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Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.

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pächter oder Amtskäufer der Vergangenheit oder wie der
amerikanische Boss, der seine Unkosten wie eine Kapitalanlage
ansieht, die er durch Ausnutzung seines Einflusses Ertrag
bringen läßt. Oder er kann einen festen Lohn beziehen, wie
ein Redakteur oder Parteisekretär oder ein moderner Minister
oder politischer Beamter. Jn der Vergangenheit waren Lehen,
Bodenschenkungen, Pfründen aller Art, mit Entwicklung der
Geldwirtschaft aber besonders Sportelpfründen der typische Ent-
gelt von Fürsten, siegreichen Eroberern oder erfolgreichen
Parteihäuptern für ihre Gefolgschaft; heute sind es Ämter
aller Art in Parteien, Zeitungen, Genossenschaften, Kranken-
kassen, Gemeinden und Staaten, welche von den Parteiführern
für treue Dienste vergeben werden. Alle Parteikämpfe
sind nicht nur Kämpfe um sachliche Ziele, sondern vor allem
auch: um Ämterpatronage. Alle Kämpfe zwischen partikula-
ristischen und zentralistischen Bestrebungen in Deutschland
drehen sich vor allem auch darum, welche Gewalten, ob
die Berliner oder die Münchener, Karlsruher, Dresdener, die
Ämterpatronage in der Hand haben. Zurücksetzungen in der
Anteilnahme an den Ämtern werden von Parteien schwerer
empfunden als Zuwiderhandlungen gegen ihre sachlichen Ziele.
Ein parteipolitischer Präfektenschub in Frankreich galt immer
als eine größere Umwälzung und erregte mehr Lärm als eine
Modifikation des Regierungsprogramms, welches fast rein
phraseologische Bedeutung hatte. Manche Parteien, so nament-
lich die in Amerika, sind seit dem Schwinden der alten Gegen-
sätze über die Auslegung der Verfassung reine Stellenjäger-
parteien, welche ihr sachliches Programm je nach den Chancen
des Stimmenfangs abändern. Jn Spanien wechselten bis in
die letzten Jahre in Gestalt der von obenher fabrizierten
"Wahlen" die beiden großen Parteien in konventionell fest-
stehendem Turnus ab, um ihre Gefolgschaft in Ämtern zu
versorgen. Jn den spanischen Kolonialgebieten handelt es sich
sowohl bei den sogenannten "Wahlen" wie den sogenannten
"Revolutionen" stets um die Staatskrippe, an der die Sieger
gefüttert zu werden wünschen. Jn der Schweiz repartieren die
Parteien im Wege des Proporzes die Ämter friedlich unter-

pächter oder Amtskäufer der Vergangenheit oder wie der
amerikaniſche Boss, der ſeine Unkoſten wie eine Kapitalanlage
anſieht, die er durch Ausnutzung ſeines Einfluſſes Ertrag
bringen läßt. Oder er kann einen feſten Lohn beziehen, wie
ein Redakteur oder Parteiſekretär oder ein moderner Miniſter
oder politiſcher Beamter. Jn der Vergangenheit waren Lehen,
Bodenſchenkungen, Pfründen aller Art, mit Entwicklung der
Geldwirtſchaft aber beſonders Sportelpfründen der typiſche Ent-
gelt von Fürſten, ſiegreichen Eroberern oder erfolgreichen
Parteihäuptern für ihre Gefolgſchaft; heute ſind es Ämter
aller Art in Parteien, Zeitungen, Genoſſenſchaften, Kranken-
kaſſen, Gemeinden und Staaten, welche von den Parteiführern
für treue Dienſte vergeben werden. Alle Parteikämpfe
ſind nicht nur Kämpfe um ſachliche Ziele, ſondern vor allem
auch: um Ämterpatronage. Alle Kämpfe zwiſchen partikula-
riſtiſchen und zentraliſtiſchen Beſtrebungen in Deutſchland
drehen ſich vor allem auch darum, welche Gewalten, ob
die Berliner oder die Münchener, Karlsruher, Dresdener, die
Ämterpatronage in der Hand haben. Zurückſetzungen in der
Anteilnahme an den Ämtern werden von Parteien ſchwerer
empfunden als Zuwiderhandlungen gegen ihre ſachlichen Ziele.
Ein parteipolitiſcher Präfektenſchub in Frankreich galt immer
als eine größere Umwälzung und erregte mehr Lärm als eine
Modifikation des Regierungsprogramms, welches faſt rein
phraſeologiſche Bedeutung hatte. Manche Parteien, ſo nament-
lich die in Amerika, ſind ſeit dem Schwinden der alten Gegen-
sätze über die Auslegung der Verfaſſung reine Stellenjäger-
parteien, welche ihr ſachliches Programm je nach den Chancen
des Stimmenfangs abändern. Jn Spanien wechſelten bis in
die letzten Jahre in Geſtalt der von obenher fabrizierten
„Wahlen“ die beiden großen Parteien in konventionell feſt-
ſtehendem Turnus ab, um ihre Gefolgſchaft in Ämtern zu
verſorgen. Jn den ſpaniſchen Kolonialgebieten handelt es ſich
ſowohl bei den ſogenannten „Wahlen“ wie den ſogenannten
„Revolutionen“ ſtets um die Staatskrippe, an der die Sieger
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[15/0015] pächter oder Amtskäufer der Vergangenheit oder wie der amerikaniſche Boss, der ſeine Unkoſten wie eine Kapitalanlage anſieht, die er durch Ausnutzung ſeines Einfluſſes Ertrag bringen läßt. Oder er kann einen feſten Lohn beziehen, wie ein Redakteur oder Parteiſekretär oder ein moderner Miniſter oder politiſcher Beamter. Jn der Vergangenheit waren Lehen, Bodenſchenkungen, Pfründen aller Art, mit Entwicklung der Geldwirtſchaft aber beſonders Sportelpfründen der typiſche Ent- gelt von Fürſten, ſiegreichen Eroberern oder erfolgreichen Parteihäuptern für ihre Gefolgſchaft; heute ſind es Ämter aller Art in Parteien, Zeitungen, Genoſſenſchaften, Kranken- kaſſen, Gemeinden und Staaten, welche von den Parteiführern für treue Dienſte vergeben werden. Alle Parteikämpfe ſind nicht nur Kämpfe um ſachliche Ziele, ſondern vor allem auch: um Ämterpatronage. Alle Kämpfe zwiſchen partikula- riſtiſchen und zentraliſtiſchen Beſtrebungen in Deutſchland drehen ſich vor allem auch darum, welche Gewalten, ob die Berliner oder die Münchener, Karlsruher, Dresdener, die Ämterpatronage in der Hand haben. Zurückſetzungen in der Anteilnahme an den Ämtern werden von Parteien ſchwerer empfunden als Zuwiderhandlungen gegen ihre ſachlichen Ziele. Ein parteipolitiſcher Präfektenſchub in Frankreich galt immer als eine größere Umwälzung und erregte mehr Lärm als eine Modifikation des Regierungsprogramms, welches faſt rein phraſeologiſche Bedeutung hatte. Manche Parteien, ſo nament- lich die in Amerika, ſind ſeit dem Schwinden der alten Gegen- sätze über die Auslegung der Verfaſſung reine Stellenjäger- parteien, welche ihr ſachliches Programm je nach den Chancen des Stimmenfangs abändern. Jn Spanien wechſelten bis in die letzten Jahre in Geſtalt der von obenher fabrizierten „Wahlen“ die beiden großen Parteien in konventionell feſt- ſtehendem Turnus ab, um ihre Gefolgſchaft in Ämtern zu verſorgen. Jn den ſpaniſchen Kolonialgebieten handelt es ſich ſowohl bei den ſogenannten „Wahlen“ wie den ſogenannten „Revolutionen“ ſtets um die Staatskrippe, an der die Sieger gefüttert zu werden wünſchen. Jn der Schweiz repartieren die Parteien im Wege des Proporzes die Ämter friedlich unter-

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Zitationshilfe: Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/15>, abgerufen am 24.11.2024.