Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_004.001 VORBEMERKUNG pwe_004.002Arbeiten wie die folgende sind vielleicht notwendig, aber für den Verfasser pwe_004.003 Unter Allgemeiner Literaturwissenschaft wird im Folgenden pwe_004.018 "Es wird dem modernen Literarhistoriker nicht leicht, seine Aufgabe zu pwe_004.034 pwe_004.001 VORBEMERKUNG pwe_004.002Arbeiten wie die folgende sind vielleicht notwendig, aber für den Verfasser pwe_004.003 Unter Allgemeiner Literaturwissenschaft wird im Folgenden pwe_004.018 „Es wird dem modernen Literarhistoriker nicht leicht, seine Aufgabe zu pwe_004.034 <TEI> <text> <front> <div n="1"> <pb facs="#f0010" n="E4"/> </div> <div n="1"> <lb n="pwe_004.001"/> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">VORBEMERKUNG</hi> </hi> </head> <lb n="pwe_004.002"/> <p>Arbeiten wie die folgende sind vielleicht notwendig, aber für den Verfasser <lb n="pwe_004.003"/> wie für den Leser unerfreulich, denn sie können weder umfassend und <lb n="pwe_004.004"/> gründlich sein noch sich einer fruchtbaren Einseitigkeit verschreiben. Zudem <lb n="pwe_004.005"/> hat es der Verfasser gewagt, zwei Herren zu dienen: er sucht einen auswählenden, <lb n="pwe_004.006"/> kommentierenden <hi rendition="#i">bibliographischen Bericht</hi> zu geben und hofft <lb n="pwe_004.007"/> zugleich, es möge daraus eine Art bescheidener <hi rendition="#i">Einführung</hi> in die Wissenschaft <lb n="pwe_004.008"/> und ihre Probleme werden, soweit dies bei dem chaotischen Zustand <lb n="pwe_004.009"/> dieser Wissenschaft überhaupt sinnvoll ist. Er glaubt aber, daß ein solcher <lb n="pwe_004.010"/> Kompromiß, bei der ohnehin bestehenden Notwendigkeit einer Auswahl und <lb n="pwe_004.011"/> Stellungnahme einerseits und der Unmöglichkeit einer runden Systembildung <lb n="pwe_004.012"/> andererseits, der Sachlage der Wissenschaft und den Bedürfnissen des Lesers <lb n="pwe_004.013"/> am besten entspricht. Wenn so unser Referat einen geordneten Gedankengang <lb n="pwe_004.014"/> innehalten wird, so kann doch nur eine Einführung in die Problemlage <lb n="pwe_004.015"/> und nicht deren Ausführung und Lösung beabsichtigt sein, nicht einmal <lb n="pwe_004.016"/> die Zukunftsvision einer Synthese.</p> <lb n="pwe_004.017"/> <p> Unter <hi rendition="#g">Allgemeiner Literaturwissenschaft</hi> wird im Folgenden <lb n="pwe_004.018"/> die Wissenschaft von Wesen, Ursprung, Erscheinungsformen und <lb n="pwe_004.019"/> Lebenszusammenhängen der literarischen Kunst verstanden; sie ist dadurch, <lb n="pwe_004.020"/> in einem engern Sinn, speziell die Wissenschaft von den Prinzipien und <lb n="pwe_004.021"/> Methoden der wissenschaftlichen Literaturbetrachtung. Die Grenzen sollen <lb n="pwe_004.022"/> weit und nicht scharf gezogen sein. Fester, greifbarer Anhaltspunkt ist zunächst <lb n="pwe_004.023"/> das Phänomen des sprachlichen Kunstwerks. Als ein geradezu konstitutives <lb n="pwe_004.024"/> Element des kulturmenschlichen Daseins reicht aber das Problem <lb n="pwe_004.025"/> des Gestaltens weit hinein in die Probleme jeder sprachlichen und jeder <lb n="pwe_004.026"/> künstlerischen Äußerung und betrifft schließlich das Menschsein, als einzelnes <lb n="pwe_004.027"/> wie als kollektives, in seinem Wesen wie in seiner Geschichte, überhaupt. <lb n="pwe_004.028"/> Wir rechnen also ausdrücklich zur Literaturwissenschaft auch die <lb n="pwe_004.029"/> Methodenprobleme der Literatur <hi rendition="#g">geschichte</hi> (Historik der Literatur) <lb n="pwe_004.030"/> und halten es für einen irreführenden und unsachlichen Sprachgebrauch, <lb n="pwe_004.031"/> wenn Literaturwissenschaft bloß der Poetik gelten soll und der Literaturhistorie <lb n="pwe_004.032"/> gegenübergestellt wird.</p> <lb n="pwe_004.033"/> <p> „Es wird dem modernen Literarhistoriker nicht leicht, seine Aufgabe zu <lb n="pwe_004.034"/> erfüllen, ohne überall in methodischer Hinsicht Anstoß zu erregen“ – dieser <lb n="pwe_004.035"/> rührende Stoßseufzer eines Germanisten <hi rendition="#i">(Neophilologus</hi> 1938, 319) deutet <lb n="pwe_004.036"/> auf die fast neuralgische Empfindlichkeit der Literaturwissenschaft in Dingen </p> </div> </front> </text> </TEI> [E4/0010]
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VORBEMERKUNG pwe_004.002
Arbeiten wie die folgende sind vielleicht notwendig, aber für den Verfasser pwe_004.003
wie für den Leser unerfreulich, denn sie können weder umfassend und pwe_004.004
gründlich sein noch sich einer fruchtbaren Einseitigkeit verschreiben. Zudem pwe_004.005
hat es der Verfasser gewagt, zwei Herren zu dienen: er sucht einen auswählenden, pwe_004.006
kommentierenden bibliographischen Bericht zu geben und hofft pwe_004.007
zugleich, es möge daraus eine Art bescheidener Einführung in die Wissenschaft pwe_004.008
und ihre Probleme werden, soweit dies bei dem chaotischen Zustand pwe_004.009
dieser Wissenschaft überhaupt sinnvoll ist. Er glaubt aber, daß ein solcher pwe_004.010
Kompromiß, bei der ohnehin bestehenden Notwendigkeit einer Auswahl und pwe_004.011
Stellungnahme einerseits und der Unmöglichkeit einer runden Systembildung pwe_004.012
andererseits, der Sachlage der Wissenschaft und den Bedürfnissen des Lesers pwe_004.013
am besten entspricht. Wenn so unser Referat einen geordneten Gedankengang pwe_004.014
innehalten wird, so kann doch nur eine Einführung in die Problemlage pwe_004.015
und nicht deren Ausführung und Lösung beabsichtigt sein, nicht einmal pwe_004.016
die Zukunftsvision einer Synthese.
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Unter Allgemeiner Literaturwissenschaft wird im Folgenden pwe_004.018
die Wissenschaft von Wesen, Ursprung, Erscheinungsformen und pwe_004.019
Lebenszusammenhängen der literarischen Kunst verstanden; sie ist dadurch, pwe_004.020
in einem engern Sinn, speziell die Wissenschaft von den Prinzipien und pwe_004.021
Methoden der wissenschaftlichen Literaturbetrachtung. Die Grenzen sollen pwe_004.022
weit und nicht scharf gezogen sein. Fester, greifbarer Anhaltspunkt ist zunächst pwe_004.023
das Phänomen des sprachlichen Kunstwerks. Als ein geradezu konstitutives pwe_004.024
Element des kulturmenschlichen Daseins reicht aber das Problem pwe_004.025
des Gestaltens weit hinein in die Probleme jeder sprachlichen und jeder pwe_004.026
künstlerischen Äußerung und betrifft schließlich das Menschsein, als einzelnes pwe_004.027
wie als kollektives, in seinem Wesen wie in seiner Geschichte, überhaupt. pwe_004.028
Wir rechnen also ausdrücklich zur Literaturwissenschaft auch die pwe_004.029
Methodenprobleme der Literatur geschichte (Historik der Literatur) pwe_004.030
und halten es für einen irreführenden und unsachlichen Sprachgebrauch, pwe_004.031
wenn Literaturwissenschaft bloß der Poetik gelten soll und der Literaturhistorie pwe_004.032
gegenübergestellt wird.
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„Es wird dem modernen Literarhistoriker nicht leicht, seine Aufgabe zu pwe_004.034
erfüllen, ohne überall in methodischer Hinsicht Anstoß zu erregen“ – dieser pwe_004.035
rührende Stoßseufzer eines Germanisten (Neophilologus 1938, 319) deutet pwe_004.036
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