Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.gegen den Demagogen als homo novus, die Überzeugung von Zunächst England: dort war die Parteiorganisation bis 1868 gegen den Demagogen als homo novus, die Überzeugung von Zunächſt England: dort war die Parteiorganiſation bis 1868 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0036" n="36"/> gegen den Demagogen als <hi rendition="#aq">homo novus</hi>, die Überzeugung von<lb/> der Überlegenheit parteipolitiſcher „Erfahrung“ – die nun<lb/> einmal auch tatsächlich von erheblicher Bedeutung iſt – und die<lb/> ideologiſche Beſorgnis vor dem Zerbrechen der alten Partei-<lb/> traditionen beſtimmen ihr Handeln. Und in der Partei haben<lb/> ſie alle traditionaliſtiſchen Elemente für ſich. Vor allem der<lb/> ländliche, aber auch der kleinbürgerliche Wähler ſieht auf den<lb/> ihm von alters her vertrauten Honoratiorennamen und mißtraut<lb/> dem ihm unbekannten Mann, um freilich, <hi rendition="#g">wenn</hi> dieſer einmal<lb/> den Erfolg für ſich gehabt hat, nun ihm um ſo uner-<lb/> ſchütterlicher anzuhängen. Sehen wir uns an einigen Haupt-<lb/> beiſpielen dieſes Ringen der beiden Strukturformen und das<lb/> namentlich von Oſtrogorſki geſchilderte Hochkommen der ple-<lb/> biszitären Form einmal an.</p><lb/> <p>Zunächſt England: dort war die Parteiorganiſation bis 1868<lb/> eine faſt reine Honoratioren-Organiſation. Die Tories ſtützten<lb/> ſich auf dem Lande etwa auf den anglikaniſchen Pfarrer,<lb/> daneben – meiſt – den Schulmeiſter und vor allem die Groß-<lb/> beſitzer der betreffenden <hi rendition="#aq">county</hi>, die Whigs meiſt auf ſolche<lb/> Leute wie den nonconformiſtiſchen Prediger (wo es ihn gab),<lb/> den Poſthalter, Schmied, Schneider, Seiler, ſolche Handwerker<lb/> alſo, von denen – weil man mit ihnen am meiſten plaudern<lb/> kann – politiſcher Einfluß ausgehen konnte. Jn der Stadt<lb/> ſchieden ſich die Parteien teils nach ökonomiſchen, teils nach<lb/> religiöſen, teils einfach nach in den Familien überkommenen<lb/> Parteimeinungen. Jmmer aber waren Honoratioren die Träger<lb/> des politiſchen Betriebes. Darüber ſchwebte das Parlament<lb/> und die Parteien mit dem Kabinett und mit dem <hi rendition="#aq">„leader“</hi>,<lb/> der der Vorſitzende des Miniſterrates oder der Oppoſition<lb/> war. Dieſer <hi rendition="#aq">leader</hi> hatte neben ſich die wichtigſte berufs-<lb/> politiſche Perſönlichkeit der Parteiorganiſation: den „Ein-<lb/> peitſcher“ <hi rendition="#aq">(whip)</hi>. Jn ſeinen Händen lag die Ämterpatronage;<lb/> an ihn hatten ſich alſo die Stellenjäger zu wenden, er benahm<lb/> ſich darüber mit den Deputierten der einzelnen Wahlkreiſe. Jn<lb/> dieſen begann ſich langſam eine Berufspolitikerſchicht zu ent-<lb/> wickeln, indem lokale Agenten geworben wurden, die zunächſt<lb/> unbezahlt waren und ungefähr die Stellung unſerer „Ver-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [36/0036]
gegen den Demagogen als homo novus, die Überzeugung von
der Überlegenheit parteipolitiſcher „Erfahrung“ – die nun
einmal auch tatsächlich von erheblicher Bedeutung iſt – und die
ideologiſche Beſorgnis vor dem Zerbrechen der alten Partei-
traditionen beſtimmen ihr Handeln. Und in der Partei haben
ſie alle traditionaliſtiſchen Elemente für ſich. Vor allem der
ländliche, aber auch der kleinbürgerliche Wähler ſieht auf den
ihm von alters her vertrauten Honoratiorennamen und mißtraut
dem ihm unbekannten Mann, um freilich, wenn dieſer einmal
den Erfolg für ſich gehabt hat, nun ihm um ſo uner-
ſchütterlicher anzuhängen. Sehen wir uns an einigen Haupt-
beiſpielen dieſes Ringen der beiden Strukturformen und das
namentlich von Oſtrogorſki geſchilderte Hochkommen der ple-
biszitären Form einmal an.
Zunächſt England: dort war die Parteiorganiſation bis 1868
eine faſt reine Honoratioren-Organiſation. Die Tories ſtützten
ſich auf dem Lande etwa auf den anglikaniſchen Pfarrer,
daneben – meiſt – den Schulmeiſter und vor allem die Groß-
beſitzer der betreffenden county, die Whigs meiſt auf ſolche
Leute wie den nonconformiſtiſchen Prediger (wo es ihn gab),
den Poſthalter, Schmied, Schneider, Seiler, ſolche Handwerker
alſo, von denen – weil man mit ihnen am meiſten plaudern
kann – politiſcher Einfluß ausgehen konnte. Jn der Stadt
ſchieden ſich die Parteien teils nach ökonomiſchen, teils nach
religiöſen, teils einfach nach in den Familien überkommenen
Parteimeinungen. Jmmer aber waren Honoratioren die Träger
des politiſchen Betriebes. Darüber ſchwebte das Parlament
und die Parteien mit dem Kabinett und mit dem „leader“,
der der Vorſitzende des Miniſterrates oder der Oppoſition
war. Dieſer leader hatte neben ſich die wichtigſte berufs-
politiſche Perſönlichkeit der Parteiorganiſation: den „Ein-
peitſcher“ (whip). Jn ſeinen Händen lag die Ämterpatronage;
an ihn hatten ſich alſo die Stellenjäger zu wenden, er benahm
ſich darüber mit den Deputierten der einzelnen Wahlkreiſe. Jn
dieſen begann ſich langſam eine Berufspolitikerſchicht zu ent-
wickeln, indem lokale Agenten geworben wurden, die zunächſt
unbezahlt waren und ungefähr die Stellung unſerer „Ver-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription.Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Bogensignaturen: übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |