicht unbillig gehalten wird.

§. 10. Zum vierden ſo findet ſich auch in der Moraliſchen Welt bey
denẽ Menſchen die Zuſammenzielung/ oder die Geſtaltſamkeit eines
mit dem andern auff einerley Zweck neben (und nicht wieder) einander
zielenden/ da einer mit dem andern converſiret; ſich nach dem andern
richtet. Dero zur Seiten/ ſtehet

3. Die Abweichung/ oder die Geſtaltſamkeit eines anders wo-
hin zielenden/ als der andere weiſet oder ſich vorgeſetzet hat/ und
4. Die Entgegenzielung/ oder die Geſtaltſamkeit eines dem
andern zuwieder und entgegenzielenden/ dergleichen ſich bey den heimli-
chen und oͤffentlichen Feinden ereignet.
§. Dieſe
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[94/0104] Von den gegenſtaͤndigen Das XIII. zum Exempel wenn der Schuldmann Erbe wird/ der Creditor und Debitor zuſammen fallen/ daß einer den andern auffhebt. Und dieſes iſt noch eine zulaͤßige penetration und innerliche Zu- ſammenfallung der Moraliſchen Perſonen. Wenn nur nicht auch eine unzulaͤßige penetratio dimenſionum ſich offtmahls mit einſchliche. §. 9. Aber allhier iſt wiederumb ein groſſer Unterſchied/ zwiſchen der Natuͤrlichen und zwiſchen der Moraliſchen Welt. Denn bey der natuͤrlichen Welt ſpuͤhret man nirgend einige penetration derer na- tuͤrlichen Coͤrper ſelbſt/ ob gleich eine Flaͤche mit der andern uͤberein faͤlt: Jn der Moraliſchen Welt aber will bey manchen auch die Ve- ſtigkeit ſelbſt bißweilen durchbruͤchig werden/ indem offtmahls ein euſ- ſerlich anzuſehender Ehrenveſter Mann einen Schalck im Hertzen hat/ und ſolchen in- und mit ſich unter dem Schein der Erbarkeit herum traͤ- get. Es kan ſich aber ſolcher Schalck ſelten lang bergen/ und gehet es ihm gemeiniglich/ wie dem Clauß im Haberſack/ daß er nicht ſchwei- gen kan/ ſondern ſich ſelbſt verrathen/ und als einen Buͤrger der Affter- Welt zur Strafe darſtellen muß. Aufrichtige Biedermaͤnner aber folgen der Natur/ und tragen ſo groſſen Abſcheu vor der Durchbruͤchigkeit ihrer innerlichen urſpruͤng- lichen Subſtantz/ (welche bloß in der Aufrichtigkeit und Ehrſamkeit beſtehet) als die Natur derer Coͤrper die penetration abhorrirt: Jn dem ſie wohl wiſſen/ daß an der Veſtigkeit das gantze gemeine Weſen hanget/ und daß ein Durchbruͤchiger ihme ſelbſt den groͤſten Abtrag thue/ weil er ſich dadurch ſelbſt vom Leben zum Tod hinrichtet/ nehmlich vom Moraliſchen Leben zum Moraliſchen Tod/ welcher Tod vor aͤrger als der natuͤrliche Todt nicht unbillig gehalten wird. §. 10. Zum vierden ſo findet ſich auch in der Moraliſchen Welt bey denẽ Menſchen die Zuſammenzielung/ oder die Geſtaltſamkeit eines mit dem andern auff einerley Zweck neben (und nicht wieder) einander zielenden/ da einer mit dem andern converſiret; ſich nach dem andern richtet. Dero zur Seiten/ ſtehet 3. Die Abweichung/ oder die Geſtaltſamkeit eines anders wo- hin zielenden/ als der andere weiſet oder ſich vorgeſetzet hat/ und 4. Die Entgegenzielung/ oder die Geſtaltſamkeit eines dem andern zuwieder und entgegenzielenden/ dergleichen ſich bey den heimli- chen und oͤffentlichen Feinden ereignet. §. Dieſe

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Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/104>, abgerufen am 25.11.2024.