Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite
lieben -- lieben sag' ich dir -- wie man nur einen Mann
lieben kann! Man muß ihn so sehr von ganzem Herzen
lieben, wie -- wie sich's nicht sagen läßt! Man muß ihn lieben,
Wendla, wie du in deinen Jahren noch gar nicht lieben kannst ...
Jetzt weißt du's.
Wendla (sich erhebend). Großer -- Gott -- im Himmel!
Frau Bergmann. Jetzt weißt du, welche Prüfungen
dir bevorstehen!
Wendla. -- Und das ist Alles?
Frau Bergmann. So wahr mir Gott helfe! -- --
Nimm nun den Korb da und geh' zu Ina hinunter. Du bekommst
dort Chokolade und Kuchen dazu. -- Komm', laß dich noch
einmal betrachten -- die Schnürstiefel, die seidenen Handschuhe,
die Matrosentaille, die Rosen im Haar ..... dein Röckchen
wird dir aber wahrhaftig nachgerade zu kurz, Wendla!
Wendla. -- Hast du für Mittag schon Fleisch gebracht
Mütterchen?
Frau Bergmann. Der liebe Gott behüte dich und segne
dich! -- Ich werde dir gelegentlich eine Handbreit Volants unten
ansetzen.

Dritte Scene.
Hänschen Rilow (ein Licht in der Hand, verriegelt die Thür hinter
sich und öffnet den Deckel).

Hast du zu Nacht gebetet, Desdemona?
(Er zieht eine Reproduction der Venus von Palma Vecchio aus dem Busen.)
-- Du siehst mir nicht nach Vaterunser aus, Holde -- contem-
plativ des Kommenden gewärtig, wie in dem süßen Augenblick
aufkeimender Glückseligkeit, als ich dich bei Jonathan Schlesinger
3*
lieben — lieben ſag' ich dir — wie man nur einen Mann
lieben kann! Man muß ihn ſo ſehr von ganzem Herzen
lieben, wie — wie ſich's nicht ſagen läßt! Man muß ihn lieben,
Wendla, wie du in deinen Jahren noch gar nicht lieben kannſt …
Jetzt weißt du's.
Wendla (ſich erhebend). Großer — Gott — im Himmel!
Frau Bergmann. Jetzt weißt du, welche Prüfungen
dir bevorſtehen!
Wendla. — Und das iſt Alles?
Frau Bergmann. So wahr mir Gott helfe! — —
Nimm nun den Korb da und geh' zu Ina hinunter. Du bekommſt
dort Chokolade und Kuchen dazu. — Komm', laß dich noch
einmal betrachten — die Schnürſtiefel, die ſeidenen Handſchuhe,
die Matroſentaille, die Roſen im Haar ..... dein Röckchen
wird dir aber wahrhaftig nachgerade zu kurz, Wendla!
Wendla. — Haſt du für Mittag ſchon Fleiſch gebracht
Mütterchen?
Frau Bergmann. Der liebe Gott behüte dich und ſegne
dich! — Ich werde dir gelegentlich eine Handbreit Volants unten
anſetzen.

Dritte Scene.
Hänschen Rilow (ein Licht in der Hand, verriegelt die Thür hinter
ſich und öffnet den Deckel).

Haſt du zu Nacht gebetet, Desdemona?
(Er zieht eine Reproduction der Venus von Palma Vecchio aus dem Buſen.)
— Du ſiehſt mir nicht nach Vaterunſer aus, Holde — contem-
plativ des Kommenden gewärtig, wie in dem ſüßen Augenblick
aufkeimender Glückſeligkeit, als ich dich bei Jonathan Schleſinger
3*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#FRB">
            <p><pb facs="#f0051" n="35"/><hi rendition="#g">lieben &#x2014; lieben</hi> &#x017F;ag' ich dir &#x2014; wie man nur einen Mann<lb/>
lieben kann! Man muß ihn &#x017F;o &#x017F;ehr <hi rendition="#g">von ganzem Herzen</hi><lb/>
lieben, wie &#x2014; wie &#x017F;ich's nicht &#x017F;agen läßt! Man muß ihn <hi rendition="#g">lieben</hi>,<lb/>
Wendla, wie du in deinen Jahren noch gar nicht lieben kann&#x017F;t &#x2026;<lb/>
Jetzt weißt du's.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WEN">
            <speaker> <hi rendition="#g">Wendla</hi> </speaker>
            <stage>(&#x017F;ich erhebend).</stage>
            <p>Großer &#x2014; Gott &#x2014; im Himmel!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FRB">
            <speaker><hi rendition="#g">Frau Bergmann</hi>.</speaker>
            <p>Jetzt weißt du, welche Prüfungen<lb/>
dir bevor&#x017F;tehen!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WEN">
            <speaker><hi rendition="#g">Wendla</hi>.</speaker>
            <p>&#x2014; Und das i&#x017F;t Alles?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FRB">
            <speaker><hi rendition="#g">Frau Bergmann</hi>.</speaker>
            <p>So wahr mir Gott helfe! &#x2014; &#x2014;<lb/>
Nimm nun den Korb da und geh' zu Ina hinunter. Du bekomm&#x017F;t<lb/>
dort Chokolade und Kuchen dazu. &#x2014; Komm', laß dich noch<lb/>
einmal betrachten &#x2014; die Schnür&#x017F;tiefel, die &#x017F;eidenen Hand&#x017F;chuhe,<lb/>
die Matro&#x017F;entaille, die Ro&#x017F;en im Haar ..... dein Röckchen<lb/>
wird dir aber wahrhaftig nachgerade zu kurz, Wendla!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WEN">
            <speaker><hi rendition="#g">Wendla</hi>.</speaker>
            <p>&#x2014; Ha&#x017F;t du für Mittag &#x017F;chon Flei&#x017F;ch gebracht<lb/>
Mütterchen?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FRB">
            <speaker><hi rendition="#g">Frau Bergmann</hi>.</speaker>
            <p>Der liebe Gott behüte dich und &#x017F;egne<lb/>
dich! &#x2014; Ich werde dir gelegentlich eine Handbreit Volants unten<lb/>
an&#x017F;etzen.</p>
          </sp>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Dritte Scene.</hi> </head><lb/>
          <sp who="#HAN">
            <speaker> <hi rendition="#g">Hänschen Rilow</hi> </speaker>
            <stage>(ein Licht in der Hand, verriegelt die Thür hinter<lb/>
&#x017F;ich und öffnet den Deckel).</stage><lb/>
            <p> <hi rendition="#c">Ha&#x017F;t du zu Nacht gebetet, Desdemona?</hi> </p><lb/>
            <stage>(Er zieht eine Reproduction der Venus von Palma Vecchio aus dem Bu&#x017F;en.)</stage><lb/>
            <p>&#x2014; Du &#x017F;ieh&#x017F;t mir nicht nach Vaterun&#x017F;er aus, Holde &#x2014; contem-<lb/>
plativ des Kommenden gewärtig, wie in dem &#x017F;üßen Augenblick<lb/>
aufkeimender Glück&#x017F;eligkeit, als ich dich bei Jonathan Schle&#x017F;inger<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3*</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0051] lieben — lieben ſag' ich dir — wie man nur einen Mann lieben kann! Man muß ihn ſo ſehr von ganzem Herzen lieben, wie — wie ſich's nicht ſagen läßt! Man muß ihn lieben, Wendla, wie du in deinen Jahren noch gar nicht lieben kannſt … Jetzt weißt du's. Wendla (ſich erhebend). Großer — Gott — im Himmel! Frau Bergmann. Jetzt weißt du, welche Prüfungen dir bevorſtehen! Wendla. — Und das iſt Alles? Frau Bergmann. So wahr mir Gott helfe! — — Nimm nun den Korb da und geh' zu Ina hinunter. Du bekommſt dort Chokolade und Kuchen dazu. — Komm', laß dich noch einmal betrachten — die Schnürſtiefel, die ſeidenen Handſchuhe, die Matroſentaille, die Roſen im Haar ..... dein Röckchen wird dir aber wahrhaftig nachgerade zu kurz, Wendla! Wendla. — Haſt du für Mittag ſchon Fleiſch gebracht Mütterchen? Frau Bergmann. Der liebe Gott behüte dich und ſegne dich! — Ich werde dir gelegentlich eine Handbreit Volants unten anſetzen. Dritte Scene. Hänschen Rilow (ein Licht in der Hand, verriegelt die Thür hinter ſich und öffnet den Deckel). Haſt du zu Nacht gebetet, Desdemona? (Er zieht eine Reproduction der Venus von Palma Vecchio aus dem Buſen.) — Du ſiehſt mir nicht nach Vaterunſer aus, Holde — contem- plativ des Kommenden gewärtig, wie in dem ſüßen Augenblick aufkeimender Glückſeligkeit, als ich dich bei Jonathan Schleſinger 3*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/51
Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/51>, abgerufen am 23.11.2024.