Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Uebelbefindens vergrößerte, die Wahrheit von mei-
nem Arzt selbst wissen wollen, welcher sie denn mit
der Nachricht, daß ich mich nicht abfiuden würden,
so gewaltig erschreckt hätte. Dies und ihr frostiges-
vorwurfsvolles und gebietherisches Billet habe mir
den Sieg über die Verzweiflung, in die mich der
Bericht ihrer Untreue und ihrer eigentlichen Den-
kungsart anfangs gestürzt, erleichtert, und nun
hätte ich weiter nichts zu sagen, als daß ich zwar
nächstens ausgehen, aber sie nicht wieder sehen
würde, sie sollte also immer auf Versöhnung mit
ihrem vorigen Freier, der ihr doch so nicht fremd
wäre, denken, u. s. w.

Diese Epistel war auf zwei vollen Bogen aus-
geführt; Klaus, dem ich sie vorlas, bewunderte
meine Fertigkeit in Lügen in din der Verstellung. Er
säumte nicht sie an die Behörde zu bringen, und
ich ging den Tag darauf aus, um, wie der Leser
schon gesehen hat, die von Klausen gerühmten Ta-
lente beim Professor Knapp in Uebung zu setzen.

Seitdem war ich wenig zu Hause, auch ver-
gingen nicht nur Tage, sondern Wochen, ehe ich
von Dorotheen etwas näheres erfuhr, als daß sie
nicht körperlich krank, sondern in einer Gemüths-
verfassung sei, die ihrer guten Tante bange für sie
machte. Die letzte schien diesen traurigen Zustand
zu theilen, sie ginge selbst nicht aus, und ließe
jeden Besuch von Bekannten, ja von den besten
Freunden verbitten.

Es wird sich also kein Dorchen mehr bei mir
melden, dachte ich, da ich dies hörte, sie wird mit

ihrer
Z 2

Uebelbefindens vergroͤßerte, die Wahrheit von mei-
nem Arzt ſelbſt wiſſen wollen, welcher ſie denn mit
der Nachricht, daß ich mich nicht abfiuden wuͤrden,
ſo gewaltig erſchreckt haͤtte. Dies und ihr froſtiges-
vorwurfsvolles und gebietheriſches Billet habe mir
den Sieg uͤber die Verzweiflung, in die mich der
Bericht ihrer Untreue und ihrer eigentlichen Den-
kungsart anfangs geſtuͤrzt, erleichtert, und nun
haͤtte ich weiter nichts zu ſagen, als daß ich zwar
naͤchſtens ausgehen, aber ſie nicht wieder ſehen
wuͤrde, ſie ſollte alſo immer auf Verſoͤhnung mit
ihrem vorigen Freier, der ihr doch ſo nicht fremd
waͤre, denken, u. ſ. w.

Dieſe Epiſtel war auf zwei vollen Bogen aus-
gefuͤhrt; Klaus, dem ich ſie vorlas, bewunderte
meine Fertigkeit in Luͤgen in din der Verſtellung. Er
ſaͤumte nicht ſie an die Behoͤrde zu bringen, und
ich ging den Tag darauf aus, um, wie der Leſer
ſchon geſehen hat, die von Klauſen geruͤhmten Ta-
lente beim Profeſſor Knapp in Uebung zu ſetzen.

Seitdem war ich wenig zu Hauſe, auch ver-
gingen nicht nur Tage, ſondern Wochen, ehe ich
von Dorotheen etwas naͤheres erfuhr, als daß ſie
nicht koͤrperlich krank, ſondern in einer Gemuͤths-
verfaſſung ſei, die ihrer guten Tante bange fuͤr ſie
machte. Die letzte ſchien dieſen traurigen Zuſtand
zu theilen, ſie ginge ſelbſt nicht aus, und ließe
jeden Beſuch von Bekannten, ja von den beſten
Freunden verbitten.

Es wird ſich alſo kein Dorchen mehr bei mir
melden, dachte ich, da ich dies hoͤrte, ſie wird mit

ihrer
Z 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0359" n="355"/>
Uebelbefindens vergro&#x0364;ßerte, die Wahrheit von mei-<lb/>
nem Arzt &#x017F;elb&#x017F;t wi&#x017F;&#x017F;en wollen, welcher &#x017F;ie denn mit<lb/>
der Nachricht, daß ich mich nicht abfiuden wu&#x0364;rden,<lb/>
&#x017F;o gewaltig er&#x017F;chreckt ha&#x0364;tte. Dies und ihr fro&#x017F;tiges-<lb/>
vorwurfsvolles und gebietheri&#x017F;ches Billet habe mir<lb/>
den Sieg u&#x0364;ber die Verzweiflung, in die mich der<lb/>
Bericht ihrer Untreue und ihrer eigentlichen Den-<lb/>
kungsart anfangs ge&#x017F;tu&#x0364;rzt, erleichtert, und nun<lb/>
ha&#x0364;tte ich weiter nichts zu &#x017F;agen, als daß ich zwar<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;tens ausgehen, aber &#x017F;ie nicht wieder &#x017F;ehen<lb/>
wu&#x0364;rde, &#x017F;ie &#x017F;ollte al&#x017F;o immer auf Ver&#x017F;o&#x0364;hnung mit<lb/>
ihrem vorigen Freier, der ihr doch &#x017F;o nicht fremd<lb/>
wa&#x0364;re, denken, u. &#x017F;. w.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Epi&#x017F;tel war auf zwei vollen Bogen aus-<lb/>
gefu&#x0364;hrt; Klaus, dem ich &#x017F;ie vorlas, bewunderte<lb/>
meine Fertigkeit in Lu&#x0364;gen in din der Ver&#x017F;tellung. Er<lb/>
&#x017F;a&#x0364;umte nicht &#x017F;ie an die Beho&#x0364;rde zu bringen, und<lb/>
ich ging den Tag darauf aus, um, wie der Le&#x017F;er<lb/>
&#x017F;chon ge&#x017F;ehen hat, die von Klau&#x017F;en geru&#x0364;hmten Ta-<lb/>
lente beim Profe&#x017F;&#x017F;or Knapp in Uebung zu &#x017F;etzen.</p><lb/>
        <p>Seitdem war ich wenig zu Hau&#x017F;e, auch ver-<lb/>
gingen nicht nur Tage, &#x017F;ondern Wochen, ehe ich<lb/>
von Dorotheen etwas na&#x0364;heres erfuhr, als daß &#x017F;ie<lb/>
nicht ko&#x0364;rperlich krank, &#x017F;ondern in einer Gemu&#x0364;ths-<lb/>
verfa&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;ei, die ihrer guten Tante bange fu&#x0364;r &#x017F;ie<lb/>
machte. Die letzte &#x017F;chien die&#x017F;en traurigen Zu&#x017F;tand<lb/>
zu theilen, &#x017F;ie ginge &#x017F;elb&#x017F;t nicht aus, und ließe<lb/>
jeden Be&#x017F;uch von Bekannten, ja von den be&#x017F;ten<lb/>
Freunden verbitten.</p><lb/>
        <p>Es wird &#x017F;ich al&#x017F;o kein Dorchen mehr bei mir<lb/>
melden, dachte ich, da ich dies ho&#x0364;rte, &#x017F;ie wird mit<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ihrer</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[355/0359] Uebelbefindens vergroͤßerte, die Wahrheit von mei- nem Arzt ſelbſt wiſſen wollen, welcher ſie denn mit der Nachricht, daß ich mich nicht abfiuden wuͤrden, ſo gewaltig erſchreckt haͤtte. Dies und ihr froſtiges- vorwurfsvolles und gebietheriſches Billet habe mir den Sieg uͤber die Verzweiflung, in die mich der Bericht ihrer Untreue und ihrer eigentlichen Den- kungsart anfangs geſtuͤrzt, erleichtert, und nun haͤtte ich weiter nichts zu ſagen, als daß ich zwar naͤchſtens ausgehen, aber ſie nicht wieder ſehen wuͤrde, ſie ſollte alſo immer auf Verſoͤhnung mit ihrem vorigen Freier, der ihr doch ſo nicht fremd waͤre, denken, u. ſ. w. Dieſe Epiſtel war auf zwei vollen Bogen aus- gefuͤhrt; Klaus, dem ich ſie vorlas, bewunderte meine Fertigkeit in Luͤgen in din der Verſtellung. Er ſaͤumte nicht ſie an die Behoͤrde zu bringen, und ich ging den Tag darauf aus, um, wie der Leſer ſchon geſehen hat, die von Klauſen geruͤhmten Ta- lente beim Profeſſor Knapp in Uebung zu ſetzen. Seitdem war ich wenig zu Hauſe, auch ver- gingen nicht nur Tage, ſondern Wochen, ehe ich von Dorotheen etwas naͤheres erfuhr, als daß ſie nicht koͤrperlich krank, ſondern in einer Gemuͤths- verfaſſung ſei, die ihrer guten Tante bange fuͤr ſie machte. Die letzte ſchien dieſen traurigen Zuſtand zu theilen, ſie ginge ſelbſt nicht aus, und ließe jeden Beſuch von Bekannten, ja von den beſten Freunden verbitten. Es wird ſich alſo kein Dorchen mehr bei mir melden, dachte ich, da ich dies hoͤrte, ſie wird mit ihrer Z 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/359
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/359>, abgerufen am 23.11.2024.