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Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891.

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heften meines Bruders fand -- sieben, du blühende Todes-
kandidatin, sind dir vorangeeilt auf diesem Pfad in den Tartarus!
Laß dir das zum Troste gereichen und suche nicht durch diese
flehentlichen Blicke noch meine Qualen in's Ungeheure zu steigern.

Du stirbst nicht um deiner, du stirbst um meiner Sünden
willen! -- Aus Nothwehr gegen mich begehe ich blutenden Herzens
den siebenten Gattenmord. Es liegt etwas Tragisches in der
Rolle des Blaubart. Ich glaube, seine gemordeten Frauen ins-
gesammt litten nicht so viel wie er beim Erwürgen jeder Einzelnen.

Aber mein Gewissen wird ruhiger werden, mein Leib wird
sich kräftigen, wenn du Teufelin nicht mehr in den rothseidenen
Polstern meines Schmuckkästchens residirst. Statt deiner lasse ich
dann die Lurlei von Bodenhausen oder die Verlassene von
Linger oder die Loni von Defregger in das üppige Lust-
gemach einziehen -- so werde ich mich um so rascher erholt
haben! Noch ein Vierteljährchen vielleicht und dein entschleiertes
Josaphat, süße Seele, hätte an meinem armen Hirn zu zehren
begonnen wie die Sonne am Butterklos. Es war hohe Zeit, die
Trennung von Tisch und Bett zu erwirken.

Brrr, ich fühle einen Heliogabalus in mir: Moritura me
salutat!
-- Mädchen, Mädchen, warum preß'st du deine Kniee
zusammen? -- warum auch jetzt noch? -- warum jetzt noch, so
Kind -- angesichts der unerforschlichen Ewigkeit?? -- Eine
Zuckung, und ich gebe dich frei! -- Eine weibliche Regung,
ein Zeichen von Lüsternheit, von Sympathie, Mädchen! -- ich
will dich in Gold rahmen lassen, dich über meinem Bett auf-
hängen! -- Ahnst du denn nicht, daß nur deine Keuschheit
meine Ausschweifungen gebiert? -- Wehe, wehe über die Un-
menschlichen!

... Man sieht eben immer, daß sie eine musterhafte
Erziehung genossen. -- Mir geht es ja ebenso.

heften meines Bruders fand — ſieben, du blühende Todes-
kandidatin, ſind dir vorangeeilt auf dieſem Pfad in den Tartarus!
Laß dir das zum Troſte gereichen und ſuche nicht durch dieſe
flehentlichen Blicke noch meine Qualen in's Ungeheure zu ſteigern.

Du ſtirbſt nicht um deiner, du ſtirbſt um meiner Sünden
willen! — Aus Nothwehr gegen mich begehe ich blutenden Herzens
den ſiebenten Gattenmord. Es liegt etwas Tragiſches in der
Rolle des Blaubart. Ich glaube, ſeine gemordeten Frauen ins-
geſammt litten nicht ſo viel wie er beim Erwürgen jeder Einzelnen.

Aber mein Gewiſſen wird ruhiger werden, mein Leib wird
ſich kräftigen, wenn du Teufelin nicht mehr in den rothſeidenen
Polſtern meines Schmuckkäſtchens reſidirſt. Statt deiner laſſe ich
dann die Lurlei von Bodenhauſen oder die Verlaſſene von
Linger oder die Loni von Defregger in das üppige Luſt-
gemach einziehen — ſo werde ich mich um ſo raſcher erholt
haben! Noch ein Vierteljährchen vielleicht und dein entſchleiertes
Joſaphat, ſüße Seele, hätte an meinem armen Hirn zu zehren
begonnen wie die Sonne am Butterklos. Es war hohe Zeit, die
Trennung von Tiſch und Bett zu erwirken.

Brrr, ich fühle einen Heliogabalus in mir: Moritura me
salutat!
— Mädchen, Mädchen, warum preß'ſt du deine Kniee
zuſammen? — warum auch jetzt noch? — warum jetzt noch, ſo
Kind — angeſichts der unerforſchlichen Ewigkeit?? — Eine
Zuckung, und ich gebe dich frei! — Eine weibliche Regung,
ein Zeichen von Lüſternheit, von Sympathie, Mädchen! — ich
will dich in Gold rahmen laſſen, dich über meinem Bett auf-
hängen! — Ahnſt du denn nicht, daß nur deine Keuſchheit
meine Ausſchweifungen gebiert? — Wehe, wehe über die Un-
menſchlichen!

… Man ſieht eben immer, daß ſie eine muſterhafte
Erziehung genoſſen. — Mir geht es ja ebenſo.

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[37/0053] heften meines Bruders fand — ſieben, du blühende Todes- kandidatin, ſind dir vorangeeilt auf dieſem Pfad in den Tartarus! Laß dir das zum Troſte gereichen und ſuche nicht durch dieſe flehentlichen Blicke noch meine Qualen in's Ungeheure zu ſteigern. Du ſtirbſt nicht um deiner, du ſtirbſt um meiner Sünden willen! — Aus Nothwehr gegen mich begehe ich blutenden Herzens den ſiebenten Gattenmord. Es liegt etwas Tragiſches in der Rolle des Blaubart. Ich glaube, ſeine gemordeten Frauen ins- geſammt litten nicht ſo viel wie er beim Erwürgen jeder Einzelnen. Aber mein Gewiſſen wird ruhiger werden, mein Leib wird ſich kräftigen, wenn du Teufelin nicht mehr in den rothſeidenen Polſtern meines Schmuckkäſtchens reſidirſt. Statt deiner laſſe ich dann die Lurlei von Bodenhauſen oder die Verlaſſene von Linger oder die Loni von Defregger in das üppige Luſt- gemach einziehen — ſo werde ich mich um ſo raſcher erholt haben! Noch ein Vierteljährchen vielleicht und dein entſchleiertes Joſaphat, ſüße Seele, hätte an meinem armen Hirn zu zehren begonnen wie die Sonne am Butterklos. Es war hohe Zeit, die Trennung von Tiſch und Bett zu erwirken. Brrr, ich fühle einen Heliogabalus in mir: Moritura me salutat! — Mädchen, Mädchen, warum preß'ſt du deine Kniee zuſammen? — warum auch jetzt noch? — warum jetzt noch, ſo Kind — angeſichts der unerforſchlichen Ewigkeit?? — Eine Zuckung, und ich gebe dich frei! — Eine weibliche Regung, ein Zeichen von Lüſternheit, von Sympathie, Mädchen! — ich will dich in Gold rahmen laſſen, dich über meinem Bett auf- hängen! — Ahnſt du denn nicht, daß nur deine Keuſchheit meine Ausſchweifungen gebiert? — Wehe, wehe über die Un- menſchlichen! … Man ſieht eben immer, daß ſie eine muſterhafte Erziehung genoſſen. — Mir geht es ja ebenſo.

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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/53>, abgerufen am 27.11.2024.