Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
Allein ich weis nicht wie ichs anfangen
soll, um Dorchen zu werben, schrich ich ihr, und
sie gäbe mir abschlägliche Antwort, so würde michs
verdrüßen, noch ärgerlicher wäre es, wenn ich
selbst hinreiste, und abgewiesen würde, denn ich
bin durch nichts, was mir begegnet ist, gedemü-
thigt worden, und bilde mir noch immer ein, in
allem, was ich gethan habe, recht gehabt zu ha-
ben, wenigstens schätze ich mich deshalb doch noch
immer für einen Menschen, der nichts gutes zu
thun braucht, um geachtet zu werden. Jch bins
ja, dieses Jch, den die Mutter vom ersten Au-
genblick an wie ein Wesen von besonderer Wichtig-
keit behandelte, als ein solches, das, ohne selbst
etwas zu leisten, auf alles in der Welt ein Recht hat
und jederzeit darf, was andre nicht dürfen. Da-
her bin ich auch sehr empfindlich, wenn man mich
beleidigt, ich wundere mich über die Nachsicht,
welche ich mit ihrem beständigen Tadel habe, wahr-
haftig, Herr Nachbar, sie können sich eines be-
sondern Vorzugs in diesem Stück rühmen.

Also sehen sie, stößt sichs nur daran, daß ich
nicht weiß, wie Dorothea Müllerinn es aufnehmen
würde, wenn ich ihr jetzt einmal meine Hand
antrüge.

Lassen sie mich sorgen, rief der Schulmeister
ganz erfreut aus, wenn es ihr ernstlicher Wille ist,
so will ich Freiwerber sein, ich reise Morgen ab,
und stehe dafür, daß ich sie berede -- Nun, wol-
len sie?

Mei-
Allein ich weis nicht wie ichs anfangen
ſoll, um Dorchen zu werben, ſchrich ich ihr, und
ſie gaͤbe mir abſchlaͤgliche Antwort, ſo wuͤrde michs
verdruͤßen, noch aͤrgerlicher waͤre es, wenn ich
ſelbſt hinreiſte, und abgewieſen wuͤrde, denn ich
bin durch nichts, was mir begegnet iſt, gedemuͤ-
thigt worden, und bilde mir noch immer ein, in
allem, was ich gethan habe, recht gehabt zu ha-
ben, wenigſtens ſchaͤtze ich mich deshalb doch noch
immer fuͤr einen Menſchen, der nichts gutes zu
thun braucht, um geachtet zu werden. Jch bins
ja, dieſes Jch, den die Mutter vom erſten Au-
genblick an wie ein Weſen von beſonderer Wichtig-
keit behandelte, als ein ſolches, das, ohne ſelbſt
etwas zu leiſten, auf alles in der Welt ein Recht hat
und jederzeit darf, was andre nicht duͤrfen. Da-
her bin ich auch ſehr empfindlich, wenn man mich
beleidigt, ich wundere mich uͤber die Nachſicht,
welche ich mit ihrem beſtaͤndigen Tadel habe, wahr-
haftig, Herr Nachbar, ſie koͤnnen ſich eines be-
ſondern Vorzugs in dieſem Stuͤck ruͤhmen.

Alſo ſehen ſie, ſtoͤßt ſichs nur daran, daß ich
nicht weiß, wie Dorothea Muͤllerinn es aufnehmen
wuͤrde, wenn ich ihr jetzt einmal meine Hand
antruͤge.

Laſſen ſie mich ſorgen, rief der Schulmeiſter
ganz erfreut aus, wenn es ihr ernſtlicher Wille iſt,
ſo will ich Freiwerber ſein, ich reiſe Morgen ab,
und ſtehe dafuͤr, daß ich ſie berede — Nun, wol-
len ſie?

Mei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#STA">
          <pb facs="#f0366" n="362"/>
          <p>Allein ich weis nicht wie ichs anfangen<lb/>
&#x017F;oll, um Dorchen zu werben, &#x017F;chrich ich ihr, und<lb/>
&#x017F;ie ga&#x0364;be mir ab&#x017F;chla&#x0364;gliche Antwort, &#x017F;o wu&#x0364;rde michs<lb/>
verdru&#x0364;ßen, noch a&#x0364;rgerlicher wa&#x0364;re es, wenn ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t hinrei&#x017F;te, und abgewie&#x017F;en wu&#x0364;rde, denn ich<lb/>
bin durch nichts, was mir begegnet i&#x017F;t, gedemu&#x0364;-<lb/>
thigt worden, und bilde mir noch immer ein, in<lb/>
allem, was ich gethan habe, recht gehabt zu ha-<lb/>
ben, wenig&#x017F;tens &#x017F;cha&#x0364;tze ich mich deshalb doch noch<lb/>
immer fu&#x0364;r einen Men&#x017F;chen, der nichts gutes zu<lb/>
thun braucht, um geachtet zu werden. <hi rendition="#g">Jch</hi> bins<lb/>
ja, die&#x017F;es <hi rendition="#g">Jch,</hi> den die Mutter vom er&#x017F;ten Au-<lb/>
genblick an wie ein We&#x017F;en von be&#x017F;onderer Wichtig-<lb/>
keit behandelte, als ein &#x017F;olches, das, ohne &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
etwas zu lei&#x017F;ten, auf alles in der Welt ein Recht hat<lb/>
und jederzeit darf, was andre nicht du&#x0364;rfen. Da-<lb/>
her bin ich auch &#x017F;ehr empfindlich, wenn man mich<lb/>
beleidigt, ich wundere mich u&#x0364;ber die Nach&#x017F;icht,<lb/>
welche ich mit ihrem be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Tadel habe, wahr-<lb/>
haftig, Herr Nachbar, &#x017F;ie ko&#x0364;nnen &#x017F;ich eines be-<lb/>
&#x017F;ondern Vorzugs in die&#x017F;em Stu&#x0364;ck ru&#x0364;hmen.</p><lb/>
          <p>Al&#x017F;o &#x017F;ehen &#x017F;ie, &#x017F;to&#x0364;ßt &#x017F;ichs nur daran, daß ich<lb/>
nicht weiß, wie Dorothea Mu&#x0364;llerinn es aufnehmen<lb/>
wu&#x0364;rde, wenn ich ihr jetzt einmal meine Hand<lb/>
antru&#x0364;ge.</p><lb/>
          <p>La&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie mich &#x017F;orgen, rief der Schulmei&#x017F;ter<lb/>
ganz erfreut aus, wenn es ihr ern&#x017F;tlicher Wille i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o will ich Freiwerber &#x017F;ein, ich rei&#x017F;e Morgen ab,<lb/>
und &#x017F;tehe dafu&#x0364;r, daß ich &#x017F;ie berede &#x2014; Nun, wol-<lb/>
len &#x017F;ie?</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Mei-</fw><lb/>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[362/0366] Allein ich weis nicht wie ichs anfangen ſoll, um Dorchen zu werben, ſchrich ich ihr, und ſie gaͤbe mir abſchlaͤgliche Antwort, ſo wuͤrde michs verdruͤßen, noch aͤrgerlicher waͤre es, wenn ich ſelbſt hinreiſte, und abgewieſen wuͤrde, denn ich bin durch nichts, was mir begegnet iſt, gedemuͤ- thigt worden, und bilde mir noch immer ein, in allem, was ich gethan habe, recht gehabt zu ha- ben, wenigſtens ſchaͤtze ich mich deshalb doch noch immer fuͤr einen Menſchen, der nichts gutes zu thun braucht, um geachtet zu werden. Jch bins ja, dieſes Jch, den die Mutter vom erſten Au- genblick an wie ein Weſen von beſonderer Wichtig- keit behandelte, als ein ſolches, das, ohne ſelbſt etwas zu leiſten, auf alles in der Welt ein Recht hat und jederzeit darf, was andre nicht duͤrfen. Da- her bin ich auch ſehr empfindlich, wenn man mich beleidigt, ich wundere mich uͤber die Nachſicht, welche ich mit ihrem beſtaͤndigen Tadel habe, wahr- haftig, Herr Nachbar, ſie koͤnnen ſich eines be- ſondern Vorzugs in dieſem Stuͤck ruͤhmen. Alſo ſehen ſie, ſtoͤßt ſichs nur daran, daß ich nicht weiß, wie Dorothea Muͤllerinn es aufnehmen wuͤrde, wenn ich ihr jetzt einmal meine Hand antruͤge. Laſſen ſie mich ſorgen, rief der Schulmeiſter ganz erfreut aus, wenn es ihr ernſtlicher Wille iſt, ſo will ich Freiwerber ſein, ich reiſe Morgen ab, und ſtehe dafuͤr, daß ich ſie berede — Nun, wol- len ſie? Mei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/366
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/366>, abgerufen am 23.06.2024.