Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867.an die Bearbeitung gewagt, und dann, als mir die Arbeit zu Kopfe wuchs, sie nicht liegen lassen wollte, so war Beschränkung eine gebieterische Forderung, die an mich herantrat; und diese hatte den Ausschluss des Mittelalters zur nächsten Folge. Die Gründe, welche dies verlangten, waren so entscheidend, dass darüber gar kein Zweifel platzgreifen konnte. Abgesehen davon, dass Zeit und Arbeitskraft des einzelnen für die neuhochdeutsche Periode kaum ausreicht, so fehlen auch zur durchgreifenden Berücksichtigung des Mittelhochdeutschen die erforderlichen Vorarbeiten. Es wäre sehr schön, wenn im Deutschen Sprichwörter-Lexikon bei den hochdeutschen Sprichwörtern deren geschichtliche Entwickelung bis in die älteste Zeit in den Lesarten der betreffenden Schriftsteller angegeben werden könnte. Aber selbst, wenn hierzu die erforderlichen Hülfskräfte, die mir für noch näher liegende Ansprüche fehlen, vorhanden wären, so würde diese Aufgabe zur Zeit unlösbar sein. Denn eben auch erst in neuerer Zeit hat man angefangen, diesem Gegenstande einige Beachtung zu schenken. Es ist zwar das Verdienst Eiselein's, in seinem Buche zuerst auf die ältere Literatur zurückgegangen zu sein; allein es ist darin, wie oben schon beklagt, Alt-, Mittel- und Neuhochdeutsch so genial durcheinandergeworfen, die Schreibung ist so willkürlich, die Citate sind so ungenau und so allgemein, dass ich von dieser Vorarbeit für das Mittelhochdeutsche so gut wie keinen Gebrauch zu machen wusste. Ganz auf gleiche Weise hat er die in seiner Grammatik der neuhochdeutschen Sprache (Konstanz 1843) mitgetheilten Sprichwörter und Redensarten behandelt. Dieselben (689 an der Zahl) sind zwar ihrem Inhalte nach alt und sehr interessant, auch mit guten Erklärungen versehen, aber in Betreff der Quellenangabe noch stiefmütterlicher behandelt, als diejenigen in seiner Sammlung. Mir sind auf diesem Gebiet nur zwei Arbeiten bekannt, welche, mit Gründlichkeit auf den Gegenstand eingehend, als bahnbrechend zu bezeichnen sind; beide aber gehören erst der neuesten Zeit an. Es sind dies nämlich: Die biblischen Sprichwörter der deutschen Sprache von C. Schulze (Göttingen 1860), und Die deutschen Sprichwörter im Mittelalter, von Ignaz von Zingerle (Wien 1864). Beide Arbeiten sind von mir so benutzt, dass dem Besitzer des Deutschen Sprichwörter-Lexikon mittels der beiden Schriften, auf die ich sorgfältig verweise, der Weg ins Mittelhochdeutsche geöffnet ist. Wer ein Sprichwort bis auf seine in der vorneuhochdeutschen Literatur liegenden Quellen verfolgen und dessen ältere Form wie Entwickelunsgeschichte kennen lernen will, darf blos nachsehen, ob bei demselben auf Schulze oder Zingerle verwiesen ist. Der erstere weist es in den ältesten Lesarten mit steter Angabe der Quelle nach und führt es bis in die neuhochdeutsche Literatur fort. Der letztere führt es in einer mittelhochdeutschen Fassung mit sorgfältiger Angabe der Quelle auf. Beide Arbeiten bilden einen wesentlichen Fortschritt in der Sprichwörterliteratur; der eine wie der andere der beiden Herren Verfasser ist von der Ansicht ausgegangen, dass mit Composition neuer Sprichwörtersammlungen aus den bereits vorhandenen seit Agricola genug geschehen, und dass es an der Zeit sei, unsere abgestorbene Sprichwörterliteratur durch neue Arbeiten zu beleben. Was das letztere Werk, die Sprichwörter des Herrn Prof. Zingerle betrifft, so beziehe ich mich auf einen Artikel in den Blättern für literarische Unterhaltung für 1864 (Leipzig, Nr. 41, S. 760), wo der Weg angegeben wird, auf dem die Sprichwörter des Mittelalters in grösserer Vollständigkeit zu gewinnen sind. Selbstredend müssen die Sprichwörter erst gesammelt sein, bevor sie in der von mir eben angedeuteten Weise im neuhochdeutschen Sprichwörterschatz als Quellen aufgeführt werden können. Die Arbeit ist aber nicht so leicht, und es ist in der erwähnten Zeitschrift ganz derselbe Weg dafür bezeichnet, den ich für Gewinnung neuhochdeutscher Sprichwörter wiederholt angegeben habe - Ausbeute der Literatur. Es wird nun hier festzustellen sein, wo die neuhochdeutsche Zeit beginnt, das Mittelalter schliesst, und welche Schriftsteller namentlich in Betreff der Sprichwörterliteratur auszubeuten sind. Es ist dies aber wieder eine Arbeit für vereinte Kräfte, die sehr gut von einem Verein Studirender ausgeführt werden könnte, von denen jeder die Lesung einer dieser Schriften übernähme. Mone's Vorarbeiten (vgl. Blätter für literarische Unterhaltung, a. a. O.) wären zu benutzen. Dieser gibt in seinen Quellen und Forschungen (vgl. Quellenverzeichniss) an, dass sich im britannischen Sagenkreise etwas über 180 Sprichwörter gefunden, und zwar in den etwa 8000 Versen des Iwein 42, in den ungefähr 23000 des Parcival 37, in den 8000 Versen des Lancelot 44, in den 11700 Versen des Wigalois 60; in dem des französischen Sagenkreises nur 35, und zwar in den 4400 Versen des Otnis 5, in den 15000 Versen der Nibelungen 127. In ähnlicher Weise hat Mone das Heldenbuch und die Reimchronik in Bezug auf ihren sprichwörtlichen Inhalt durchgesehen und Angaben in Zahlen gemacht, die aber wol weit hinter der Wirklichkeit zurückbleiben; denn er sagt selbst, "dass er oft 10, 20 und mehr Verse für einen gezählt hat, wenngleich mehr Sprichwörter darin sind".1 1 Das genau bestimmte Zahlenverhältniss (nach J. Franck's revidirter Zählung) ist unter anderm für Rolandslied 17, für Flos 25, für Tristan 60, für Vreiberi 17, wobei auch die von Mone nicht gezählten sprichwörtlichen Redensarten, Anspielungen und Vergleiche mit begriffen sind. Für eine grosse Anzahl anderer von Mone a. a. O. nicht erwähnter Dichtungen stellen sich nach J. Franck die Zahlen allerdings geringer. So enthalten z. B. Hartmann von der Aue (Büsching); nur 3, Kutrun (Ziemann) 7, Krolewitz' Vater Unser (List) 9, Altdeutsche Schauspiele (Mone) 8, Konrad von Würzburg Otto 1, K. von Gasilau (Haupt's Zeitschrift, VIII, 3) 2, Deutsche Predigten des 12. und 13. Jahrhunderts (Roth) 2, Deutsche Predigten des 13. und 14. Jahrhunderts (Leyser) 2, Rudolf von Ems, Barlaam und Josaphat (Köpke) 12 Sprichwörter oder sprichwörtliche Redensarten.
an die Bearbeitung gewagt, und dann, als mir die Arbeit zu Kopfe wuchs, sie nicht liegen lassen wollte, so war Beschränkung eine gebieterische Forderung, die an mich herantrat; und diese hatte den Ausschluss des Mittelalters zur nächsten Folge. Die Gründe, welche dies verlangten, waren so entscheidend, dass darüber gar kein Zweifel platzgreifen konnte. Abgesehen davon, dass Zeit und Arbeitskraft des einzelnen für die neuhochdeutsche Periode kaum ausreicht, so fehlen auch zur durchgreifenden Berücksichtigung des Mittelhochdeutschen die erforderlichen Vorarbeiten. Es wäre sehr schön, wenn im Deutschen Sprichwörter-Lexikon bei den hochdeutschen Sprichwörtern deren geschichtliche Entwickelung bis in die älteste Zeit in den Lesarten der betreffenden Schriftsteller angegeben werden könnte. Aber selbst, wenn hierzu die erforderlichen Hülfskräfte, die mir für noch näher liegende Ansprüche fehlen, vorhanden wären, so würde diese Aufgabe zur Zeit unlösbar sein. Denn eben auch erst in neuerer Zeit hat man angefangen, diesem Gegenstande einige Beachtung zu schenken. Es ist zwar das Verdienst Eiselein's, in seinem Buche zuerst auf die ältere Literatur zurückgegangen zu sein; allein es ist darin, wie oben schon beklagt, Alt-, Mittel- und Neuhochdeutsch so genial durcheinandergeworfen, die Schreibung ist so willkürlich, die Citate sind so ungenau und so allgemein, dass ich von dieser Vorarbeit für das Mittelhochdeutsche so gut wie keinen Gebrauch zu machen wusste. Ganz auf gleiche Weise hat er die in seiner Grammatik der neuhochdeutschen Sprache (Konstanz 1843) mitgetheilten Sprichwörter und Redensarten behandelt. Dieselben (689 an der Zahl) sind zwar ihrem Inhalte nach alt und sehr interessant, auch mit guten Erklärungen versehen, aber in Betreff der Quellenangabe noch stiefmütterlicher behandelt, als diejenigen in seiner Sammlung. Mir sind auf diesem Gebiet nur zwei Arbeiten bekannt, welche, mit Gründlichkeit auf den Gegenstand eingehend, als bahnbrechend zu bezeichnen sind; beide aber gehören erst der neuesten Zeit an. Es sind dies nämlich: Die biblischen Sprichwörter der deutschen Sprache von C. Schulze (Göttingen 1860), und Die deutschen Sprichwörter im Mittelalter, von Ignaz von Zingerle (Wien 1864). Beide Arbeiten sind von mir so benutzt, dass dem Besitzer des Deutschen Sprichwörter-Lexikon mittels der beiden Schriften, auf die ich sorgfältig verweise, der Weg ins Mittelhochdeutsche geöffnet ist. Wer ein Sprichwort bis auf seine in der vorneuhochdeutschen Literatur liegenden Quellen verfolgen und dessen ältere Form wie Entwickelunsgeschichte kennen lernen will, darf blos nachsehen, ob bei demselben auf Schulze oder Zingerle verwiesen ist. Der erstere weist es in den ältesten Lesarten mit steter Angabe der Quelle nach und führt es bis in die neuhochdeutsche Literatur fort. Der letztere führt es in einer mittelhochdeutschen Fassung mit sorgfältiger Angabe der Quelle auf. Beide Arbeiten bilden einen wesentlichen Fortschritt in der Sprichwörterliteratur; der eine wie der andere der beiden Herren Verfasser ist von der Ansicht ausgegangen, dass mit Composition neuer Sprichwörtersammlungen aus den bereits vorhandenen seit Agricola genug geschehen, und dass es an der Zeit sei, unsere abgestorbene Sprichwörterliteratur durch neue Arbeiten zu beleben. Was das letztere Werk, die Sprichwörter des Herrn Prof. Zingerle betrifft, so beziehe ich mich auf einen Artikel in den Blättern für literarische Unterhaltung für 1864 (Leipzig, Nr. 41, S. 760), wo der Weg angegeben wird, auf dem die Sprichwörter des Mittelalters in grösserer Vollständigkeit zu gewinnen sind. Selbstredend müssen die Sprichwörter erst gesammelt sein, bevor sie in der von mir eben angedeuteten Weise im neuhochdeutschen Sprichwörterschatz als Quellen aufgeführt werden können. Die Arbeit ist aber nicht so leicht, und es ist in der erwähnten Zeitschrift ganz derselbe Weg dafür bezeichnet, den ich für Gewinnung neuhochdeutscher Sprichwörter wiederholt angegeben habe – Ausbeute der Literatur. Es wird nun hier festzustellen sein, wo die neuhochdeutsche Zeit beginnt, das Mittelalter schliesst, und welche Schriftsteller namentlich in Betreff der Sprichwörterliteratur auszubeuten sind. Es ist dies aber wieder eine Arbeit für vereinte Kräfte, die sehr gut von einem Verein Studirender ausgeführt werden könnte, von denen jeder die Lesung einer dieser Schriften übernähme. Mone's Vorarbeiten (vgl. Blätter für literarische Unterhaltung, a. a. O.) wären zu benutzen. Dieser gibt in seinen Quellen und Forschungen (vgl. Quellenverzeichniss) an, dass sich im britannischen Sagenkreise etwas über 180 Sprichwörter gefunden, und zwar in den etwa 8000 Versen des Iwein 42, in den ungefähr 23000 des Parcival 37, in den 8000 Versen des Lancelot 44, in den 11700 Versen des Wigalois 60; in dem des französischen Sagenkreises nur 35, und zwar in den 4400 Versen des Otnis 5, in den 15000 Versen der Nibelungen 127. In ähnlicher Weise hat Mone das Heldenbuch und die Reimchronik in Bezug auf ihren sprichwörtlichen Inhalt durchgesehen und Angaben in Zahlen gemacht, die aber wol weit hinter der Wirklichkeit zurückbleiben; denn er sagt selbst, „dass er oft 10, 20 und mehr Verse für einen gezählt hat, wenngleich mehr Sprichwörter darin sind“.1 1 Das genau bestimmte Zahlenverhältniss (nach J. Franck's revidirter Zählung) ist unter anderm für Rolandslied 17, für Flos 25, für Tristan 60, für Vrîberi 17, wobei auch die von Mone nicht gezählten sprichwörtlichen Redensarten, Anspielungen und Vergleiche mit begriffen sind. Für eine grosse Anzahl anderer von Mone a. a. O. nicht erwähnter Dichtungen stellen sich nach J. Franck die Zahlen allerdings geringer. So enthalten z. B. Hartmann von der Aue (Büsching); nur 3, Kutrun (Ziemann) 7, Krolewitz' Vater Unser (List) 9, Altdeutsche Schauspiele (Mone) 8, Konrad von Würzburg Otto 1, K. von Gasilau (Haupt's Zeitschrift, VIII, 3) 2, Deutsche Predigten des 12. und 13. Jahrhunderts (Roth) 2, Deutsche Predigten des 13. und 14. Jahrhunderts (Leyser) 2, Rudolf von Ems, Barlaam und Josaphat (Köpke) 12 Sprichwörter oder sprichwörtliche Redensarten.
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Es ist zwar das Verdienst Eiselein's, in seinem Buche zuerst auf die ältere Literatur zurückgegangen zu sein; allein es ist darin, wie oben schon beklagt, Alt-, Mittel- und Neuhochdeutsch so genial durcheinandergeworfen, die Schreibung ist so willkürlich, die Citate sind so ungenau und so allgemein, dass ich von dieser Vorarbeit für das Mittelhochdeutsche so gut wie keinen Gebrauch zu machen wusste. Ganz auf gleiche Weise hat er die in seiner Grammatik der neuhochdeutschen Sprache (Konstanz 1843) mitgetheilten Sprichwörter und Redensarten behandelt. Dieselben (689 an der Zahl) sind zwar ihrem Inhalte nach alt und sehr interessant, auch mit guten Erklärungen versehen, aber in Betreff der Quellenangabe noch stiefmütterlicher behandelt, als diejenigen in seiner Sammlung. Mir sind auf diesem Gebiet nur zwei Arbeiten bekannt, welche, mit Gründlichkeit auf den Gegenstand eingehend, als bahnbrechend zu bezeichnen sind; beide aber gehören erst der neuesten Zeit an. Es sind dies nämlich: Die biblischen Sprichwörter der deutschen Sprache von C. Schulze (Göttingen 1860), und Die deutschen Sprichwörter im Mittelalter, von Ignaz von Zingerle (Wien 1864). Beide Arbeiten sind von mir so benutzt, dass dem Besitzer des Deutschen Sprichwörter-Lexikon mittels der beiden Schriften, auf die ich sorgfältig verweise, der Weg ins Mittelhochdeutsche geöffnet ist. Wer ein Sprichwort bis auf seine in der vorneuhochdeutschen Literatur liegenden Quellen verfolgen und dessen ältere Form wie Entwickelunsgeschichte kennen lernen will, darf blos nachsehen, ob bei demselben auf Schulze oder Zingerle verwiesen ist. Der erstere weist es in den ältesten Lesarten mit steter Angabe der Quelle nach und führt es bis in die neuhochdeutsche Literatur fort. Der letztere führt es in einer mittelhochdeutschen Fassung mit sorgfältiger Angabe der Quelle auf.
Beide Arbeiten bilden einen wesentlichen Fortschritt in der Sprichwörterliteratur; der eine wie der andere der beiden Herren Verfasser ist von der Ansicht ausgegangen, dass mit Composition neuer Sprichwörtersammlungen aus den bereits vorhandenen seit Agricola genug geschehen, und dass es an der Zeit sei, unsere abgestorbene Sprichwörterliteratur durch neue Arbeiten zu beleben.
Was das letztere Werk, die Sprichwörter des Herrn Prof. Zingerle betrifft, so beziehe ich mich auf einen Artikel in den Blättern für literarische Unterhaltung für 1864 (Leipzig, Nr. 41, S. 760), wo der Weg angegeben wird, auf dem die Sprichwörter des Mittelalters in grösserer Vollständigkeit zu gewinnen sind. Selbstredend müssen die Sprichwörter erst gesammelt sein, bevor sie in der von mir eben angedeuteten Weise im neuhochdeutschen Sprichwörterschatz als Quellen aufgeführt werden können. Die Arbeit ist aber nicht so leicht, und es ist in der erwähnten Zeitschrift ganz derselbe Weg dafür bezeichnet, den ich für Gewinnung neuhochdeutscher Sprichwörter wiederholt angegeben habe – Ausbeute der Literatur. Es wird nun hier festzustellen sein, wo die neuhochdeutsche Zeit beginnt, das Mittelalter schliesst, und welche Schriftsteller namentlich in Betreff der Sprichwörterliteratur auszubeuten sind. Es ist dies aber wieder eine Arbeit für vereinte Kräfte, die sehr gut von einem Verein Studirender ausgeführt werden könnte, von denen jeder die Lesung einer dieser Schriften übernähme. Mone's Vorarbeiten (vgl. Blätter für literarische Unterhaltung, a. a. O.) wären zu benutzen. Dieser gibt in seinen Quellen und Forschungen (vgl. Quellenverzeichniss) an, dass sich im britannischen Sagenkreise etwas über 180 Sprichwörter gefunden, und zwar in den etwa 8000 Versen des Iwein 42, in den ungefähr 23000 des Parcival 37, in den 8000 Versen des Lancelot 44, in den 11700 Versen des Wigalois 60; in dem des französischen Sagenkreises nur 35, und zwar in den 4400 Versen des Otnis 5, in den 15000 Versen der Nibelungen 127. In ähnlicher Weise hat Mone das Heldenbuch und die Reimchronik in Bezug auf ihren sprichwörtlichen Inhalt durchgesehen und Angaben in Zahlen gemacht, die aber wol weit hinter der Wirklichkeit zurückbleiben; denn er sagt selbst, „dass er oft 10, 20 und mehr Verse für einen gezählt hat, wenngleich mehr Sprichwörter darin sind“. 1
1 Das genau bestimmte Zahlenverhältniss (nach J. Franck's revidirter Zählung) ist unter anderm für Rolandslied 17, für Flos 25, für Tristan 60, für Vrîberi 17, wobei auch die von Mone nicht gezählten sprichwörtlichen Redensarten, Anspielungen und Vergleiche mit begriffen sind. Für eine grosse Anzahl anderer von Mone a. a. O. nicht erwähnter Dichtungen stellen sich nach J. Franck die Zahlen allerdings geringer. So enthalten z. B. Hartmann von der Aue (Büsching); nur 3, Kutrun (Ziemann) 7, Krolewitz' Vater Unser (List) 9, Altdeutsche Schauspiele (Mone) 8, Konrad von Würzburg Otto 1, K. von Gasilau (Haupt's Zeitschrift, VIII, 3) 2, Deutsche Predigten des 12. und 13. Jahrhunderts (Roth) 2, Deutsche Predigten des 13. und 14. Jahrhunderts (Leyser) 2, Rudolf von Ems, Barlaam und Josaphat (Köpke) 12 Sprichwörter oder sprichwörtliche Redensarten.
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