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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.

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[Spaltenumbruch] 128 Der Mensch hat viel gelernt, wenn er gelernt hat, wohl zu sterben.

129 Der Mensch hat zwei Gesichter.

Frz.: Homme a deux visages.

Lat.: Homo ianus. (Bovill, III, 59.)

130 Der Mensch hat zwey Ohren vnd ein mund, dass er viel hören vnd wenig reden soll. - Lehmann, 712, 23.

"Aber er soll doch sich nicht wie ein Stummer geberden."

Lat.: Tam malum est tacere multum, quam malum est multum loqui. (Lehmann, 712, 23.)

131 Der Mensch het en Mage, un nit umesunscht.

"Der fränkische Bauer in der bairischen Rheinpfalz, hat eine Redensart, die, wenn ich nicht irre, den Versen eines der zahlreichen Local- und Dialektdichter entnommen ist, und lautet: Der Mensch het u. s. w. Dies beherzigend, pflegt der Franke den Magencultus. Während die niedersächsische Küche die kräftigste, ist die fränkische die feinste." (K. Braun, Die deutsche Küche, in Westermann's Monatsheften, Nr. 170, S. 151.)

132 Der Mensch hofft, so lang er lebt. - Reinsberg II, 140.

133 Der Mensch hofft zu leben, auch wenn der Tod ihm auf der Zunge sitzt. - Bertram, 52.

134 Der Mensch in grossen Sorgen steht, voraus, wenn er schlafen geht; Herr Gott, ich bitt', wach' du für mich, so mag ich schlafen sicherlich. - Hertz, 39.

Ueber einer Schlafkammer.

135 Der Mensch is kene Schite Struh. (Oberlausitz.)

136 Der Mensch isst die Eier, sagt die Henne, und ich habe den Schmerz des Legens. (Surinam.)

Klage dessen, der sich für andere plagen muss.

137 Der Mensch ist das undankbarste Thier.

"Die Herren Menschen sind manchmal wirklich die allernichtswürdigsten Bestien." (Welt und Zeit, V, 217, 130.) Nach Fr. Schlegel ist der Mensch eine ernste Bestie, weil er den fatalen Ernst des reflectirten Thuns besitzt, während die übrigen Bestien die Heiterkeit der Naivetät charakterisirt. (Morgenblatt, Stuttgart, Jahrg. 50, S. 245.) Die Kalmücken sagen: Ernährst du einen Menschen, so siehst du Blut am Kopfe; ernährst du ein Thier, so siehst du Butter auf den Lippen. (Endemann, Reisen in Russland.)

138 Der Mensch ist der Sklave der Wohlthat. - Burckhardt, 698.

Jede empfangene Wohlthat macht uns mehr oder weniger von dem Wohlthäter abhängig; und das Gefühl dieser Abhängigkeit ist immer ein drückendes.

139 Der Mensch ist eher geboren als der Amtmann. - Eiselein, 289; Simrock, 289; Graf, 516, 223; Braun, II, 34.

140 Der Mensch ist ein Bettler: die Kappen hat er vom Marder, den Beltz vom Fuchsen, den Rock vom Lämmel, das Hemd vom Flachs der Erden, die Strümpff vom Seidenwurm, die Schuh vom Ochsen; soll er alles heimbgeben, so würd er da stehen, wie eine gerupffte Gans. - Chaos, 356.

141 Der Mensch ist ein Blatt vom Baum, das schon niederfällt, wenn's aufgegangen kaum.

An einem Hause Oberhessens steht der Spruch: Der Mensch gleich einer Blume ist, die in der schönen Frühlingsfrist des Morgens an der Blüte steht, des Abends hinfällt und vergeht. (Hertz, 36.) Ein hebräisches Sprichwort lautet: Die Menschen gleichen den Kräutern des Feldes, einige blühen, andere welken. In Illyrien heisst es: Der Mensch ist in der Welt wie die Biene in der Blume. Die Kleinrussen sagen: Der Mensch ist in der Welt wie die Blase auf dem Wasser. (Reinsberg II, 15.) Die Russen: Der Mensch ist eine lebende Leiche. (Altmann VI, 401.)

142 Der Mensch ist ein Buch, welches zu Leipzig geschrieben, zu Schweinfurt gedruckt, zu Ach (Aachen) eingebunden, zu Costnitz feil, zu Lusswitz zu erfragen. - Chaos, 354.

143 Der Mensch ist ein Feld, auf dem alles wachsen kann.

144 Der Mensch ist ein Fischer, der in trübem Wasser fischen muss; wenn er vermeint, er hab weiss was, so hat er einen Krebs oder gar nichts. - Chaos, 349.

[Spaltenumbruch] 145 Der Mensch ist ein Gebräu aus einem Quentel Witz und einem Centner Narretei.

"Thorheit ein Centner oder mehr, und Leidenschaften meist nicht minder, Weisheit ein Quentchen ungefähr - das ist der Mensch, ihr lieben Kinder." (Schücking, Welt und Zeit, 30, 120.)

146 Der Mensch ist ein Gewohnheitsthier.

"Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht und die Gewohnheit nennt er seine Amme." (Schiller, Wallenstein's Tod, Act 1, Scene 4.) Schopenhauer (Welt als Wille, I, 220) nennt den "gewöhnlichen Menschen Fabrikwaare der Natur". An einem andern Orte sagt er: "Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Thier das wir blos im Zustande der Bändigung und Zähmung, welche Civilisation heisst, kennen." (Parerga, II, 178.) Nach Kant ist der Mensch ein Thier, das einen Herrn braucht. (Herder's Nachlass, II, 269.) Nach Schopenhauer ist er "ein entlassener Sträfling Gottes". Nach Plinius d. A. ist der Mensch ein Thier, welches weint, und bestimmt, die übrigen zu beherrschen. (Magazin für die Literatur des Auslandes, 1855, Nr. 26.) Und ein Franzose gab die Erklärung: Der Mensch ist ein Thier, das kocht. So wird nach verschiedenen Standpunkten verschieden aufgefasst und erklärt. Für den Philosophen ist er das Potenzlose als Individuum. Der Chemiker erblickt im Menschen eine Verbindung von 1/4 solider Masse, hauptsächlich Kohlenstoff und Nitrogen, mit 3/4 Wasser. Er bringt einen Menschen von 140 Pfund unter die hydraulische Presse und findet, dass er nichts ist als etwa 35 Pfund Kohlen- und Stickstoff mit 5 Eimer Wasser verdünnt.

Frz.: L'homme est vng arbre renuerse.

Lat.: Homo arbor praepostera. (Bovill, II, 183.)

147 Der Mensch ist ein Lümmel, wenn er nicht ist wie der Himmel. - Parömiakon, 1134.

"Gleich wie der Himmel in steter Bewegung ist, so soll der Mensch sein." (Judas der Erzschelm, II.)

148 Der Mensch ist ein Madensack.

Die Russen: Der Menschen Balg trägt mehr Ehre, als ihr Fleisch werth ist. (Altmann VI, 426.)

Lat.: Cum fex, cum limus, cum res uilissima simus vnde superbimus? ad terram terra redimus. - Cur caro laetatur, quae uermis esca paratur. (Loci comm., 82.)

149 Der Mensch ist (gleicht) ein(em) Pfennig; bald gilt er viel, bald wenig, bald gar nichts.

Lat.: Saepe homo agit mane comoedum, vespere tragoedum.

150 Der Mensch ist ein Schlägl, Fabl und ein Grass, ein Blum, Heu und Wasserblass, ein Aschen, wie ein Glass zerbricht, ein Punkt, Schall, Wind und schwaches Licht.

151 Der Mensch ist ein Spinnwebennest, wenn eine Fliege drein fallt, so bleibt sie hangen. - Chaos, 348.

"Künstlich, aber ein schlechtes Fundament, welches bald zu grunde geht. Die Spinne frisst den Faden wiederumb, also verzehrt sich der Mensch selber."

152 Der Mensch ist ein Spital oder Badstuben, wo man nichts als Klagen, Seuffzen, Jammern höret. - Chaos, 335.

153 Der Mensch ist ein Trödelmarkt.

"Da findt man allerlei Waaren; Leder, Leder, aber nur Elend-Leder; Flecke, aber nur Schandflecke; Samen, aber nur Forcht-Samen; Kreiden, aber nur Hauss-Kreiden; Häut, aber nur Bären-Haut; Hafner-Arbeit, aber nur Krüg; Drexler-Arbeit, aber lauter Knöpff; Glaser-Arbeit, aber lauter Angster; Kartenmacher-Arbeit, aber lauter Säu." (Chaos, 256; Abraham a Sancta Clara.)

154 Der Mensch ist ein Tummelplatz: die Empfängnus ist Sämerey, die Geburt Keyerey, das Leben Phantasey, die Kunst Tändlerey, dein Reichthumb Posserey, dein Wandel Fresserey, dein Freud Vopperey und du bist ein Narrethey. - Chaos, 354.

155 Der Mensch ist ein Wasserblass. - Gruter, III, 18; Eyering, I, 333 u. 507; Egenolff, 322b; Petri, II, 101; Lehmann, II, 81, 102; Fabricius, 100; Eiselein, 629.

Auch mit dem Zusatz: Sobald er geboren wird, fängt er an zu sterben. Hinfällig, vergänglich; sein Stolz auf äussern Glanz und Schönheit wird in einem Augenblick mit aller seiner leiblichen Herrlichkeit zunichte. Das Wort wird dem deutschen Geschichtschreiber Joh. Aventinus zugeschrieben. (Einfälle, 35.) - Abraham a Sancta Clara (Juda der Erzschelm, II) schildert die Vergänglichkeit des Menschen in folgender Priamel: "Der Mensch ist ein Schatten, der bald vergeht. Der Mensch ist ein Gras, das nicht lange steht. Der Mensch ist ein Rauch, der nicht lange währt, er ist ein Feuer, das sich selber verzehrt. Der Mensch ist ein Wasser, das bald abrinnt, er ist eine Kerzen, die bald abnimmt. Der Mensch ist ein Glas, das bald zerbricht, er ist ein

[Spaltenumbruch] 128 Der Mensch hat viel gelernt, wenn er gelernt hat, wohl zu sterben.

129 Der Mensch hat zwei Gesichter.

Frz.: Homme à deux visages.

Lat.: Homo ianus. (Bovill, III, 59.)

130 Der Mensch hat zwey Ohren vnd ein mund, dass er viel hören vnd wenig reden soll.Lehmann, 712, 23.

„Aber er soll doch sich nicht wie ein Stummer geberden.“

Lat.: Tam malum est tacere multum, quam malum est multum loqui. (Lehmann, 712, 23.)

131 Der Mensch het en Mage, un nit umesunscht.

„Der fränkische Bauer in der bairischen Rheinpfalz, hat eine Redensart, die, wenn ich nicht irre, den Versen eines der zahlreichen Local- und Dialektdichter entnommen ist, und lautet: Der Mensch het u. s. w. Dies beherzigend, pflegt der Franke den Magencultus. Während die niedersächsische Küche die kräftigste, ist die fränkische die feinste.“ (K. Braun, Die deutsche Küche, in Westermann's Monatsheften, Nr. 170, S. 151.)

132 Der Mensch hofft, so lang er lebt.Reinsberg II, 140.

133 Der Mensch hofft zu leben, auch wenn der Tod ihm auf der Zunge sitzt.Bertram, 52.

134 Der Mensch in grossen Sorgen steht, voraus, wenn er schlafen geht; Herr Gott, ich bitt', wach' du für mich, so mag ich schlafen sicherlich.Hertz, 39.

Ueber einer Schlafkammer.

135 Der Mensch is kêne Schite Struh. (Oberlausitz.)

136 Der Mensch isst die Eier, sagt die Henne, und ich habe den Schmerz des Legens. (Surinam.)

Klage dessen, der sich für andere plagen muss.

137 Der Mensch ist das undankbarste Thier.

„Die Herren Menschen sind manchmal wirklich die allernichtswürdigsten Bestien.“ (Welt und Zeit, V, 217, 130.) Nach Fr. Schlegel ist der Mensch eine ernste Bestie, weil er den fatalen Ernst des reflectirten Thuns besitzt, während die übrigen Bestien die Heiterkeit der Naivetät charakterisirt. (Morgenblatt, Stuttgart, Jahrg. 50, S. 245.) Die Kalmücken sagen: Ernährst du einen Menschen, so siehst du Blut am Kopfe; ernährst du ein Thier, so siehst du Butter auf den Lippen. (Endemann, Reisen in Russland.)

138 Der Mensch ist der Sklave der Wohlthat.Burckhardt, 698.

Jede empfangene Wohlthat macht uns mehr oder weniger von dem Wohlthäter abhängig; und das Gefühl dieser Abhängigkeit ist immer ein drückendes.

139 Der Mensch ist eher geboren als der Amtmann.Eiselein, 289; Simrock, 289; Graf, 516, 223; Braun, II, 34.

140 Der Mensch ist ein Bettler: die Kappen hat er vom Marder, den Beltz vom Fuchsen, den Rock vom Lämmel, das Hemd vom Flachs der Erden, die Strümpff vom Seidenwurm, die Schuh vom Ochsen; soll er alles heimbgeben, so würd er da stehen, wie eine gerupffte Gans.Chaos, 356.

141 Der Mensch ist ein Blatt vom Baum, das schon niederfällt, wenn's aufgegangen kaum.

An einem Hause Oberhessens steht der Spruch: Der Mensch gleich einer Blume ist, die in der schönen Frühlingsfrist des Morgens an der Blüte steht, des Abends hinfällt und vergeht. (Hertz, 36.) Ein hebräisches Sprichwort lautet: Die Menschen gleichen den Kräutern des Feldes, einige blühen, andere welken. In Illyrien heisst es: Der Mensch ist in der Welt wie die Biene in der Blume. Die Kleinrussen sagen: Der Mensch ist in der Welt wie die Blase auf dem Wasser. (Reinsberg II, 15.) Die Russen: Der Mensch ist eine lebende Leiche. (Altmann VI, 401.)

142 Der Mensch ist ein Buch, welches zu Leipzig geschrieben, zu Schweinfurt gedruckt, zu Ach (Aachen) eingebunden, zu Costnitz feil, zu Lusswitz zu erfragen.Chaos, 354.

143 Der Mensch ist ein Feld, auf dem alles wachsen kann.

144 Der Mensch ist ein Fischer, der in trübem Wasser fischen muss; wenn er vermeint, er hab weiss was, so hat er einen Krebs oder gar nichts.Chaos, 349.

[Spaltenumbruch] 145 Der Mensch ist ein Gebräu aus einem Quentel Witz und einem Centner Narretei.

„Thorheit ein Centner oder mehr, und Leidenschaften meist nicht minder, Weisheit ein Quentchen ungefähr – das ist der Mensch, ihr lieben Kinder.“ (Schücking, Welt und Zeit, 30, 120.)

146 Der Mensch ist ein Gewohnheitsthier.

„Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht und die Gewohnheit nennt er seine Amme.“ (Schiller, Wallenstein's Tod, Act 1, Scene 4.) Schopenhauer (Welt als Wille, I, 220) nennt den „gewöhnlichen Menschen Fabrikwaare der Natur“. An einem andern Orte sagt er: „Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Thier das wir blos im Zustande der Bändigung und Zähmung, welche Civilisation heisst, kennen.“ (Parerga, II, 178.) Nach Kant ist der Mensch ein Thier, das einen Herrn braucht. (Herder's Nachlass, II, 269.) Nach Schopenhauer ist er „ein entlassener Sträfling Gottes“. Nach Plinius d. A. ist der Mensch ein Thier, welches weint, und bestimmt, die übrigen zu beherrschen. (Magazin für die Literatur des Auslandes, 1855, Nr. 26.) Und ein Franzose gab die Erklärung: Der Mensch ist ein Thier, das kocht. So wird nach verschiedenen Standpunkten verschieden aufgefasst und erklärt. Für den Philosophen ist er das Potenzlose als Individuum. Der Chemiker erblickt im Menschen eine Verbindung von 1/4 solider Masse, hauptsächlich Kohlenstoff und Nitrogen, mit 3/4 Wasser. Er bringt einen Menschen von 140 Pfund unter die hydraulische Presse und findet, dass er nichts ist als etwa 35 Pfund Kohlen- und Stickstoff mit 5 Eimer Wasser verdünnt.

Frz.: L'homme est vng arbre renuerse.

Lat.: Homo arbor praepostera. (Bovill, II, 183.)

147 Der Mensch ist ein Lümmel, wenn er nicht ist wie der Himmel.Parömiakon, 1134.

„Gleich wie der Himmel in steter Bewegung ist, so soll der Mensch sein.“ (Judas der Erzschelm, II.)

148 Der Mensch ist ein Madensack.

Die Russen: Der Menschen Balg trägt mehr Ehre, als ihr Fleisch werth ist. (Altmann VI, 426.)

Lat.: Cum fex, cum limus, cum res uilissima simus vnde superbimus? ad terram terra redimus. – Cur caro laetatur, quae uermis esca paratur. (Loci comm., 82.)

149 Der Mensch ist (gleicht) ein(em) Pfennig; bald gilt er viel, bald wenig, bald gar nichts.

Lat.: Saepe homo agit mane comoedum, vespere tragoedum.

150 Der Mensch ist ein Schlägl, Fabl und ein Grass, ein Blum, Heu und Wasserblass, ein Aschen, wie ein Glass zerbricht, ein Punkt, Schall, Wind und schwaches Licht.

151 Der Mensch ist ein Spinnwebennest, wenn eine Fliege drein fallt, so bleibt sie hangen.Chaos, 348.

„Künstlich, aber ein schlechtes Fundament, welches bald zu grunde geht. Die Spinne frisst den Faden wiederumb, also verzehrt sich der Mensch selber.“

152 Der Mensch ist ein Spital oder Badstuben, wo man nichts als Klagen, Seuffzen, Jammern höret.Chaos, 335.

153 Der Mensch ist ein Trödelmarkt.

„Da findt man allerlei Waaren; Leder, Leder, aber nur Elend-Leder; Flecke, aber nur Schandflecke; Samen, aber nur Forcht-Samen; Kreiden, aber nur Hauss-Kreiden; Häut, aber nur Bären-Haut; Hafner-Arbeit, aber nur Krüg; Drexler-Arbeit, aber lauter Knöpff; Glaser-Arbeit, aber lauter Angster; Kartenmacher-Arbeit, aber lauter Säu.“ (Chaos, 256; Abraham a Sancta Clara.)

154 Der Mensch ist ein Tummelplatz: die Empfängnus ist Sämerey, die Geburt Keyerey, das Leben Phantasey, die Kunst Tändlerey, dein Reichthumb Posserey, dein Wandel Fresserey, dein Freud Vopperey und du bist ein Narrethey.Chaos, 354.

155 Der Mensch ist ein Wasserblass.Gruter, III, 18; Eyering, I, 333 u. 507; Egenolff, 322b; Petri, II, 101; Lehmann, II, 81, 102; Fabricius, 100; Eiselein, 629.

Auch mit dem Zusatz: Sobald er geboren wird, fängt er an zu sterben. Hinfällig, vergänglich; sein Stolz auf äussern Glanz und Schönheit wird in einem Augenblick mit aller seiner leiblichen Herrlichkeit zunichte. Das Wort wird dem deutschen Geschichtschreiber Joh. Aventinus zugeschrieben. (Einfälle, 35.) – Abraham a Sancta Clara (Juda der Erzschelm, II) schildert die Vergänglichkeit des Menschen in folgender Priamel: „Der Mensch ist ein Schatten, der bald vergeht. Der Mensch ist ein Gras, das nicht lange steht. Der Mensch ist ein Rauch, der nicht lange währt, er ist ein Feuer, das sich selber verzehrt. Der Mensch ist ein Wasser, das bald abrinnt, er ist eine Kerzen, die bald abnimmt. Der Mensch ist ein Glas, das bald zerbricht, er ist ein

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[[298]/0312] 128 Der Mensch hat viel gelernt, wenn er gelernt hat, wohl zu sterben. 129 Der Mensch hat zwei Gesichter. Frz.: Homme à deux visages. Lat.: Homo ianus. (Bovill, III, 59.) 130 Der Mensch hat zwey Ohren vnd ein mund, dass er viel hören vnd wenig reden soll. – Lehmann, 712, 23. „Aber er soll doch sich nicht wie ein Stummer geberden.“ Lat.: Tam malum est tacere multum, quam malum est multum loqui. (Lehmann, 712, 23.) 131 Der Mensch het en Mage, un nit umesunscht. „Der fränkische Bauer in der bairischen Rheinpfalz, hat eine Redensart, die, wenn ich nicht irre, den Versen eines der zahlreichen Local- und Dialektdichter entnommen ist, und lautet: Der Mensch het u. s. w. Dies beherzigend, pflegt der Franke den Magencultus. Während die niedersächsische Küche die kräftigste, ist die fränkische die feinste.“ (K. Braun, Die deutsche Küche, in Westermann's Monatsheften, Nr. 170, S. 151.) 132 Der Mensch hofft, so lang er lebt. – Reinsberg II, 140. 133 Der Mensch hofft zu leben, auch wenn der Tod ihm auf der Zunge sitzt. – Bertram, 52. 134 Der Mensch in grossen Sorgen steht, voraus, wenn er schlafen geht; Herr Gott, ich bitt', wach' du für mich, so mag ich schlafen sicherlich. – Hertz, 39. Ueber einer Schlafkammer. 135 Der Mensch is kêne Schite Struh. (Oberlausitz.) 136 Der Mensch isst die Eier, sagt die Henne, und ich habe den Schmerz des Legens. (Surinam.) Klage dessen, der sich für andere plagen muss. 137 Der Mensch ist das undankbarste Thier. „Die Herren Menschen sind manchmal wirklich die allernichtswürdigsten Bestien.“ (Welt und Zeit, V, 217, 130.) Nach Fr. Schlegel ist der Mensch eine ernste Bestie, weil er den fatalen Ernst des reflectirten Thuns besitzt, während die übrigen Bestien die Heiterkeit der Naivetät charakterisirt. (Morgenblatt, Stuttgart, Jahrg. 50, S. 245.) Die Kalmücken sagen: Ernährst du einen Menschen, so siehst du Blut am Kopfe; ernährst du ein Thier, so siehst du Butter auf den Lippen. (Endemann, Reisen in Russland.) 138 Der Mensch ist der Sklave der Wohlthat. – Burckhardt, 698. Jede empfangene Wohlthat macht uns mehr oder weniger von dem Wohlthäter abhängig; und das Gefühl dieser Abhängigkeit ist immer ein drückendes. 139 Der Mensch ist eher geboren als der Amtmann. – Eiselein, 289; Simrock, 289; Graf, 516, 223; Braun, II, 34. 140 Der Mensch ist ein Bettler: die Kappen hat er vom Marder, den Beltz vom Fuchsen, den Rock vom Lämmel, das Hemd vom Flachs der Erden, die Strümpff vom Seidenwurm, die Schuh vom Ochsen; soll er alles heimbgeben, so würd er da stehen, wie eine gerupffte Gans. – Chaos, 356. 141 Der Mensch ist ein Blatt vom Baum, das schon niederfällt, wenn's aufgegangen kaum. An einem Hause Oberhessens steht der Spruch: Der Mensch gleich einer Blume ist, die in der schönen Frühlingsfrist des Morgens an der Blüte steht, des Abends hinfällt und vergeht. (Hertz, 36.) Ein hebräisches Sprichwort lautet: Die Menschen gleichen den Kräutern des Feldes, einige blühen, andere welken. In Illyrien heisst es: Der Mensch ist in der Welt wie die Biene in der Blume. Die Kleinrussen sagen: Der Mensch ist in der Welt wie die Blase auf dem Wasser. (Reinsberg II, 15.) Die Russen: Der Mensch ist eine lebende Leiche. (Altmann VI, 401.) 142 Der Mensch ist ein Buch, welches zu Leipzig geschrieben, zu Schweinfurt gedruckt, zu Ach (Aachen) eingebunden, zu Costnitz feil, zu Lusswitz zu erfragen. – Chaos, 354. 143 Der Mensch ist ein Feld, auf dem alles wachsen kann. 144 Der Mensch ist ein Fischer, der in trübem Wasser fischen muss; wenn er vermeint, er hab weiss was, so hat er einen Krebs oder gar nichts. – Chaos, 349. 145 Der Mensch ist ein Gebräu aus einem Quentel Witz und einem Centner Narretei. „Thorheit ein Centner oder mehr, und Leidenschaften meist nicht minder, Weisheit ein Quentchen ungefähr – das ist der Mensch, ihr lieben Kinder.“ (Schücking, Welt und Zeit, 30, 120.) 146 Der Mensch ist ein Gewohnheitsthier. „Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht und die Gewohnheit nennt er seine Amme.“ (Schiller, Wallenstein's Tod, Act 1, Scene 4.) Schopenhauer (Welt als Wille, I, 220) nennt den „gewöhnlichen Menschen Fabrikwaare der Natur“. An einem andern Orte sagt er: „Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Thier das wir blos im Zustande der Bändigung und Zähmung, welche Civilisation heisst, kennen.“ (Parerga, II, 178.) Nach Kant ist der Mensch ein Thier, das einen Herrn braucht. (Herder's Nachlass, II, 269.) Nach Schopenhauer ist er „ein entlassener Sträfling Gottes“. Nach Plinius d. A. ist der Mensch ein Thier, welches weint, und bestimmt, die übrigen zu beherrschen. (Magazin für die Literatur des Auslandes, 1855, Nr. 26.) Und ein Franzose gab die Erklärung: Der Mensch ist ein Thier, das kocht. So wird nach verschiedenen Standpunkten verschieden aufgefasst und erklärt. Für den Philosophen ist er das Potenzlose als Individuum. Der Chemiker erblickt im Menschen eine Verbindung von 1/4 solider Masse, hauptsächlich Kohlenstoff und Nitrogen, mit 3/4 Wasser. Er bringt einen Menschen von 140 Pfund unter die hydraulische Presse und findet, dass er nichts ist als etwa 35 Pfund Kohlen- und Stickstoff mit 5 Eimer Wasser verdünnt. Frz.: L'homme est vng arbre renuerse. Lat.: Homo arbor praepostera. (Bovill, II, 183.) 147 Der Mensch ist ein Lümmel, wenn er nicht ist wie der Himmel. – Parömiakon, 1134. „Gleich wie der Himmel in steter Bewegung ist, so soll der Mensch sein.“ (Judas der Erzschelm, II.) 148 Der Mensch ist ein Madensack. Die Russen: Der Menschen Balg trägt mehr Ehre, als ihr Fleisch werth ist. (Altmann VI, 426.) Lat.: Cum fex, cum limus, cum res uilissima simus vnde superbimus? ad terram terra redimus. – Cur caro laetatur, quae uermis esca paratur. (Loci comm., 82.) 149 Der Mensch ist (gleicht) ein(em) Pfennig; bald gilt er viel, bald wenig, bald gar nichts. Lat.: Saepe homo agit mane comoedum, vespere tragoedum. 150 Der Mensch ist ein Schlägl, Fabl und ein Grass, ein Blum, Heu und Wasserblass, ein Aschen, wie ein Glass zerbricht, ein Punkt, Schall, Wind und schwaches Licht. 151 Der Mensch ist ein Spinnwebennest, wenn eine Fliege drein fallt, so bleibt sie hangen. – Chaos, 348. „Künstlich, aber ein schlechtes Fundament, welches bald zu grunde geht. Die Spinne frisst den Faden wiederumb, also verzehrt sich der Mensch selber.“ 152 Der Mensch ist ein Spital oder Badstuben, wo man nichts als Klagen, Seuffzen, Jammern höret. – Chaos, 335. 153 Der Mensch ist ein Trödelmarkt. „Da findt man allerlei Waaren; Leder, Leder, aber nur Elend-Leder; Flecke, aber nur Schandflecke; Samen, aber nur Forcht-Samen; Kreiden, aber nur Hauss-Kreiden; Häut, aber nur Bären-Haut; Hafner-Arbeit, aber nur Krüg; Drexler-Arbeit, aber lauter Knöpff; Glaser-Arbeit, aber lauter Angster; Kartenmacher-Arbeit, aber lauter Säu.“ (Chaos, 256; Abraham a Sancta Clara.) 154 Der Mensch ist ein Tummelplatz: die Empfängnus ist Sämerey, die Geburt Keyerey, das Leben Phantasey, die Kunst Tändlerey, dein Reichthumb Posserey, dein Wandel Fresserey, dein Freud Vopperey und du bist ein Narrethey. – Chaos, 354. 155 Der Mensch ist ein Wasserblass. – Gruter, III, 18; Eyering, I, 333 u. 507; Egenolff, 322b; Petri, II, 101; Lehmann, II, 81, 102; Fabricius, 100; Eiselein, 629. Auch mit dem Zusatz: Sobald er geboren wird, fängt er an zu sterben. Hinfällig, vergänglich; sein Stolz auf äussern Glanz und Schönheit wird in einem Augenblick mit aller seiner leiblichen Herrlichkeit zunichte. Das Wort wird dem deutschen Geschichtschreiber Joh. Aventinus zugeschrieben. (Einfälle, 35.) – Abraham a Sancta Clara (Juda der Erzschelm, II) schildert die Vergänglichkeit des Menschen in folgender Priamel: „Der Mensch ist ein Schatten, der bald vergeht. Der Mensch ist ein Gras, das nicht lange steht. Der Mensch ist ein Rauch, der nicht lange währt, er ist ein Feuer, das sich selber verzehrt. Der Mensch ist ein Wasser, das bald abrinnt, er ist eine Kerzen, die bald abnimmt. Der Mensch ist ein Glas, das bald zerbricht, er ist ein

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873, S. [298]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon03_1873/312>, abgerufen am 25.11.2024.