Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.nicht vergessen lassen, daß nicht Kleon, sondern Perikles der Die Soziologie der modernen politischen Journalistik auch nicht vergeſſen laſſen, daß nicht Kleon, ſondern Perikles der Die Soziologie der modernen politiſchen Journaliſtik auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0026" n="26"/> nicht vergeſſen laſſen, daß nicht Kleon, ſondern Perikles der<lb/> erſte war, der dieſen Namen trug. Amtlos oder mit dem –<lb/> im Gegenſatz zu den durchs Los beſetzten Ämtern der antiken<lb/> Demokratie – einzigen Wahlamt: dem des Oberſtrategen, be-<lb/> traut, leitete er die ſouveräne Ekkleſia des Demos von Athen.<lb/> Die moderne Demagogie bedient ſich zwar auch der Rede: in<lb/> quantitativ ungeheuerlichem Umfang ſogar, wenn man die Wahl-<lb/> reden bedenkt, die ein moderner Kandidat zu halten hat. Aber<lb/> noch nachhaltiger doch: des gedruckten Worts. Der politiſche<lb/> Publiziſt und vor allem der <hi rendition="#g">Journaliſt</hi> iſt der wichtigſte<lb/> heutige Repräſentant der Gattung.</p><lb/> <p>Die Soziologie der modernen politiſchen Journaliſtik auch<lb/> nur zu ſkizzieren, wäre im Rahmen dieſes Vortrags ganz un-<lb/> möglich und iſt in jeder Hinſicht ein Kapitel für ſich. Nur<lb/> weniges gehört unbedingt hierher. Der Journaliſt teilt mit<lb/> allen Demagogen und übrigens – wenigſtens auf dem Kon-<lb/> tinent und im Gegenſatz zu den engliſchen und übrigens auch<lb/> zu den früheren preußiſchen Zuſtänden – auch mit dem Advo-<lb/> katen (und dem Künſtler) das Schickſal: der feſten ſozialen<lb/> Klaſſifikation zu entbehren. Er gehört zu einer Art von Paria-<lb/> kaſte, die in der „Geſellſchaft“ ſtets nach ihren ethiſch tiefſt-<lb/> ſtehenden Repräſentanten ſozial eingeſchätzt wird. Die ſeltſamſten<lb/> Vorſtellungen über die Journaliſten und ihre Arbeit ſind daher<lb/> landläufig. Daß eine wirklich <hi rendition="#g">gute</hi> journaliſtiſche Leiſtung<lb/> mindeſtens ſo viel „Geiſt“ beanſprucht wie irgendeine Gelehrten-<lb/> leiſtung – vor allem infolge der Notwendigkeit, ſofort, auf<lb/> Kommando, hervorgebracht zu werden und: ſofort <hi rendition="#g">wirken</hi> zu<lb/> ſollen, bei freilich ganz anderen Bedingungen der Schöpfung,<lb/> iſt nicht jedermann gegenwärtig. Daß die Verantwortung eine<lb/> weit größere iſt, und daß auch das Verantwortungs<hi rendition="#g">gefühl</hi><lb/> jedes ehrenhaften Journaliſten im Durchſchnitt nicht im min-<lb/> deſten tiefer ſteht als das des Gelehrten: – ſondern höher, wie<lb/> der Krieg gelehrt hat –, wird faſt nie gewürdigt, weil natur-<lb/> gemäß gerade die verantwortungs<hi rendition="#g">loſen</hi> journaliſtiſchen<lb/> Leiſtungen, ihrer oft furchtbaren Wirkung wegen, im Gedächt-<lb/> nis haften. Daß vollends die Diskretion der irgendwie tüch-<lb/> tigen Journaliſten durchſchnittlich höher ſteht als die anderer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [26/0026]
nicht vergeſſen laſſen, daß nicht Kleon, ſondern Perikles der
erſte war, der dieſen Namen trug. Amtlos oder mit dem –
im Gegenſatz zu den durchs Los beſetzten Ämtern der antiken
Demokratie – einzigen Wahlamt: dem des Oberſtrategen, be-
traut, leitete er die ſouveräne Ekkleſia des Demos von Athen.
Die moderne Demagogie bedient ſich zwar auch der Rede: in
quantitativ ungeheuerlichem Umfang ſogar, wenn man die Wahl-
reden bedenkt, die ein moderner Kandidat zu halten hat. Aber
noch nachhaltiger doch: des gedruckten Worts. Der politiſche
Publiziſt und vor allem der Journaliſt iſt der wichtigſte
heutige Repräſentant der Gattung.
Die Soziologie der modernen politiſchen Journaliſtik auch
nur zu ſkizzieren, wäre im Rahmen dieſes Vortrags ganz un-
möglich und iſt in jeder Hinſicht ein Kapitel für ſich. Nur
weniges gehört unbedingt hierher. Der Journaliſt teilt mit
allen Demagogen und übrigens – wenigſtens auf dem Kon-
tinent und im Gegenſatz zu den engliſchen und übrigens auch
zu den früheren preußiſchen Zuſtänden – auch mit dem Advo-
katen (und dem Künſtler) das Schickſal: der feſten ſozialen
Klaſſifikation zu entbehren. Er gehört zu einer Art von Paria-
kaſte, die in der „Geſellſchaft“ ſtets nach ihren ethiſch tiefſt-
ſtehenden Repräſentanten ſozial eingeſchätzt wird. Die ſeltſamſten
Vorſtellungen über die Journaliſten und ihre Arbeit ſind daher
landläufig. Daß eine wirklich gute journaliſtiſche Leiſtung
mindeſtens ſo viel „Geiſt“ beanſprucht wie irgendeine Gelehrten-
leiſtung – vor allem infolge der Notwendigkeit, ſofort, auf
Kommando, hervorgebracht zu werden und: ſofort wirken zu
ſollen, bei freilich ganz anderen Bedingungen der Schöpfung,
iſt nicht jedermann gegenwärtig. Daß die Verantwortung eine
weit größere iſt, und daß auch das Verantwortungsgefühl
jedes ehrenhaften Journaliſten im Durchſchnitt nicht im min-
deſten tiefer ſteht als das des Gelehrten: – ſondern höher, wie
der Krieg gelehrt hat –, wird faſt nie gewürdigt, weil natur-
gemäß gerade die verantwortungsloſen journaliſtiſchen
Leiſtungen, ihrer oft furchtbaren Wirkung wegen, im Gedächt-
nis haften. Daß vollends die Diskretion der irgendwie tüch-
tigen Journaliſten durchſchnittlich höher ſteht als die anderer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription.Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Bogensignaturen: übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |