Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903].
glücklicher, als es einer von uns gewöhnlichen Sterb- lichen jemals wird. Die Geschwitz. Das weiß ich auch; ich beneide niemanden! Aber ich warte noch darauf. Du hast mich nun schon so oft betrogen. Lulu. Ich bin Dein, mein Liebling, wenn Du den Springfritzen bis morgen beruhigst. Er will nur seine Eitelkeit befriedigt sehen; Du mußt ihn beschwören, daß er sich Deiner erbarme. Die Geschwitz. Und morgen? Lulu. Ich erwarte Dich, mein Herz. Ich werde die Augen nicht aufschlagen bevor Du kommst. Ich sehe keine Kammerfrau, ich empfange keinen Friseur, ich werde die Augen nicht aufschlagen, bevor Du bei mir bist. Die Geschwitz. Dann laß ihn kommen. Lulu. Aber Du mußt Dich ihm an den Hals werfen, mein Lieb! Weißt Du die Hausnummer noch? Die Geschwitz. Vingt cinq, Quai de la Gare. -- Jetzt aber rasch! Lulu (ruft ins Speisezimmer). Voyons, viens, cheri! Rodrigo (kommt aus dem Speisezimmer). Die Damen entschuldigen, daß ich das Maul voll habe. Die Geschwitz (ergreift seine Hand). Ich bete Sie an! Erbarmen Sie sich meiner Not! Rodrigo. A la bonne heure! Besteigen wir das Schaffot! (Er bietet der Gräfin Geschwitz den Arm und verläßt mit ihr den Salon.) Lulu. Bonne nuit, chers enfants! (Sie begleitet das Paar auf den Korridor hinaus und kommt gleich darauf mit Bob zurück.) Lulu (zu Bob). Vite, mon enfant! Nous partirons a l'instant. Tu m'accompagneras. Mais nous allons nous deguiser. Tu ma donneras tes vetements et tu metteras les miens. -- Vite, vite!
glücklicher, als es einer von uns gewöhnlichen Sterb- lichen jemals wird. Die Geſchwitz. Das weiß ich auch; ich beneide niemanden! Aber ich warte noch darauf. Du haſt mich nun ſchon ſo oft betrogen. Lulu. Ich bin Dein, mein Liebling, wenn Du den Springfritzen bis morgen beruhigſt. Er will nur ſeine Eitelkeit befriedigt ſehen; Du mußt ihn beſchwören, daß er ſich Deiner erbarme. Die Geſchwitz. Und morgen? Lulu. Ich erwarte Dich, mein Herz. Ich werde die Augen nicht aufſchlagen bevor Du kommſt. Ich ſehe keine Kammerfrau, ich empfange keinen Friſeur, ich werde die Augen nicht aufſchlagen, bevor Du bei mir biſt. Die Geſchwitz. Dann laß ihn kommen. Lulu. Aber Du mußt Dich ihm an den Hals werfen, mein Lieb! Weißt Du die Hausnummer noch? Die Geſchwitz. Vingt cinq, Quai de la Gare. — Jetzt aber raſch! Lulu (ruft ins Speiſezimmer). Voyons, viens, cheri! Rodrigo (kommt aus dem Speiſezimmer). Die Damen entſchuldigen, daß ich das Maul voll habe. Die Geſchwitz (ergreift ſeine Hand). Ich bete Sie an! Erbarmen Sie ſich meiner Not! Rodrigo. A la bonne heure! Beſteigen wir das Schaffot! (Er bietet der Gräfin Geſchwitz den Arm und verläßt mit ihr den Salon.) Lulu. Bonne nuit, chers enfants! (Sie begleitet das Paar auf den Korridor hinaus und kommt gleich darauf mit Bob zurück.) Lulu (zu Bob). Vite, mon enfant! Nous partirons à l’instant. Tu m’accompagneras. Mais nous allons nous déguiser. Tu ma donneras tes vêtements et tu metteras les miens. — Vite, vite! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#LUL"> <p><pb facs="#f0065" n="57"/> glücklicher, als es einer von uns gewöhnlichen Sterb-<lb/> lichen jemals wird.</p> </sp><lb/> <sp who="#GES"> <speaker><hi rendition="#g">Die Geſchwitz</hi>.</speaker> <p>Das weiß ich auch; ich beneide<lb/> niemanden! Aber ich warte noch darauf. Du haſt mich<lb/> nun ſchon ſo oft betrogen.</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Ich bin Dein, mein Liebling, wenn Du den<lb/> Springfritzen bis morgen beruhigſt. Er will nur ſeine<lb/> Eitelkeit befriedigt ſehen; Du mußt ihn beſchwören, daß<lb/> er ſich Deiner erbarme.</p> </sp><lb/> <sp who="#GES"> <speaker><hi rendition="#g">Die Geſchwitz</hi>.</speaker> <p>Und morgen?</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Ich erwarte Dich, mein Herz. Ich werde die<lb/> Augen nicht aufſchlagen bevor Du kommſt. Ich ſehe<lb/> keine Kammerfrau, ich empfange keinen Friſeur, ich werde<lb/> die Augen nicht aufſchlagen, bevor Du bei mir biſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#GES"> <speaker><hi rendition="#g">Die Geſchwitz</hi>.</speaker> <p>Dann laß ihn kommen.</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Aber Du mußt Dich ihm an den Hals werfen,<lb/> mein Lieb! Weißt Du die Hausnummer noch?</p> </sp><lb/> <sp who="#GES"> <speaker><hi rendition="#g">Die Geſchwitz</hi>.</speaker> <p><hi rendition="#aq">Vingt cinq, Quai de la Gare.</hi> —<lb/> Jetzt aber raſch!</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#g">Lulu</hi> </speaker> <stage>(ruft ins Speiſezimmer).</stage> <p> <hi rendition="#aq">Voyons, viens, cheri!</hi> </p> </sp><lb/> <sp who="#ROD"> <speaker> <hi rendition="#g">Rodrigo</hi> </speaker> <stage>(kommt aus dem Speiſezimmer).</stage> <p>Die Damen<lb/> entſchuldigen, daß ich das Maul voll habe.</p> </sp><lb/> <sp who="#GES"> <speaker> <hi rendition="#g">Die Geſchwitz</hi> </speaker> <stage>(ergreift ſeine Hand).</stage> <p>Ich bete Sie an!<lb/> Erbarmen Sie ſich meiner Not!</p> </sp><lb/> <sp who="#ROD"> <speaker><hi rendition="#g">Rodrigo</hi>.</speaker> <p><hi rendition="#aq">A la bonne heure!</hi> Beſteigen wir das<lb/> Schaffot!</p> <stage>(Er bietet der Gräfin Geſchwitz den Arm und verläßt mit<lb/> ihr den Salon.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p> <hi rendition="#aq">Bonne nuit, chers enfants!</hi> </p> <stage>(Sie begleitet das<lb/> Paar auf den Korridor hinaus und kommt gleich darauf mit Bob zurück.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#g">Lulu</hi> </speaker> <stage>(zu Bob).</stage> <p> <hi rendition="#aq">Vite, mon enfant! Nous partirons<lb/> à l’instant. Tu m’accompagneras. Mais nous allons<lb/> nous déguiser. Tu ma donneras tes vêtements et tu<lb/> metteras les miens. — Vite, vite!</hi> </p> </sp><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [57/0065]
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lichen jemals wird.
Die Geſchwitz. Das weiß ich auch; ich beneide
niemanden! Aber ich warte noch darauf. Du haſt mich
nun ſchon ſo oft betrogen.
Lulu. Ich bin Dein, mein Liebling, wenn Du den
Springfritzen bis morgen beruhigſt. Er will nur ſeine
Eitelkeit befriedigt ſehen; Du mußt ihn beſchwören, daß
er ſich Deiner erbarme.
Die Geſchwitz. Und morgen?
Lulu. Ich erwarte Dich, mein Herz. Ich werde die
Augen nicht aufſchlagen bevor Du kommſt. Ich ſehe
keine Kammerfrau, ich empfange keinen Friſeur, ich werde
die Augen nicht aufſchlagen, bevor Du bei mir biſt.
Die Geſchwitz. Dann laß ihn kommen.
Lulu. Aber Du mußt Dich ihm an den Hals werfen,
mein Lieb! Weißt Du die Hausnummer noch?
Die Geſchwitz. Vingt cinq, Quai de la Gare. —
Jetzt aber raſch!
Lulu (ruft ins Speiſezimmer). Voyons, viens, cheri!
Rodrigo (kommt aus dem Speiſezimmer). Die Damen
entſchuldigen, daß ich das Maul voll habe.
Die Geſchwitz (ergreift ſeine Hand). Ich bete Sie an!
Erbarmen Sie ſich meiner Not!
Rodrigo. A la bonne heure! Beſteigen wir das
Schaffot! (Er bietet der Gräfin Geſchwitz den Arm und verläßt mit
ihr den Salon.)
Lulu. Bonne nuit, chers enfants! (Sie begleitet das
Paar auf den Korridor hinaus und kommt gleich darauf mit Bob zurück.)
Lulu (zu Bob). Vite, mon enfant! Nous partirons
à l’instant. Tu m’accompagneras. Mais nous allons
nous déguiser. Tu ma donneras tes vêtements et tu
metteras les miens. — Vite, vite!
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Zitationshilfe: | Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903], S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_pandora_1902/65>, abgerufen am 26.07.2024. |