Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.[Spaltenumbruch]
Neungescheit. * Der ist neug'scheid. (Koburg.) - Reinwald, I, 109; Frommann, III, 359. D. h. ist überaus klug, überklug. Schmeller (II, 697; III, 186, 325) möchte darin eine Beziehung auf die, ehemals gewöhnlich in der Zahl 7 oder 9 gewählten, sachverständigen Schiedsrichter bei verschiedenen Gelegenheiten, so z. B. die Siebner oder Neuner beim Scheibenschiessen, wie bei den Bau-, Flur-, Grenz- u. s. w. Berichtigungen, vermuthen. (S. Siebengescheit.) Neunklug. * He is nägenklok. - Frommann, V, 375. Bezeichnung eines Naseweisen, den man auch wol noch derber einen Klokscheiter, auch Nägenscheiter (s. d.) heisst. Neunkluger. * Das ist ein Neunkluger. - Frommann, VI, 84. Ist über- oder superklug. "Wo das Uebel sitzt, hat keiner dieser Neunklugen gewahrt." (Jahn, Merke zum deutschen Volksthum, S. 269.) "Die Neunklugen dürfen hier nicht mit praktischer Unausführbarkeit angestochen kommen." (Pröhle, Jahn's Leben, 1855, S. 311.) Neunmalweise. * Er gehört zu den Neunmalweisen. "Solche Autoren werden von unsern Neunmalweisen hüben und drüben nicht gelesen." (Joh. Scherr in Schwegler's Jahrbuch der Gewerbe, 1846, S. 1057.) Neunspreizer. * Ein Neunispreizn nehmen. - Baumgarten, Ms. So heisst in Oberösterreich ein zweites Frühstück, das um 9 Uhr eingenommen wird, wenn die starke Arbeit schon sehr früh am Morgen begonnen hat. Spreizen = etwas stützen, baufällige Häuser werden gespreizt. Neunter. 1 Der Neunte weiss nicht, wie sich der Zehnte nährt. (Niederlausitz.) Sagt man, wenn dies Nähren nicht auf redliche Weise geschieht. Auch so: So weiss der Neunte erst, wie sich der Zehnte nährt, nämlich in dem Falle, wenn einem das unredliche Sichnähren einer Person durch einen dritten erklärt, aufgeklärt wird, das bis dahin in ein geheimnissvolles Dunkel gehüllt war. Es ist dann ein Ausdruck der Verwunderung. 2 Der Nönt wä'ss neiet, bo d'n Zahnt der Schau dröckt. (Henneberg.) - Frommann, II, 409, 67. Neununddreissiger. * Es ist ein Neununddreissiger. (Hirschberg.) Diese Redensart entstand gegen Ende des Jahres 1849 in Hirschberg, in einer Periode des ärgsten reactionären Fanatismus. Ein Lehrer hatte bei dem am 3. Sept. dort stattgefundenen allgemeinen Schulfeste, an die deutschen Farben, die über dem Sprecherplatze wehten, anknüpfend, ein Hoch auf das deutsche Vaterland eingeleitet, das sich wortgetreu in dem von Wander herausgegebenen Pädagogischen Wächter (Hirschberg 1849, erster Jahrg., Nr. 38) abgedruckt findet. In der Schles. Zeitung (Nr. 211) erfolgte ein denuncirender lügenhafter Bericht, worin, um der Behörde Veranlassung zum Einschreiten gegen ihn zu geben, die Behauptung ausgesprochen wurde, dass die anwesenden Aeltern entrüstet über die Rede des betreffenden Lehrers gewesen seien. Dieser forderte in dem zu Hirschberg erscheinenden Sprecher (Nr. 38) den Correspondenten auf, die entrüsteten Aeltern namhaft zu machen. Nachdem derselbe nun durch einige geeignete Subjecte beinahe zwei Wochen unter allerhand Vorwänden hatte Unterschriften sammeln lassen, wurden - 39 Namen im (hirschberger) Boten abgedruckt, von Personen, von denen die meisten entweder gar keine Kinder hatten, oder gar nicht auf dem Festplatze gewesen waren, oder denen man einen ganz andern Zweck angegeben. Das Verzeichniss derselben findet sich als Beitrag zur hirschberger Chronik im Sprecher, Nr. 42, S. 230. - Wenn nun von einem dieser Männer die Rede war oder wenn man einen sah oder traf, so nannte man ihn einen "Neununddreissiger". Die Redensart wurde sogar im Kreise sprichwörtlich. Zunächst verstand man die Unterzeichner jener Erklärung darunter, dann allgemein aber einen fanatischen Reactionär, oder einen Menschen, der sich blind für die Zwecke anderer gebrauchen lässt. Neunundneunziger. * He hört to de Neunundneunziger. - Kern, 1292. Wird besonders auf Apotheker, aber auch auf andere angewandt, die 99 Procent d. h. sehr viel Gewinn nehmen. Hochdeutsch: Er ist ein Neunundneunziger. (Braun, II, 559.) Auch die Holländer sagen: Dat is er een van de negen en negentig. Nach Harrebomee (I, 170b) wird es aber in Holland in einem ganz andern Sinne angewandt. Man versteht darunter einen Schulmeister, der durch Halbwisserei dünkelhaft aufgebläht wird, und deren soll es dort unter hundert neunundneunzig, also noch mehr als in Deutschland geben, wo durch angemessene Schulregulative dafür gesorgt ist, dass die Lehrer nicht erst zu halbem Wissen gelangen, sondern mittels Glaubenskost zur Demuth erzogen werden. Neunundneunzigster. D'r Nöngonnöngsigste wes net, wie d'r Hondertste an ät Brud küt. (Düren.) - Firmenich, I, 483, 77; hochdeutsch bei Riehl, Nov., 33. Neusol. Neusol ist mit kupfernen, Schemnitz mit silbernen und Kremnitz mit güldenen Mauern umgeben. - Berckenmeyer, 388. Ist von den reichen Bergwerken der genannten Städte Ungarns zu verstehen. Neustädter. Die Neustädter haben ihre Thüren auf dem Leihhause stehen. So sagte man in Dresden, bevor die Stadtkirche in Neustadt-Dresden im letzten Jahrzehnt einen Thurm erhielt, da sich seit dem Jahre 1767 das Dresdner städtische Leihhaus im neustädter Rathhause befand und dieses bis zu jener Zeit das einzige Gebäude mit einem Thurme in dem seit dem 23. Jan. 1732 auf Befehl des Königs August II. in "Neustadt-Dresden" umgetauften Altdresden war. Neuteich. Oen Niedeik send de arme Leied nich reik. (Tiegenhof.) Neutral. 1 Neutral will auf Eiern gehen und keins zertreten. - Simrock, 7517; Graf, 530, 362; Braun, I, 3026. "In dem Parnasso ist die Frag vorgefallen, weil das Wörtlein >neutral< undeutsch, desgleichen das Wörtlein >unparteiisch< halb und halb sei, wie man es auf gut Deutsch geben möchte. Als haben Etlich verdeutscht: keinerlei, das ist weder Fisch noch Fleisch, sondern ein verdeckt Essen Krebs, die eben so bald hinter sich als vor sich gehen. Andere habens verdeutscht: beiderlei, weil sie gemeinlich auf beiden Achseln tragen. Andere: untreu, weil sie keinem Theil trauen und hinwiederum kein Theil ihnen vertraut. Andere habens davor gehalten, neutral sei nichts anderes als gut spanisch, bemühe man sich also vergebens, dem Kind einen deutschen Namen zu geben." (Opel, 390.) 2 Wer neutral ist, würd von oben begossen, von unten bereuchert. - Lehmann, 554, 10; Eiselein, 493; Körte2, 5699. Neutraler. 1 Der Neutrale wird von oben begossen, von unten gesengt. - Simrock, 7518; Körte, 4538; Graf, 530, 363; Braun, I, 3027. 2 Die Neutralen müssen die Zeche bezahlen. 3 Wenn der Neutrale vorn liegt, so wird er gedrückt, liegt er hinten, so wird er getreten. Neutralist. 1 Der Neutralist ist dess Glücks vnnd der zeit Freundt. - Lehmann, 553, 5. 2 Der Neutralist ist ein Fledermaus. - Lehmann, 553, 5. 3 Der Neutralist ist weder Fisch noch Fleisch. - Lehmann, 553, 5. Neutralisten sind Leute, die es mit Niemand verderben wollen, und weil sie weder kalt noch warm sind, alles gegen sich haben. 4 Der Neutralist will keinen theil auffthun. - Lehmann, 553, 5. 5 Der Neutralist kan auff zweyen Sätteln Reiten. - Lehmann, 553, 5. 6 Neutralisten ist nicht zu trawen, wollen nur eigen Nutzen erbawen. - Lehmann, 554, 8. Lat.: Noli homines blandos nimium sermone probare. (Chaos, 33.) 7 Neutralisten seind beeder theil Feind. - Lehmann, 554, 9. Die Türken: Er sagt zum Hasen: flieh, und zum Hunde: friss ihn. (Cahier, 2656.) Dän.: Neutralist söger egen nytte, og finder sin fordaervelse. (Prov. dan., 428.) 8 Neutralisten wollen auff eyern gehen vnd keines vertretten. - Lehmann, 553, 1. 9 Neutralisten wollen den beltz waschen vnd nicht Nass machen. - Lehmann, 553, 1. *10 Er ist ein Neutralist. Schwed.: Han är en neutralist. (Törning, 162.) Neuzeit. Neuzeit hat böse Weisheit, für die der Teufel seine Hölle baut weit. Nicht. Noch nich, seggt Bökmann. (Danzig.) - Frischbier2, 2778. [Spaltenumbruch]
Neungescheit. * Der ist neug'scheid. (Koburg.) – Reinwald, I, 109; Frommann, III, 359. D. h. ist überaus klug, überklug. Schmeller (II, 697; III, 186, 325) möchte darin eine Beziehung auf die, ehemals gewöhnlich in der Zahl 7 oder 9 gewählten, sachverständigen Schiedsrichter bei verschiedenen Gelegenheiten, so z. B. die Siebner oder Neuner beim Scheibenschiessen, wie bei den Bau-, Flur-, Grenz- u. s. w. Berichtigungen, vermuthen. (S. Siebengescheit.) Neunklug. * He is nägenklôk. – Frommann, V, 375. Bezeichnung eines Naseweisen, den man auch wol noch derber einen Klôkschîter, auch Nägenschîter (s. d.) heisst. Neunkluger. * Das ist ein Neunkluger. – Frommann, VI, 84. Ist über- oder superklug. „Wo das Uebel sitzt, hat keiner dieser Neunklugen gewahrt.“ (Jahn, Merke zum deutschen Volksthum, S. 269.) „Die Neunklugen dürfen hier nicht mit praktischer Unausführbarkeit angestochen kommen.“ (Pröhle, Jahn's Leben, 1855, S. 311.) Neunmalweise. * Er gehört zu den Neunmalweisen. „Solche Autoren werden von unsern Neunmalweisen hüben und drüben nicht gelesen.“ (Joh. Scherr in Schwegler's Jahrbuch der Gewerbe, 1846, S. 1057.) Neunspreizer. * Ein Neunispreizn nehmen. – Baumgarten, Ms. So heisst in Oberösterreich ein zweites Frühstück, das um 9 Uhr eingenommen wird, wenn die starke Arbeit schon sehr früh am Morgen begonnen hat. Spreizen = etwas stützen, baufällige Häuser werden gespreizt. Neunter. 1 Der Neunte weiss nicht, wie sich der Zehnte nährt. (Niederlausitz.) Sagt man, wenn dies Nähren nicht auf redliche Weise geschieht. Auch so: So weiss der Neunte erst, wie sich der Zehnte nährt, nämlich in dem Falle, wenn einem das unredliche Sichnähren einer Person durch einen dritten erklärt, aufgeklärt wird, das bis dahin in ein geheimnissvolles Dunkel gehüllt war. Es ist dann ein Ausdruck der Verwunderung. 2 Der Nönt wä'ss nîet, bô d'n Zâhnt der Schû dröckt. (Henneberg.) – Frommann, II, 409, 67. Neununddreissiger. * Es ist ein Neununddreissiger. (Hirschberg.) Diese Redensart entstand gegen Ende des Jahres 1849 in Hirschberg, in einer Periode des ärgsten reactionären Fanatismus. Ein Lehrer hatte bei dem am 3. Sept. dort stattgefundenen allgemeinen Schulfeste, an die deutschen Farben, die über dem Sprecherplatze wehten, anknüpfend, ein Hoch auf das deutsche Vaterland eingeleitet, das sich wortgetreu in dem von Wander herausgegebenen Pädagogischen Wächter (Hirschberg 1849, erster Jahrg., Nr. 38) abgedruckt findet. In der Schles. Zeitung (Nr. 211) erfolgte ein denuncirender lügenhafter Bericht, worin, um der Behörde Veranlassung zum Einschreiten gegen ihn zu geben, die Behauptung ausgesprochen wurde, dass die anwesenden Aeltern entrüstet über die Rede des betreffenden Lehrers gewesen seien. Dieser forderte in dem zu Hirschberg erscheinenden Sprecher (Nr. 38) den Correspondenten auf, die entrüsteten Aeltern namhaft zu machen. 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Ist von den reichen Bergwerken der genannten Städte Ungarns zu verstehen. Neustädter. Die Neustädter haben ihre Thüren auf dem Leihhause stehen. So sagte man in Dresden, bevor die Stadtkirche in Neustadt-Dresden im letzten Jahrzehnt einen Thurm erhielt, da sich seit dem Jahre 1767 das Dresdner städtische Leihhaus im neustädter Rathhause befand und dieses bis zu jener Zeit das einzige Gebäude mit einem Thurme in dem seit dem 23. Jan. 1732 auf Befehl des Königs August II. in „Neustadt-Dresden“ umgetauften Altdresden war. Neuteich. Oen Niedîk send de arme Lîed nich rîk. (Tiegenhof.) Neutral. 1 Neutral will auf Eiern gehen und keins zertreten. – Simrock, 7517; Graf, 530, 362; Braun, I, 3026. „In dem Parnasso ist die Frag vorgefallen, weil das Wörtlein ›neutral‹ undeutsch, desgleichen das Wörtlein ›unparteiisch‹ halb und halb sei, wie man es auf gut Deutsch geben möchte. 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Neungescheit.
* Der ist neug'scheid. (Koburg.) – Reinwald, I, 109; Frommann, III, 359.
D. h. ist überaus klug, überklug. Schmeller (II, 697; III, 186, 325) möchte darin eine Beziehung auf die, ehemals gewöhnlich in der Zahl 7 oder 9 gewählten, sachverständigen Schiedsrichter bei verschiedenen Gelegenheiten, so z. B. die Siebner oder Neuner beim Scheibenschiessen, wie bei den Bau-, Flur-, Grenz- u. s. w. Berichtigungen, vermuthen. (S. Siebengescheit.)
Neunklug.
* He is nägenklôk. – Frommann, V, 375.
Bezeichnung eines Naseweisen, den man auch wol noch derber einen Klôkschîter, auch Nägenschîter (s. d.) heisst.
Neunkluger.
* Das ist ein Neunkluger. – Frommann, VI, 84.
Ist über- oder superklug. „Wo das Uebel sitzt, hat keiner dieser Neunklugen gewahrt.“ (Jahn, Merke zum deutschen Volksthum, S. 269.) „Die Neunklugen dürfen hier nicht mit praktischer Unausführbarkeit angestochen kommen.“ (Pröhle, Jahn's Leben, 1855, S. 311.)
Neunmalweise.
* Er gehört zu den Neunmalweisen.
„Solche Autoren werden von unsern Neunmalweisen hüben und drüben nicht gelesen.“ (Joh. Scherr in Schwegler's Jahrbuch der Gewerbe, 1846, S. 1057.)
Neunspreizer.
* Ein Neunispreizn nehmen. – Baumgarten, Ms.
So heisst in Oberösterreich ein zweites Frühstück, das um 9 Uhr eingenommen wird, wenn die starke Arbeit schon sehr früh am Morgen begonnen hat. Spreizen = etwas stützen, baufällige Häuser werden gespreizt.
Neunter.
1 Der Neunte weiss nicht, wie sich der Zehnte nährt. (Niederlausitz.)
Sagt man, wenn dies Nähren nicht auf redliche Weise geschieht. Auch so: So weiss der Neunte erst, wie sich der Zehnte nährt, nämlich in dem Falle, wenn einem das unredliche Sichnähren einer Person durch einen dritten erklärt, aufgeklärt wird, das bis dahin in ein geheimnissvolles Dunkel gehüllt war. Es ist dann ein Ausdruck der Verwunderung.
2 Der Nönt wä'ss nîet, bô d'n Zâhnt der Schû dröckt. (Henneberg.) – Frommann, II, 409, 67.
Neununddreissiger.
* Es ist ein Neununddreissiger. (Hirschberg.)
Diese Redensart entstand gegen Ende des Jahres 1849 in Hirschberg, in einer Periode des ärgsten reactionären Fanatismus. Ein Lehrer hatte bei dem am 3. Sept. dort stattgefundenen allgemeinen Schulfeste, an die deutschen Farben, die über dem Sprecherplatze wehten, anknüpfend, ein Hoch auf das deutsche Vaterland eingeleitet, das sich wortgetreu in dem von Wander herausgegebenen Pädagogischen Wächter (Hirschberg 1849, erster Jahrg., Nr. 38) abgedruckt findet. In der Schles. Zeitung (Nr. 211) erfolgte ein denuncirender lügenhafter Bericht, worin, um der Behörde Veranlassung zum Einschreiten gegen ihn zu geben, die Behauptung ausgesprochen wurde, dass die anwesenden Aeltern entrüstet über die Rede des betreffenden Lehrers gewesen seien. Dieser forderte in dem zu Hirschberg erscheinenden Sprecher (Nr. 38) den Correspondenten auf, die entrüsteten Aeltern namhaft zu machen. Nachdem derselbe nun durch einige geeignete Subjecte beinahe zwei Wochen unter allerhand Vorwänden hatte Unterschriften sammeln lassen, wurden – 39 Namen im (hirschberger) Boten abgedruckt, von Personen, von denen die meisten entweder gar keine Kinder hatten, oder gar nicht auf dem Festplatze gewesen waren, oder denen man einen ganz andern Zweck angegeben. Das Verzeichniss derselben findet sich als Beitrag zur hirschberger Chronik im Sprecher, Nr. 42, S. 230. – Wenn nun von einem dieser Männer die Rede war oder wenn man einen sah oder traf, so nannte man ihn einen „Neununddreissiger“. Die Redensart wurde sogar im Kreise sprichwörtlich. Zunächst verstand man die Unterzeichner jener Erklärung darunter, dann allgemein aber einen fanatischen Reactionär, oder einen Menschen, der sich blind für die Zwecke anderer gebrauchen lässt.
Neunundneunziger.
* He hört to de Neunundneunziger. – Kern, 1292.
Wird besonders auf Apotheker, aber auch auf andere angewandt, die 99 Procent d. h. sehr viel Gewinn nehmen. Hochdeutsch: Er ist ein Neunundneunziger. (Braun, II, 559.) Auch die Holländer sagen: Dat is er één van de negen en negentig. Nach Harrebomée (I, 170b) wird es aber in Holland in einem ganz andern Sinne angewandt. Man versteht darunter einen Schulmeister, der durch Halbwisserei dünkelhaft aufgebläht wird, und deren soll es dort unter hundert neunundneunzig, also noch mehr als in Deutschland geben, wo durch angemessene Schulregulative dafür gesorgt ist, dass die Lehrer nicht erst zu halbem Wissen gelangen, sondern mittels Glaubenskost zur Demuth erzogen werden.
Neunundneunzigster.
D'r Nöngonnöngsigste wês net, wie d'r Hondertste an ät Brud küt. (Düren.) – Firmenich, I, 483, 77; hochdeutsch bei Riehl, Nov., 33.
Neusol.
Neusol ist mit kupfernen, Schemnitz mit silbernen und Kremnitz mit güldenen Mauern umgeben. – Berckenmeyer, 388.
Ist von den reichen Bergwerken der genannten Städte Ungarns zu verstehen.
Neustädter.
Die Neustädter haben ihre Thüren auf dem Leihhause stehen.
So sagte man in Dresden, bevor die Stadtkirche in Neustadt-Dresden im letzten Jahrzehnt einen Thurm erhielt, da sich seit dem Jahre 1767 das Dresdner städtische Leihhaus im neustädter Rathhause befand und dieses bis zu jener Zeit das einzige Gebäude mit einem Thurme in dem seit dem 23. Jan. 1732 auf Befehl des Königs August II. in „Neustadt-Dresden“ umgetauften Altdresden war.
Neuteich.
Oen Niedîk send de arme Lîed nich rîk. (Tiegenhof.)
Neutral.
1 Neutral will auf Eiern gehen und keins zertreten. – Simrock, 7517; Graf, 530, 362; Braun, I, 3026.
„In dem Parnasso ist die Frag vorgefallen, weil das Wörtlein ›neutral‹ undeutsch, desgleichen das Wörtlein ›unparteiisch‹ halb und halb sei, wie man es auf gut Deutsch geben möchte. Als haben Etlich verdeutscht: keinerlei, das ist weder Fisch noch Fleisch, sondern ein verdeckt Essen Krebs, die eben so bald hinter sich als vor sich gehen. Andere habens verdeutscht: beiderlei, weil sie gemeinlich auf beiden Achseln tragen. Andere: untreu, weil sie keinem Theil trauen und hinwiederum kein Theil ihnen vertraut. Andere habens davor gehalten, neutral sei nichts anderes als gut spanisch, bemühe man sich also vergebens, dem Kind einen deutschen Namen zu geben.“ (Opel, 390.)
2 Wer neutral ist, würd von oben begossen, von unten bereuchert. – Lehmann, 554, 10; Eiselein, 493; Körte2, 5699.
Neutraler.
1 Der Neutrale wird von oben begossen, von unten gesengt. – Simrock, 7518; Körte, 4538; Graf, 530, 363; Braun, I, 3027.
2 Die Neutralen müssen die Zeche bezahlen.
3 Wenn der Neutrale vorn liegt, so wird er gedrückt, liegt er hinten, so wird er getreten.
Neutralist.
1 Der Neutralist ist dess Glücks vnnd der zeit Freundt. – Lehmann, 553, 5.
2 Der Neutralist ist ein Fledermaus. – Lehmann, 553, 5.
3 Der Neutralist ist weder Fisch noch Fleisch. – Lehmann, 553, 5.
Neutralisten sind Leute, die es mit Niemand verderben wollen, und weil sie weder kalt noch warm sind, alles gegen sich haben.
4 Der Neutralist will keinen theil auffthun. – Lehmann, 553, 5.
5 Der Neutralist kan auff zweyen Sätteln Reiten. – Lehmann, 553, 5.
6 Neutralisten ist nicht zu trawen, wollen nur eigen Nutzen erbawen. – Lehmann, 554, 8.
Lat.: Noli homines blandos nimium sermone probare. (Chaos, 33.)
7 Neutralisten seind beeder theil Feind. – Lehmann, 554, 9.
Die Türken: Er sagt zum Hasen: flieh, und zum Hunde: friss ihn. (Cahier, 2656.)
Dän.: Neutralist søger egen nytte, og finder sin fordærvelse. (Prov. dan., 428.)
8 Neutralisten wollen auff eyern gehen vnd keines vertretten. – Lehmann, 553, 1.
9 Neutralisten wollen den beltz waschen vnd nicht Nass machen. – Lehmann, 553, 1.
*10 Er ist ein Neutralist.
Schwed.: Han är en neutralist. (Törning, 162.)
Neuzeit.
Neuzeit hat böse Weisheit, für die der Teufel seine Hölle baut weit.
Nicht.
Noch nich, seggt Bökmann. (Danzig.) – Frischbier2, 2778.
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