pwe_032.001 den großen Bestand an poetischen Lehrbüchern sichtet und durch sachliche pwe_032.002 und alphabetische Register übersichtlich erschließt. Dabei wird die Entwicklung pwe_032.003 von der alten "Anweisungs- und Lehrpoetik" (samt Metrik und pwe_032.004 Rhetorik) zu einer "Wirkungsästhetik" und schließlich zu Schöpfungs- und pwe_032.005 Gestaltungsästhetik, zu Literaturwissenschaft und Literaturphilosophie pwe_032.006 sichtbar gemacht.
pwe_032.007
Wenn schon hier überall der größere, seinerzeit von Borinski maßgebend pwe_032.008 untersuchte Zusammenhang einer allgemeinen antiken, mittel- pwe_032.009 und neulateinischen Poetik zugrundeliegt, so gilt das erst recht für die pwe_032.010 mittelalterliche Auffassung von Poesie und poetischer Praxis. Hier sind pwe_032.011 die Ansätze von E. Faral und H. Brinkmann systematisch erweitert worden. pwe_032.012 Die Literarästhetik des Mittelalters hat 1937 H. H. Glunz1 in einem pwe_032.013 kühnen Buch zu charakterisieren versucht, das vor allem auf dem Zusammenhang pwe_032.014 der mittelalterlichen Dichtung und ihrer Selbstauffassung pwe_032.015 mit der Theorie der Bibelexegese, d. h. der theologischen Lehre von der pwe_032.016 Bibel als dem vollkommensten Kunstwerk, insistiert. Vor allem fällt damit pwe_032.017 Licht auf die seit dem 12. Jahrhundert sich verstärkt entwickelnde allegorische pwe_032.018 Dichtkunst, die erst mit Dante transzendiert wurde. E. R. Cur- pwe_032.019 tius hat in einer ausführlichen Kritik (Zfrom Phil. 58, 1-50) den konstruktiven pwe_032.020 und einseitigen Charakter des Buches scharf kritisiert und anschließend pwe_032.021 Arbeiten zur mittelalterlichen Poetik publiziert, die seither in pwe_032.022 sein zusammenfassendes Buch (s. unten S. 156 ff.) eingegangen sind. Die Geschichte pwe_032.023 der Allegorie und mit ihr die Geschichte der mittelalterlichen Literatur pwe_032.024 und Poetik überhaupt gehört danach in das umfassende Thema des pwe_032.025 Nachlebens der Antike und damit des jahrtausendelangen europäischen pwe_032.026 Literaturzusammenhangs. Eine Zusammenstellung und Interpretation der pwe_032.027 mittelhochdeutschen Äußerungen zur dichterischen Theorie bietet Bruno pwe_032.028 Boesch2.
1pwe_032.029 H. H. Glunz, Die Literarästhetik des Mittelalters. Wolfram-Rosenroman- pwe_032.030 Chaucer-Dante. Bochum-Langendreer 1937.
2pwe_032.031 Bruno Boesch, Die Kunstanschauung in der mittelhochdeutschen Dichtung pwe_032.032 von der Blütezeit bis zum Meistergesang. Bern 1936.
pwe_032.001 den großen Bestand an poetischen Lehrbüchern sichtet und durch sachliche pwe_032.002 und alphabetische Register übersichtlich erschließt. Dabei wird die Entwicklung pwe_032.003 von der alten „Anweisungs- und Lehrpoetik“ (samt Metrik und pwe_032.004 Rhetorik) zu einer „Wirkungsästhetik“ und schließlich zu Schöpfungs- und pwe_032.005 Gestaltungsästhetik, zu Literaturwissenschaft und Literaturphilosophie pwe_032.006 sichtbar gemacht.
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Wenn schon hier überall der größere, seinerzeit von Borinski maßgebend pwe_032.008 untersuchte Zusammenhang einer allgemeinen antiken, mittel- pwe_032.009 und neulateinischen Poetik zugrundeliegt, so gilt das erst recht für die pwe_032.010 mittelalterliche Auffassung von Poesie und poetischer Praxis. Hier sind pwe_032.011 die Ansätze von E. Faral und H. Brinkmann systematisch erweitert worden. pwe_032.012 Die Literarästhetik des Mittelalters hat 1937 H. H. Glunz1 in einem pwe_032.013 kühnen Buch zu charakterisieren versucht, das vor allem auf dem Zusammenhang pwe_032.014 der mittelalterlichen Dichtung und ihrer Selbstauffassung pwe_032.015 mit der Theorie der Bibelexegese, d. h. der theologischen Lehre von der pwe_032.016 Bibel als dem vollkommensten Kunstwerk, insistiert. Vor allem fällt damit pwe_032.017 Licht auf die seit dem 12. Jahrhundert sich verstärkt entwickelnde allegorische pwe_032.018 Dichtkunst, die erst mit Dante transzendiert wurde. E. R. Cur- pwe_032.019 tius hat in einer ausführlichen Kritik (Zfrom Phil. 58, 1–50) den konstruktiven pwe_032.020 und einseitigen Charakter des Buches scharf kritisiert und anschließend pwe_032.021 Arbeiten zur mittelalterlichen Poetik publiziert, die seither in pwe_032.022 sein zusammenfassendes Buch (s. unten S. 156 ff.) eingegangen sind. Die Geschichte pwe_032.023 der Allegorie und mit ihr die Geschichte der mittelalterlichen Literatur pwe_032.024 und Poetik überhaupt gehört danach in das umfassende Thema des pwe_032.025 Nachlebens der Antike und damit des jahrtausendelangen europäischen pwe_032.026 Literaturzusammenhangs. Eine Zusammenstellung und Interpretation der pwe_032.027 mittelhochdeutschen Äußerungen zur dichterischen Theorie bietet Bruno pwe_032.028 Boesch2.
1pwe_032.029 H. H. Glunz, Die Literarästhetik des Mittelalters. Wolfram-Rosenroman- pwe_032.030 Chaucer-Dante. Bochum-Langendreer 1937.
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Wenn schon hier überall der größere, seinerzeit von Borinski maßgebend pwe_032.008
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Bruno Boesch, Die Kunstanschauung in der mittelhochdeutschen Dichtung pwe_032.032
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Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wehrli_poetik_1951/38>, abgerufen am 16.07.2024.
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