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Sigismundus Freyberger [i. e. Wartmann, Sigismund Friedrich]: Germania Pertubata et Restaurata: Das ist [...] Theologo-Historica Politische Discursus, Vom Zustand deß gantzen Römischen Reichs. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1650.

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zutragen/ vnd besser fortzugehen/ als derselbige; welches dann vmb
so viel schädlicher ist/ wann das dumme Glück sich erlustiget/ daß
es der Weisen jederweilen spottet/ den Blinden läßt ein Huffeisen
finden/ vnnd dem schlaffenden Mönch eine Abtey durch Ludovi-
cum XI.
oder dem Timoleon die veste Stätte in das Garn zu-
neiget vnd anweiset. Darzu auch der Schmeichler Narrenthey-
digung kompt/ daß mancher Clitus sein Leben muß lassen/ wann
er den klugen Vatter mehr preiset/ als den tollen Sohn; vnd etwan
eine Königliche Princessin den Tod jhres leiblichen Bruders nicht
beweinen darff/ sondern ein hoch weiser Vasall sagen muß: Der
Vatter sey herrlicher dann der Sohn/ eben deß wegen/ daß der Sohn
noch nicht solchen Reichs-Erben gezeuget: Da er auch billig sa-
gen sollen/ wie der Priester: Setze dein Bild nicht vber Zoroa-
strem,
dann du bist bey weitem noch nicht an seine Thaten fortge-
geschritten.

Hingegen hat die Clerisey hierinn einen besondern Vorzug;
darumb sie auch spricht: Sie sey geschorn (geweyhet) drumb werde
sie erkorn: Wer jener nicht geborn (nach dem Lehen vnd Erbrecht)
würde er nimmer erkorn/ vnd käme zu keinem hohen Ampt/ welches
Tugend vnnd Erfahrenheit erfordert. Gleich wie nun in dem
Kriegswesen/ ein Marius durch Tugend/ vnter dem gemeinen
Hauffen herfür kreucht/ vnnd zum siebenden mal Bürgermeister
wird/ dieweil das Kleinod jederman da stecket; also stehen offen auch
die hohe Aempter/ denen/ so andern mitten vnter der Clerisey an Tu-
gend herfür leuchten. Auß solchem Fundament stehet das Rad
in dem Maintzischen Wappen/ vnd sind so viel arme vnedele Kin-
der zum krummen Staab/ ja zu der dreyfachen Cron erhoben wor-
den/ da freylich weder Gewalt/ noch Gelt/ sondern allein die Tu-
gend gelten können. Solches haben die Hoch- vnd Wol- oder E-
delgeborne desto mehr Schand/ daß sie solche Mittel/ die jhnen von
den Vorältern sehr thewer erworben/ vnd hinderlassen sind/ sich so
wenig in dem Wettlauff der Ehren bedienen: Gleich wie eines rei-
chen Kauffmanns Sohn dessen wenig Ehr haben muß/ wann er

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ET RESTAVR. DISCVRS. IX.
zutragen/ vnd beſſer fortzugehen/ als derſelbige; welches dann vmb
ſo viel ſchaͤdlicher iſt/ wann das dumme Gluͤck ſich erluſtiget/ daß
es der Weiſen jederweilen ſpottet/ den Blinden laͤßt ein Huffeiſen
finden/ vnnd dem ſchlaffenden Moͤnch eine Abtey durch Ludovi-
cum XI.
oder dem Timoleon die veſte Staͤtte in das Garn zu-
neiget vnd anweiſet. Darzu auch der Schmeichler Narꝛenthey-
digung kompt/ daß mancher Clitus ſein Leben muß laſſen/ wann
er den klugen Vatter mehr preiſet/ als den tollen Sohn; vnd etwan
eine Koͤnigliche Princeſſin den Tod jhres leiblichen Bruders nicht
beweinen darff/ ſondern ein hoch weiſer Vaſall ſagen muß: Der
Vatter ſey herꝛlicher dann der Sohn/ eben deß wegen/ daß der Sohn
noch nicht ſolchen Reichs-Erben gezeuget: Da er auch billig ſa-
gen ſollen/ wie der Prieſter: Setze dein Bild nicht vber Zoroa-
ſtrem,
dann du biſt bey weitem noch nicht an ſeine Thaten fortge-
geſchritten.

Hingegen hat die Cleriſey hierinn einen beſondern Vorzug;
darumb ſie auch ſpricht: Sie ſey geſchorn (geweyhet) drumb werde
ſie erkorn: Wer jener nicht geborn (nach dem Lehen vnd Erbrecht)
wuͤrde er nimmer erkorn/ vnd kaͤme zu keinem hohen Ampt/ welches
Tugend vnnd Erfahrenheit erfordert. Gleich wie nun in dem
Kriegsweſen/ ein Marius durch Tugend/ vnter dem gemeinen
Hauffen herfuͤr kreucht/ vnnd zum ſiebenden mal Bürgermeiſter
wird/ dieweil das Kleinod jederman da ſtecket; alſo ſtehen offen auch
die hohe Aempter/ denen/ ſo andern mitten vnter der Cleriſey an Tu-
gend herfuͤr leuchten. Auß ſolchem Fundament ſtehet das Rad
in dem Maintziſchen Wappen/ vnd ſind ſo viel arme vnedele Kin-
der zum krummen Staab/ ja zu der dreyfachen Cron erhoben wor-
den/ da freylich weder Gewalt/ noch Gelt/ ſondern allein die Tu-
gend gelten koͤnnen. Solches haben die Hoch- vnd Wol- oder E-
delgeborne deſto mehr Schand/ daß ſie ſolche Mittel/ die jhnen von
den Voraͤltern ſehr thewer erworben/ vnd hinderlaſſen ſind/ ſich ſo
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[93/0101] ET RESTAVR. DISCVRS. IX. zutragen/ vnd beſſer fortzugehen/ als derſelbige; welches dann vmb ſo viel ſchaͤdlicher iſt/ wann das dumme Gluͤck ſich erluſtiget/ daß es der Weiſen jederweilen ſpottet/ den Blinden laͤßt ein Huffeiſen finden/ vnnd dem ſchlaffenden Moͤnch eine Abtey durch Ludovi- cum XI. oder dem Timoleon die veſte Staͤtte in das Garn zu- neiget vnd anweiſet. Darzu auch der Schmeichler Narꝛenthey- digung kompt/ daß mancher Clitus ſein Leben muß laſſen/ wann er den klugen Vatter mehr preiſet/ als den tollen Sohn; vnd etwan eine Koͤnigliche Princeſſin den Tod jhres leiblichen Bruders nicht beweinen darff/ ſondern ein hoch weiſer Vaſall ſagen muß: Der Vatter ſey herꝛlicher dann der Sohn/ eben deß wegen/ daß der Sohn noch nicht ſolchen Reichs-Erben gezeuget: Da er auch billig ſa- gen ſollen/ wie der Prieſter: Setze dein Bild nicht vber Zoroa- ſtrem, dann du biſt bey weitem noch nicht an ſeine Thaten fortge- geſchritten. Hingegen hat die Cleriſey hierinn einen beſondern Vorzug; darumb ſie auch ſpricht: Sie ſey geſchorn (geweyhet) drumb werde ſie erkorn: Wer jener nicht geborn (nach dem Lehen vnd Erbrecht) wuͤrde er nimmer erkorn/ vnd kaͤme zu keinem hohen Ampt/ welches Tugend vnnd Erfahrenheit erfordert. Gleich wie nun in dem Kriegsweſen/ ein Marius durch Tugend/ vnter dem gemeinen Hauffen herfuͤr kreucht/ vnnd zum ſiebenden mal Bürgermeiſter wird/ dieweil das Kleinod jederman da ſtecket; alſo ſtehen offen auch die hohe Aempter/ denen/ ſo andern mitten vnter der Cleriſey an Tu- gend herfuͤr leuchten. Auß ſolchem Fundament ſtehet das Rad in dem Maintziſchen Wappen/ vnd ſind ſo viel arme vnedele Kin- der zum krummen Staab/ ja zu der dreyfachen Cron erhoben wor- den/ da freylich weder Gewalt/ noch Gelt/ ſondern allein die Tu- gend gelten koͤnnen. Solches haben die Hoch- vnd Wol- oder E- delgeborne deſto mehr Schand/ daß ſie ſolche Mittel/ die jhnen von den Voraͤltern ſehr thewer erworben/ vnd hinderlaſſen ſind/ ſich ſo wenig in dem Wettlauff der Ehren bedienen: Gleich wie eines rei- chen Kauffmanns Sohn deſſen wenig Ehr haben muß/ wann er ver- M iij

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Zitationshilfe: Sigismundus Freyberger [i. e. Wartmann, Sigismund Friedrich]: Germania Pertubata et Restaurata: Das ist [...] Theologo-Historica Politische Discursus, Vom Zustand deß gantzen Römischen Reichs. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1650, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wartmann_germania01_1650/101>, abgerufen am 06.05.2024.