Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919.Jch soll nach Jhrem Wunsch über "Wissenschaft als Bei uns - das weiß jeder - beginnt normalerweise die 1*
Jch ſoll nach Jhrem Wunſch über „Wiſſenſchaft als Bei uns – das weiß jeder – beginnt normalerweiſe die 1*
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="3"/> <div> <p><hi rendition="#in">J</hi>ch ſoll nach Jhrem Wunſch über „Wiſſenſchaft als<lb/> Beruf“ ſprechen. Nun iſt es eine gewiſſe Pedanterie<lb/> von uns Nationalökonomen, an der ich feſthalten<lb/> möchte: daß wir ſtets von den äußeren Verhältniſſen ausgehen,<lb/> hier alſo von der Frage: Wie geſtaltet ſich Wiſſenſchaft als<lb/> Beruf im materiellen Sinne des Wortes? Das bedeutet aber<lb/> praktiſch heute im weſentlichen: Wie geſtaltet ſich die Lage<lb/> eines abſolvierten Studenten, der entſchloſſen iſt, der Wiſſenſchaft<lb/> innerhalb des akademiſchen Lebens ſich berufsmäßig hinzugeben?<lb/> Um zu verſtehen, worin da die Beſonderheit unſerer deutſchen<lb/> Verhältniſſe beſteht, iſt es zweckmäßig, vergleichend zu ver-<lb/> fahren und ſich zu vergegenwärtigen, wie es im Auslande dort<lb/> ausſieht, wo in dieſer Hinſicht der ſchärfſte Gegenſatz gegen<lb/> uns beſteht: in den Vereinigten Staaten.</p><lb/> <p>Bei uns – das weiß jeder – beginnt normalerweiſe die<lb/> Laufbahn eines jungen Mannes, der ſich der Wiſſenſchaft als<lb/> Beruf hingibt, als „Privatdozent“. Er habilitiert ſich nach<lb/> Rückſprache und mit Zuſtimmung des betreffenden Fachver-<lb/> treters, auf Grund eines Buches und eines meiſt mehr formellen<lb/> Examens vor der Fakultät, an einer Univerſität und hält nun,<lb/> unbeſoldet, entgolten nur durch das Kolleggeld der Studenten,<lb/> Vorleſungen, deren Gegenſtand er innerhalb ſeiner <hi rendition="#aq">venia legendi</hi><lb/> ſelbſt beſtimmt. Jn Amerika beginnt die Laufbahn normaler-<lb/> weiſe ganz anders, nämlich durch Anſtellung als <hi rendition="#aq">„assistant“</hi>.<lb/> Jn ähnlicher Art etwa, wie das bei uns an den großen Jn-<lb/> ſtituten der naturwiſſenſchaftlichen und mediziniſchen Fakultäten<lb/> vor ſich zu gehen pflegt, wo die förmliche Habilitation als<lb/> Privatdozent nur von einem Bruchteil der Aſſiſtenten und oft<lb/> erſt ſpät erſtrebt wird. Der Gegenſatz bedeutet praktiſch: daß<lb/> bei uns die Laufbahn eines Mannes der Wiſſenſchaft im<lb/> ganzen auf plutokratiſchen Vorausſetzungen aufgebaut iſt.<lb/> Denn es iſt außerordentlich gewagt für einen jungen Gelehrten,<lb/> der keinerlei Vermögen hat, überhaupt den Bedingungen der<lb/> akademiſchen Laufbahn ſich auszuſetzen. Er muß es mindeſtens<lb/> eine Anzahl Jahre aushalten können, ohne irgendwie zu<lb/> <fw type="sig" place="bottom"><hi rendition="#right">1*</hi></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [3/0002]
Jch ſoll nach Jhrem Wunſch über „Wiſſenſchaft als
Beruf“ ſprechen. Nun iſt es eine gewiſſe Pedanterie
von uns Nationalökonomen, an der ich feſthalten
möchte: daß wir ſtets von den äußeren Verhältniſſen ausgehen,
hier alſo von der Frage: Wie geſtaltet ſich Wiſſenſchaft als
Beruf im materiellen Sinne des Wortes? Das bedeutet aber
praktiſch heute im weſentlichen: Wie geſtaltet ſich die Lage
eines abſolvierten Studenten, der entſchloſſen iſt, der Wiſſenſchaft
innerhalb des akademiſchen Lebens ſich berufsmäßig hinzugeben?
Um zu verſtehen, worin da die Beſonderheit unſerer deutſchen
Verhältniſſe beſteht, iſt es zweckmäßig, vergleichend zu ver-
fahren und ſich zu vergegenwärtigen, wie es im Auslande dort
ausſieht, wo in dieſer Hinſicht der ſchärfſte Gegenſatz gegen
uns beſteht: in den Vereinigten Staaten.
Bei uns – das weiß jeder – beginnt normalerweiſe die
Laufbahn eines jungen Mannes, der ſich der Wiſſenſchaft als
Beruf hingibt, als „Privatdozent“. Er habilitiert ſich nach
Rückſprache und mit Zuſtimmung des betreffenden Fachver-
treters, auf Grund eines Buches und eines meiſt mehr formellen
Examens vor der Fakultät, an einer Univerſität und hält nun,
unbeſoldet, entgolten nur durch das Kolleggeld der Studenten,
Vorleſungen, deren Gegenſtand er innerhalb ſeiner venia legendi
ſelbſt beſtimmt. Jn Amerika beginnt die Laufbahn normaler-
weiſe ganz anders, nämlich durch Anſtellung als „assistant“.
Jn ähnlicher Art etwa, wie das bei uns an den großen Jn-
ſtituten der naturwiſſenſchaftlichen und mediziniſchen Fakultäten
vor ſich zu gehen pflegt, wo die förmliche Habilitation als
Privatdozent nur von einem Bruchteil der Aſſiſtenten und oft
erſt ſpät erſtrebt wird. Der Gegenſatz bedeutet praktiſch: daß
bei uns die Laufbahn eines Mannes der Wiſſenſchaft im
ganzen auf plutokratiſchen Vorausſetzungen aufgebaut iſt.
Denn es iſt außerordentlich gewagt für einen jungen Gelehrten,
der keinerlei Vermögen hat, überhaupt den Bedingungen der
akademiſchen Laufbahn ſich auszuſetzen. Er muß es mindeſtens
eine Anzahl Jahre aushalten können, ohne irgendwie zu
1*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription.
(2018-02-07T08:13:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-02-07T08:13:52Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |