Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.

Bild:
<< vorherige Seite

des "Lord" Northcliffe - immer mehr politischen Einfluß ge-
winnt.

Bei uns waren allerdings bisher die großen kapitalistischen
Zeitungskonzerne, welche sich vor allem der Blätter mit "kleinen
Anzeigen", der "Generalanzeiger", bemächtigt hatten, in aller
Regel die typischen Züchter politischer Jndifferenz. Denn an
selbständiger Politik war nichts zu verdienen, vor allem nicht
das geschäftlich nützliche Wohlwollen der politisch herrschenden
Gewalten. Das Jnseratengeschäft ist auch der Weg, auf dem
man während des Krieges den Versuch einer politischen Be-
einflussung der Presse im großen Stil gemacht hat und jetzt,
wie es scheint, fortsetzen will. Wenn auch zu erwarten ist,
daß die große Presse sich dem entziehen wird, so ist die Lage
für die kleinen Blätter doch weit schwieriger. Jedenfalls aber
ist bei uns zurzeit die journalistische Laufbahn, so viel Reiz
sie im übrigen haben und welches Maß von Einfluß und
Wirkungsmöglichkeit, vor allem: von politischer Verantwortung,
sie einbringen mag, nicht - man muß vielleicht abwarten, ob:
nicht mehr oder: noch nicht - ein normaler Weg des Auf-
stiegs politischer Führer. Ob die von manchen - nicht allen -
Journalisten für richtig gehaltene Aufgabe des Anonymitäts-
prinzips darin etwas ändern würde, läßt sich schwer sagen.
Was wir in der deutschen Presse während des Krieges an
"Leitung" von Zeitungen durch besonders angeworbene schrift-
stellerisch begabte Persönlichkeiten, die dabei stets ausdrücklich
unter ihrem Namen auftraten, erlebten, hat in einigen be-
kannteren Fällen leider gezeigt: daß ein erhöhtes Ver-
antwortungsgefühl auf diesem Wege nicht so sicher gezüchtet
wird, wie man glauben könnte. Es waren - ohne Partei-
unterschied - zum Teil gerade die notorisch übelsten Boule-
vard-Blätter, die damit einen erhöhten Absatz erstrebten und
auch erreichten. Vermögen haben die betreffenden Herren, die
Verleger wie auch die Sensationsjournalisten, gewonnen, -
Ehre gewiß nicht. Damit soll nun gegen das Prinzip nichts
gesagt sein; die Frage liegt sehr verwickelt, und jene Er-
scheinung gilt auch nicht allgemein. Aber es ist bisher
nicht der Weg zu echtem Führertum oder verantwort-

des „Lord“ Northcliffe – immer mehr politiſchen Einfluß ge-
winnt.

Bei uns waren allerdings bisher die großen kapitaliſtiſchen
Zeitungskonzerne, welche ſich vor allem der Blätter mit „kleinen
Anzeigen“, der „Generalanzeiger“, bemächtigt hatten, in aller
Regel die typiſchen Züchter politiſcher Jndifferenz. Denn an
ſelbſtändiger Politik war nichts zu verdienen, vor allem nicht
das geſchäftlich nützliche Wohlwollen der politiſch herrſchenden
Gewalten. Das Jnſeratengeſchäft iſt auch der Weg, auf dem
man während des Krieges den Verſuch einer politiſchen Be-
einfluſſung der Preſſe im großen Stil gemacht hat und jetzt,
wie es ſcheint, fortſetzen will. Wenn auch zu erwarten iſt,
daß die große Preſſe ſich dem entziehen wird, ſo iſt die Lage
für die kleinen Blätter doch weit ſchwieriger. Jedenfalls aber
iſt bei uns zurzeit die journaliſtiſche Laufbahn, ſo viel Reiz
ſie im übrigen haben und welches Maß von Einfluß und
Wirkungsmöglichkeit, vor allem: von politiſcher Verantwortung,
ſie einbringen mag, nicht – man muß vielleicht abwarten, ob:
nicht mehr oder: noch nicht – ein normaler Weg des Auf-
ſtiegs politiſcher Führer. Ob die von manchen – nicht allen –
Journaliſten für richtig gehaltene Aufgabe des Anonymitäts-
prinzips darin etwas ändern würde, läßt ſich ſchwer ſagen.
Was wir in der deutſchen Preſſe während des Krieges an
„Leitung“ von Zeitungen durch beſonders angeworbene ſchrift-
ſtelleriſch begabte Perſönlichkeiten, die dabei ſtets ausdrücklich
unter ihrem Namen auftraten, erlebten, hat in einigen be-
kannteren Fällen leider gezeigt: daß ein erhöhtes Ver-
antwortungsgefühl auf dieſem Wege nicht ſo ſicher gezüchtet
wird, wie man glauben könnte. Es waren – ohne Partei-
unterſchied – zum Teil gerade die notoriſch übelſten Boule-
vard-Blätter, die damit einen erhöhten Abſatz erſtrebten und
auch erreichten. Vermögen haben die betreffenden Herren, die
Verleger wie auch die Senſationsjournaliſten, gewonnen, –
Ehre gewiß nicht. Damit ſoll nun gegen das Prinzip nichts
geſagt ſein; die Frage liegt ſehr verwickelt, und jene Er-
ſcheinung gilt auch nicht allgemein. Aber es iſt bisher
nicht der Weg zu echtem Führertum oder verantwort-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0028" n="28"/>
des &#x201E;Lord&#x201C; Northcliffe &#x2013; immer mehr politi&#x017F;chen Einfluß ge-<lb/>
winnt.</p><lb/>
        <p>Bei uns waren allerdings bisher die großen kapitali&#x017F;ti&#x017F;chen<lb/>
Zeitungskonzerne, welche &#x017F;ich vor allem der Blätter mit &#x201E;kleinen<lb/>
Anzeigen&#x201C;, der &#x201E;Generalanzeiger&#x201C;, bemächtigt hatten, in aller<lb/>
Regel die typi&#x017F;chen Züchter politi&#x017F;cher Jndifferenz. Denn an<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;tändiger Politik war nichts zu verdienen, vor allem nicht<lb/>
das ge&#x017F;chäftlich nützliche Wohlwollen der politi&#x017F;ch herr&#x017F;chenden<lb/>
Gewalten. Das Jn&#x017F;eratenge&#x017F;chäft i&#x017F;t auch der Weg, auf dem<lb/>
man während des Krieges den Ver&#x017F;uch einer politi&#x017F;chen Be-<lb/>
einflu&#x017F;&#x017F;ung der Pre&#x017F;&#x017F;e im großen Stil gemacht hat und jetzt,<lb/>
wie es &#x017F;cheint, fort&#x017F;etzen will. Wenn auch zu erwarten i&#x017F;t,<lb/>
daß die große Pre&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich dem entziehen wird, &#x017F;o i&#x017F;t die Lage<lb/>
für die kleinen Blätter doch weit &#x017F;chwieriger. Jedenfalls aber<lb/>
i&#x017F;t bei uns zurzeit die journali&#x017F;ti&#x017F;che Laufbahn, &#x017F;o viel Reiz<lb/>
&#x017F;ie im übrigen haben und welches Maß von Einfluß und<lb/>
Wirkungsmöglichkeit, vor allem: von politi&#x017F;cher Verantwortung,<lb/>
&#x017F;ie einbringen mag, nicht &#x2013; man muß vielleicht abwarten, ob:<lb/>
nicht mehr oder: noch nicht &#x2013; ein normaler Weg des Auf-<lb/>
&#x017F;tiegs politi&#x017F;cher Führer. Ob die von manchen &#x2013; nicht allen &#x2013;<lb/>
Journali&#x017F;ten für richtig gehaltene Aufgabe des Anonymitäts-<lb/>
prinzips darin etwas ändern würde, läßt &#x017F;ich &#x017F;chwer &#x017F;agen.<lb/>
Was wir in der deut&#x017F;chen Pre&#x017F;&#x017F;e während des Krieges an<lb/>
&#x201E;Leitung&#x201C; von Zeitungen durch be&#x017F;onders angeworbene &#x017F;chrift-<lb/>
&#x017F;telleri&#x017F;ch begabte Per&#x017F;önlichkeiten, die dabei &#x017F;tets ausdrücklich<lb/>
unter ihrem Namen auftraten, erlebten, hat in einigen be-<lb/>
kannteren Fällen leider gezeigt: daß ein erhöhtes Ver-<lb/>
antwortungsgefühl auf die&#x017F;em Wege <hi rendition="#g">nicht</hi> &#x017F;o &#x017F;icher gezüchtet<lb/>
wird, wie man glauben könnte. Es waren &#x2013; ohne Partei-<lb/>
unter&#x017F;chied &#x2013; zum Teil gerade die notori&#x017F;ch übel&#x017F;ten Boule-<lb/>
vard-Blätter, die damit einen erhöhten Ab&#x017F;atz er&#x017F;trebten und<lb/>
auch erreichten. Vermögen haben die betreffenden Herren, die<lb/>
Verleger wie auch die Sen&#x017F;ationsjournali&#x017F;ten, gewonnen, &#x2013;<lb/>
Ehre gewiß nicht. Damit &#x017F;oll nun gegen das Prinzip nichts<lb/>
ge&#x017F;agt &#x017F;ein; die Frage liegt &#x017F;ehr verwickelt, und jene Er-<lb/>
&#x017F;cheinung gilt auch nicht allgemein. Aber es i&#x017F;t <hi rendition="#g">bisher</hi><lb/>
nicht der Weg zu echtem Führertum oder <hi rendition="#g">verantwort-<lb/></hi></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0028] des „Lord“ Northcliffe – immer mehr politiſchen Einfluß ge- winnt. Bei uns waren allerdings bisher die großen kapitaliſtiſchen Zeitungskonzerne, welche ſich vor allem der Blätter mit „kleinen Anzeigen“, der „Generalanzeiger“, bemächtigt hatten, in aller Regel die typiſchen Züchter politiſcher Jndifferenz. Denn an ſelbſtändiger Politik war nichts zu verdienen, vor allem nicht das geſchäftlich nützliche Wohlwollen der politiſch herrſchenden Gewalten. Das Jnſeratengeſchäft iſt auch der Weg, auf dem man während des Krieges den Verſuch einer politiſchen Be- einfluſſung der Preſſe im großen Stil gemacht hat und jetzt, wie es ſcheint, fortſetzen will. Wenn auch zu erwarten iſt, daß die große Preſſe ſich dem entziehen wird, ſo iſt die Lage für die kleinen Blätter doch weit ſchwieriger. Jedenfalls aber iſt bei uns zurzeit die journaliſtiſche Laufbahn, ſo viel Reiz ſie im übrigen haben und welches Maß von Einfluß und Wirkungsmöglichkeit, vor allem: von politiſcher Verantwortung, ſie einbringen mag, nicht – man muß vielleicht abwarten, ob: nicht mehr oder: noch nicht – ein normaler Weg des Auf- ſtiegs politiſcher Führer. Ob die von manchen – nicht allen – Journaliſten für richtig gehaltene Aufgabe des Anonymitäts- prinzips darin etwas ändern würde, läßt ſich ſchwer ſagen. Was wir in der deutſchen Preſſe während des Krieges an „Leitung“ von Zeitungen durch beſonders angeworbene ſchrift- ſtelleriſch begabte Perſönlichkeiten, die dabei ſtets ausdrücklich unter ihrem Namen auftraten, erlebten, hat in einigen be- kannteren Fällen leider gezeigt: daß ein erhöhtes Ver- antwortungsgefühl auf dieſem Wege nicht ſo ſicher gezüchtet wird, wie man glauben könnte. Es waren – ohne Partei- unterſchied – zum Teil gerade die notoriſch übelſten Boule- vard-Blätter, die damit einen erhöhten Abſatz erſtrebten und auch erreichten. Vermögen haben die betreffenden Herren, die Verleger wie auch die Senſationsjournaliſten, gewonnen, – Ehre gewiß nicht. Damit ſoll nun gegen das Prinzip nichts geſagt ſein; die Frage liegt ſehr verwickelt, und jene Er- ſcheinung gilt auch nicht allgemein. Aber es iſt bisher nicht der Weg zu echtem Führertum oder verantwort-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription.Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/28
Zitationshilfe: Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/28>, abgerufen am 24.11.2024.