Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.Nichts kann bequemer sein, besonders wenn beide Eheleute diese vernünftigen Grundsätze hegen; dies trifft sich freilich nicht immer, wer kann aber dafür, daß sich mit unter ein sentimentalischer Mann oder ein solches Mädchen verrechnen, und glauben einen Gegenstand gewählt zu haben, an des- sen Seite sie in traulicher zärtlicher Uebereinstim- mung durchs Leben gehen werden. Jst ein solches Geistwesen in diesem Wahn unvermuthet in die Arme eines Thierwesens gelaufen, welches sich ein paar Wochen nach der Hochzeit so kalt bezeigt und seinen eigenen Gang geht, ohne sich nach seiner zweiten Ehehälfte umzusehen, oder nach ihrem Kum- mer zu fragen -- dann wehe ihm, sagte Celestin, und ich sage, wer kann helfen, es muß nicht nach eines jeden Eigensinn gehen. Die Gemahlinn des Baron Treff wunderte sich im geringsten nicht, daß er Anschläge auf ihr Vermögen machte, aber ihre Sache war es, sie zu vernichten, und erst da sie dachte, die Vertraulich- keit desselben mit meiner Mutter könnte solche An- schläge auf irgend eine Art gefährlich machen, nahm sie diese Vertraulichkeit übel, wobei es ihr doch auch empfindlich sein mußte, sich von so einer schlechten Kreatur, wie sie selbige nannte, so aus- geschändet zu sehen. Der D 4
Nichts kann bequemer ſein, beſonders wenn beide Eheleute dieſe vernuͤnftigen Grundſaͤtze hegen; dies trifft ſich freilich nicht immer, wer kann aber dafuͤr, daß ſich mit unter ein ſentimentaliſcher Mann oder ein ſolches Maͤdchen verrechnen, und glauben einen Gegenſtand gewaͤhlt zu haben, an des- ſen Seite ſie in traulicher zaͤrtlicher Uebereinſtim- mung durchs Leben gehen werden. Jſt ein ſolches Geiſtweſen in dieſem Wahn unvermuthet in die Arme eines Thierweſens gelaufen, welches ſich ein paar Wochen nach der Hochzeit ſo kalt bezeigt und ſeinen eigenen Gang geht, ohne ſich nach ſeiner zweiten Ehehaͤlfte umzuſehen, oder nach ihrem Kum- mer zu fragen — dann wehe ihm, ſagte Celeſtin, und ich ſage, wer kann helfen, es muß nicht nach eines jeden Eigenſinn gehen. Die Gemahlinn des Baron Treff wunderte ſich im geringſten nicht, daß er Anſchlaͤge auf ihr Vermoͤgen machte, aber ihre Sache war es, ſie zu vernichten, und erſt da ſie dachte, die Vertraulich- keit deſſelben mit meiner Mutter koͤnnte ſolche An- ſchlaͤge auf irgend eine Art gefaͤhrlich machen, nahm ſie dieſe Vertraulichkeit uͤbel, wobei es ihr doch auch empfindlich ſein mußte, ſich von ſo einer ſchlechten Kreatur, wie ſie ſelbige nannte, ſo aus- geſchaͤndet zu ſehen. Der D 4
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Nichts kann bequemer ſein, beſonders wenn
beide Eheleute dieſe vernuͤnftigen Grundſaͤtze hegen;
dies trifft ſich freilich nicht immer, wer kann aber
dafuͤr, daß ſich mit unter ein ſentimentaliſcher
Mann oder ein ſolches Maͤdchen verrechnen, und
glauben einen Gegenſtand gewaͤhlt zu haben, an des-
ſen Seite ſie in traulicher zaͤrtlicher Uebereinſtim-
mung durchs Leben gehen werden. Jſt ein ſolches
Geiſtweſen in dieſem Wahn unvermuthet in die
Arme eines Thierweſens gelaufen, welches ſich ein
paar Wochen nach der Hochzeit ſo kalt bezeigt und
ſeinen eigenen Gang geht, ohne ſich nach ſeiner
zweiten Ehehaͤlfte umzuſehen, oder nach ihrem Kum-
mer zu fragen — dann wehe ihm, ſagte Celeſtin,
und ich ſage, wer kann helfen, es muß nicht nach
eines jeden Eigenſinn gehen.
Die Gemahlinn des Baron Treff wunderte
ſich im geringſten nicht, daß er Anſchlaͤge auf ihr
Vermoͤgen machte, aber ihre Sache war es, ſie zu
vernichten, und erſt da ſie dachte, die Vertraulich-
keit deſſelben mit meiner Mutter koͤnnte ſolche An-
ſchlaͤge auf irgend eine Art gefaͤhrlich machen, nahm
ſie dieſe Vertraulichkeit uͤbel, wobei es ihr doch
auch empfindlich ſein mußte, ſich von ſo einer
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Zitationshilfe: | Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/59>, abgerufen am 16.02.2025. |