Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Erster Vortrag. München, 1919.zuführen an das Licht. Er ist der Philosoph, die Sonne aber Ja, wer steht heute so zur Wissenschaft? Heute ist die Neben diese Entdeckung des hellenischen Geistes trat nun zuführen an das Licht. Er iſt der Philoſoph, die Sonne aber Ja, wer ſteht heute ſo zur Wiſſenſchaft? Heute iſt die Neben dieſe Entdeckung des helleniſchen Geiſtes trat nun <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0017" n="18"/> zuführen an das Licht. Er iſt der Philoſoph, die Sonne aber<lb/> iſt die Wahrheit der Wiſſenſchaft, die allein nicht nach Schein-<lb/> gebilden und Schatten haſcht, ſondern nach dem wahren Sein.</p><lb/> <p>Ja, wer ſteht heute ſo zur Wiſſenſchaft? Heute iſt die<lb/> Empfindung gerade der Jugend wohl eher die umgekehrte:<lb/> Die Gedankengebilde der Wiſſenſchaft ſind ein hinterweltliches<lb/> Reich von künſtlichen Abſtraktionen, die mit ihren dürren<lb/> Händen Blut und Saft des wirklichen Lebens einzufangen<lb/> trachten, ohne es doch je zu erhaſchen. Hier im Leben aber,<lb/> in dem, was für Platon das Schattenſpiel an den Wänden<lb/> der Höhle war, pulſiert die wirkliche Realität: das andere ſind<lb/> von ihr abgeleitete und lebloſe Geſpenſter und ſonſt nichts.<lb/> Wie vollzog ſich dieſe Wandlung? Die leidenſchaftliche Be-<lb/> geiſterung Platons in der Politeia erklärt ſich letztlich daraus,<lb/> daß damals zuerſt der Sinn eines der großen Mittel <choice><sic>aller</sic><corr>allen</corr></choice><lb/> wiſſenſchaftlichen Erkennens bewußt gefunden war: des <hi rendition="#g">Be-<lb/> griffs</hi>. Von Sokrates iſt er in ſeiner Tragweite entdeckt.<lb/> Nicht von ihm allein in der Welt. Sie können in Jndien ganz<lb/> ähnliche Anſätze einer Logik finden, wie die des Ariſtoteles iſt.<lb/> Aber nirgends mit dieſem Bewußtſein der Bedeutung. Hier<lb/> zum erſtenmal ſchien ein Mittel zur Hand, womit man<lb/> jemanden in den logiſchen Schraubſtock ſetzen konnte, ſo daß<lb/> er nicht herauskam, ohne zuzugeben: entweder daß er nichts<lb/> wiſſe: oder daß dies und nichts anderes die Wahrheit ſei, die<lb/><hi rendition="#g">ewige</hi> Wahrheit, die nie vergehen würde, wie das Tun und Treiben<lb/> der blinden Menſchen. Das war das ungeheure Er-<lb/> lebnis, das den Schülern des Sokrates aufging. Und daraus<lb/> ſchien zu folgen, daß, wenn man nur den rechten Begriff des<lb/> Schönen, des Guten, oder auch etwa der Tapferkeit, der Seele –<lb/> und was es ſei – gefunden habe, daß man dann auch ihr<lb/> wahres Sein erfaſſen könne, und das wieder ſchien den Weg an<lb/> die Hand zu geben, zu wiſſen und zu lehren: wie man im<lb/> Leben, vor allem: als Staatsbürger, richtig handle. Denn auf<lb/> dieſe Frage kam den durch und durch politiſch denkenden Hellenen<lb/> alles an. Deshalb betrieb man Wiſſenſchaft.</p><lb/> <p>Neben dieſe Entdeckung des helleniſchen Geiſtes trat nun<lb/> als Kind der Renaiſſancezeit das zweite große Werkzeug<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [18/0017]
zuführen an das Licht. Er iſt der Philoſoph, die Sonne aber
iſt die Wahrheit der Wiſſenſchaft, die allein nicht nach Schein-
gebilden und Schatten haſcht, ſondern nach dem wahren Sein.
Ja, wer ſteht heute ſo zur Wiſſenſchaft? Heute iſt die
Empfindung gerade der Jugend wohl eher die umgekehrte:
Die Gedankengebilde der Wiſſenſchaft ſind ein hinterweltliches
Reich von künſtlichen Abſtraktionen, die mit ihren dürren
Händen Blut und Saft des wirklichen Lebens einzufangen
trachten, ohne es doch je zu erhaſchen. Hier im Leben aber,
in dem, was für Platon das Schattenſpiel an den Wänden
der Höhle war, pulſiert die wirkliche Realität: das andere ſind
von ihr abgeleitete und lebloſe Geſpenſter und ſonſt nichts.
Wie vollzog ſich dieſe Wandlung? Die leidenſchaftliche Be-
geiſterung Platons in der Politeia erklärt ſich letztlich daraus,
daß damals zuerſt der Sinn eines der großen Mittel allen
wiſſenſchaftlichen Erkennens bewußt gefunden war: des Be-
griffs. Von Sokrates iſt er in ſeiner Tragweite entdeckt.
Nicht von ihm allein in der Welt. Sie können in Jndien ganz
ähnliche Anſätze einer Logik finden, wie die des Ariſtoteles iſt.
Aber nirgends mit dieſem Bewußtſein der Bedeutung. Hier
zum erſtenmal ſchien ein Mittel zur Hand, womit man
jemanden in den logiſchen Schraubſtock ſetzen konnte, ſo daß
er nicht herauskam, ohne zuzugeben: entweder daß er nichts
wiſſe: oder daß dies und nichts anderes die Wahrheit ſei, die
ewige Wahrheit, die nie vergehen würde, wie das Tun und Treiben
der blinden Menſchen. Das war das ungeheure Er-
lebnis, das den Schülern des Sokrates aufging. Und daraus
ſchien zu folgen, daß, wenn man nur den rechten Begriff des
Schönen, des Guten, oder auch etwa der Tapferkeit, der Seele –
und was es ſei – gefunden habe, daß man dann auch ihr
wahres Sein erfaſſen könne, und das wieder ſchien den Weg an
die Hand zu geben, zu wiſſen und zu lehren: wie man im
Leben, vor allem: als Staatsbürger, richtig handle. Denn auf
dieſe Frage kam den durch und durch politiſch denkenden Hellenen
alles an. Deshalb betrieb man Wiſſenſchaft.
Neben dieſe Entdeckung des helleniſchen Geiſtes trat nun
als Kind der Renaiſſancezeit das zweite große Werkzeug
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription.
(2018-02-07T08:13:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-02-07T08:13:52Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |