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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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hat sagen lassen, im höchsten Grade. Der Leser ur-
theile selbst, ob ich nicht Ursach dazu habe.

"Jch danke jetzt dem lieben Gott, hat sie gesagt,
daß mein Sohn todt ist, denn lebte er, so würde ich
es für meine Pflicht halten, mich mit Schnitzern zu
verheirathen, um dem Kinde die Berechtigung ehe-
licher Geburt zu verschaffen. Jch würde aus diesem
Grunde keine Rücksicht auf mich nehmen, und an
der Hand eines Menschen von der weggeworfensten
Denkungsart ein jämmerliches Leben führen. Jetzt
aber, Herr Schulmeister, brauch ich das nicht, ich
bin meines erniedrigten Zustandes gewohnt worden,
habe dem, der ihn veranlaßte, verziehen, will aber
auch nichts mehr von ihm wissen und hören." Der
Schulmeister hat gesagt und betheuert, ich hätte
mich ganz geändert und würde noch besser werden,
wenn ich sie zum Vorbild hätte! Das hat sie aber
nicht glauben wollen, hat gemeint, es ließe sich allen-
falls behaupten, wenn ich blos flüchtige, ja leicht-
sinnige Jugendstreiche gemacht hätte, denn diese
würden meist bereut; allein ich wäre ein Bösewicht,
der mit der größten Ueberlegung, mit boßhafter Fer-
tigkeit gesündigt hätte.

Jch finde es auch grob vom Schulmeister, daß
er mir das alles so unverblümt wiedersagte. Zwar
thut ers in der Absicht, daß ich in mich gehn und
mich vom Herzen bekehren soll; aber was geht das
ihn an, er kann warten, bis ich ihn bitte, mein Ge-
wissensprediger zu werden. Und da er behauptet, die-
ses müßte nothwendig noch aufwachen, so kann er
das ja abwarten -- nein, so muß er mir nicht kom-
men!
hat ſagen laſſen, im hoͤchſten Grade. Der Leſer ur-
theile ſelbſt, ob ich nicht Urſach dazu habe.

„Jch danke jetzt dem lieben Gott, hat ſie geſagt,
daß mein Sohn todt iſt, denn lebte er, ſo wuͤrde ich
es fuͤr meine Pflicht halten, mich mit Schnitzern zu
verheirathen, um dem Kinde die Berechtigung ehe-
licher Geburt zu verſchaffen. Jch wuͤrde aus dieſem
Grunde keine Ruͤckſicht auf mich nehmen, und an
der Hand eines Menſchen von der weggeworfenſten
Denkungsart ein jaͤmmerliches Leben fuͤhren. Jetzt
aber, Herr Schulmeiſter, brauch ich das nicht, ich
bin meines erniedrigten Zuſtandes gewohnt worden,
habe dem, der ihn veranlaßte, verziehen, will aber
auch nichts mehr von ihm wiſſen und hoͤren.“ Der
Schulmeiſter hat geſagt und betheuert, ich haͤtte
mich ganz geaͤndert und wuͤrde noch beſſer werden,
wenn ich ſie zum Vorbild haͤtte! Das hat ſie aber
nicht glauben wollen, hat gemeint, es ließe ſich allen-
falls behaupten, wenn ich blos fluͤchtige, ja leicht-
ſinnige Jugendſtreiche gemacht haͤtte, denn dieſe
wuͤrden meiſt bereut; allein ich waͤre ein Boͤſewicht,
der mit der groͤßten Ueberlegung, mit boßhafter Fer-
tigkeit geſuͤndigt haͤtte.

Jch finde es auch grob vom Schulmeiſter, daß
er mir das alles ſo unverbluͤmt wiederſagte. Zwar
thut ers in der Abſicht, daß ich in mich gehn und
mich vom Herzen bekehren ſoll; aber was geht das
ihn an, er kann warten, bis ich ihn bitte, mein Ge-
wiſſensprediger zu werden. Und da er behauptet, die-
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das ja abwarten — nein, ſo muß er mir nicht kom-
men!
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[430/0434] hat ſagen laſſen, im hoͤchſten Grade. Der Leſer ur- theile ſelbſt, ob ich nicht Urſach dazu habe. „Jch danke jetzt dem lieben Gott, hat ſie geſagt, daß mein Sohn todt iſt, denn lebte er, ſo wuͤrde ich es fuͤr meine Pflicht halten, mich mit Schnitzern zu verheirathen, um dem Kinde die Berechtigung ehe- licher Geburt zu verſchaffen. Jch wuͤrde aus dieſem Grunde keine Ruͤckſicht auf mich nehmen, und an der Hand eines Menſchen von der weggeworfenſten Denkungsart ein jaͤmmerliches Leben fuͤhren. Jetzt aber, Herr Schulmeiſter, brauch ich das nicht, ich bin meines erniedrigten Zuſtandes gewohnt worden, habe dem, der ihn veranlaßte, verziehen, will aber auch nichts mehr von ihm wiſſen und hoͤren.“ Der Schulmeiſter hat geſagt und betheuert, ich haͤtte mich ganz geaͤndert und wuͤrde noch beſſer werden, wenn ich ſie zum Vorbild haͤtte! Das hat ſie aber nicht glauben wollen, hat gemeint, es ließe ſich allen- falls behaupten, wenn ich blos fluͤchtige, ja leicht- ſinnige Jugendſtreiche gemacht haͤtte, denn dieſe wuͤrden meiſt bereut; allein ich waͤre ein Boͤſewicht, der mit der groͤßten Ueberlegung, mit boßhafter Fer- tigkeit geſuͤndigt haͤtte. Jch finde es auch grob vom Schulmeiſter, daß er mir das alles ſo unverbluͤmt wiederſagte. Zwar thut ers in der Abſicht, daß ich in mich gehn und mich vom Herzen bekehren ſoll; aber was geht das ihn an, er kann warten, bis ich ihn bitte, mein Ge- wiſſensprediger zu werden. Und da er behauptet, die- ſes muͤßte nothwendig noch aufwachen, ſo kann er das ja abwarten — nein, ſo muß er mir nicht kom- men!

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/434>, abgerufen am 24.11.2024.