man seit geraumer Zeit in den Ländern und Städten, wo die poli- zeilichen Vorschriften das Bewohnen der Kellerräume gestatten, oder wo man der theueren Miethen wegen gezwungen ist, jeden Raum des Hauses auszunutzen, und den Keller zu gewerblichen Zwecken einzurichten, andere, nämlich flachere, Gewölbearten anzuordnen.
Immerhin kommen die vollen Tonnen in Oesterreich und Süd- deutschland noch öfters vor, aus welchem Grunde wir sie hier näher beschreiben.
Die Figur 275 zeigt ein passendes Beispiel; das Gebäude hat nur eine Mittelmauer, welche in gleichen Abstän- den von den Langmauern entfernt steht. Im Keller ist die Mittelmauer 3 Stein; die Langmauern sind je 31/2 Stein dick. Die Breite der Kellerräume beträgt 4,75m; für das Gewölbe wurde eine 2,1m hohe Pfeilhöhe angenommen. Obgleich das Gewölbe scheinbar auf der Kellersohle ruht, beginnt die Wölbung etwa 0,4m
[Abbildung]
Fig. 276.
über der Sohle und ist das Mauerwerk bis dahin horizontal nach einer Schablone (wie Fig. 276 zeigt) ausgekragt.
Bei jedem Kellerfenster wird das Gewölbe ausgespart und eine sogenannte "Stichkappe" s angeordnet.
Die genaue Zeichnung eines hohen Korbbogen-Tonnengewölbes vergegenwärtigen die Fig. 277--280; Fig. 277 ist ein Theil des Grundrisses, Fig. 278 der Längenschnitt nach a b, Fig. 279 und 280 zwei Querschnitte.
Das Gewölbe beginnt unmittelbar neben den Mauern direct auf der Kellersohle und ist durchgehends 1/2 Ziegel stark. Dicht an der Seite eines jeden Fensters sind die 1 Stein breiten und 1/2 Stein vortretenden Verstärkungsbögen s angeordnet und schließt die Nach- resp. Hintermauerung w ab, wodurch neben jedem Fenster eine ver- ticale, vom Verstärkungsbogen s unterstützte dreieckige Wand w ent- steht. Letztere dient gleichzeitig als Widerlager der Stichkappen l m n (siehe Fig. 277, 279 und 280). Damit bei den Thür- und Fenster- öffnungen das nicht ganz hinabreichende Gewölbe (siehe Grundriß Fig. 277) gehalten werde, sind die 1/2 Stein starken Widerlags- bögen o (Fig. 280) erforderlich, welche sich gegen die Verstärkungs-
Das volle Ziegel-Tonnengewölbe in Hauskellern.
man ſeit geraumer Zeit in den Ländern und Städten, wo die poli- zeilichen Vorſchriften das Bewohnen der Kellerräume geſtatten, oder wo man der theueren Miethen wegen gezwungen iſt, jeden Raum des Hauſes auszunutzen, und den Keller zu gewerblichen Zwecken einzurichten, andere, nämlich flachere, Gewölbearten anzuordnen.
Immerhin kommen die vollen Tonnen in Oeſterreich und Süd- deutſchland noch öfters vor, aus welchem Grunde wir ſie hier näher beſchreiben.
Die Figur 275 zeigt ein paſſendes Beiſpiel; das Gebäude hat nur eine Mittelmauer, welche in gleichen Abſtän- den von den Langmauern entfernt ſteht. Im Keller iſt die Mittelmauer 3 Stein; die Langmauern ſind je 3½ Stein dick. Die Breite der Kellerräume beträgt 4,75m; für das Gewölbe wurde eine 2,1m hohe Pfeilhöhe angenommen. Obgleich das Gewölbe ſcheinbar auf der Kellerſohle ruht, beginnt die Wölbung etwa 0,4m
[Abbildung]
Fig. 276.
über der Sohle und iſt das Mauerwerk bis dahin horizontal nach einer Schablone (wie Fig. 276 zeigt) ausgekragt.
Bei jedem Kellerfenſter wird das Gewölbe ausgeſpart und eine ſogenannte „Stichkappe“ s angeordnet.
Die genaue Zeichnung eines hohen Korbbogen-Tonnengewölbes vergegenwärtigen die Fig. 277—280; Fig. 277 iſt ein Theil des Grundriſſes, Fig. 278 der Längenſchnitt nach a b, Fig. 279 und 280 zwei Querſchnitte.
Das Gewölbe beginnt unmittelbar neben den Mauern direct auf der Kellerſohle und iſt durchgehends ½ Ziegel ſtark. Dicht an der Seite eines jeden Fenſters ſind die 1 Stein breiten und ½ Stein vortretenden Verſtärkungsbögen s angeordnet und ſchließt die Nach- reſp. Hintermauerung w ab, wodurch neben jedem Fenſter eine ver- ticale, vom Verſtärkungsbogen s unterſtützte dreieckige Wand w ent- ſteht. Letztere dient gleichzeitig als Widerlager der Stichkappen l m n (ſiehe Fig. 277, 279 und 280). Damit bei den Thür- und Fenſter- öffnungen das nicht ganz hinabreichende Gewölbe (ſiehe Grundriß Fig. 277) gehalten werde, ſind die ½ Stein ſtarken Widerlags- bögen o (Fig. 280) erforderlich, welche ſich gegen die Verſtärkungs-
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Das volle Ziegel-Tonnengewölbe in Hauskellern.
man ſeit geraumer Zeit in den Ländern und Städten, wo die poli-
zeilichen Vorſchriften das Bewohnen der Kellerräume geſtatten, oder
wo man der theueren Miethen wegen gezwungen iſt, jeden Raum
des Hauſes auszunutzen, und den Keller zu gewerblichen Zwecken
einzurichten, andere, nämlich flachere, Gewölbearten anzuordnen.
Immerhin kommen die vollen Tonnen in Oeſterreich und Süd-
deutſchland noch öfters vor, aus welchem Grunde wir ſie hier näher
beſchreiben.
Die Figur 275 zeigt ein paſſendes
Beiſpiel; das Gebäude hat nur eine
Mittelmauer, welche in gleichen Abſtän-
den von den Langmauern entfernt ſteht.
Im Keller iſt die Mittelmauer 3 Stein;
die Langmauern ſind je 3½ Stein dick.
Die Breite der Kellerräume beträgt 4,75m;
für das Gewölbe wurde eine 2,1m hohe
Pfeilhöhe angenommen. Obgleich das
Gewölbe ſcheinbar auf der Kellerſohle
ruht, beginnt die Wölbung etwa 0,4m
[Abbildung Fig. 276.]
über der Sohle und iſt das Mauerwerk bis dahin horizontal nach
einer Schablone (wie Fig. 276 zeigt) ausgekragt.
Bei jedem Kellerfenſter wird das Gewölbe ausgeſpart und eine
ſogenannte „Stichkappe“ s angeordnet.
Die genaue Zeichnung eines hohen Korbbogen-Tonnengewölbes
vergegenwärtigen die Fig. 277—280; Fig. 277 iſt ein Theil des
Grundriſſes, Fig. 278 der Längenſchnitt nach a b, Fig. 279 und 280
zwei Querſchnitte.
Das Gewölbe beginnt unmittelbar neben den Mauern direct auf
der Kellerſohle und iſt durchgehends ½ Ziegel ſtark. Dicht an der
Seite eines jeden Fenſters ſind die 1 Stein breiten und ½ Stein
vortretenden Verſtärkungsbögen s angeordnet und ſchließt die Nach-
reſp. Hintermauerung w ab, wodurch neben jedem Fenſter eine ver-
ticale, vom Verſtärkungsbogen s unterſtützte dreieckige Wand w ent-
ſteht. Letztere dient gleichzeitig als Widerlager der Stichkappen l m n
(ſiehe Fig. 277, 279 und 280). Damit bei den Thür- und Fenſter-
öffnungen das nicht ganz hinabreichende Gewölbe (ſiehe Grundriß
Fig. 277) gehalten werde, ſind die ½ Stein ſtarken Widerlags-
bögen o (Fig. 280) erforderlich, welche ſich gegen die Verſtärkungs-
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Wanderleys "Handbuch" erschien bereits 1872 in zw… [mehr]
Wanderleys "Handbuch" erschien bereits 1872 in zwei Bänden. Die Ausgabe von 1877/1878 ist die 2., gänzlich umgearbarbeitete und sehr vermehrte Auflage und wurde aufgrund der besseren verfügbarkeit für das DTA digitalisiert.
Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/281>, abgerufen am 16.02.2025.
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