Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

daher nöthig krank zu werden, welches mich auch
von weitern Besuchen bei Madam Starkinn frei
sprach. Dort hatte ich nichts mehr zu thun, nicht
daß ich Dorchens Umarmung und die Scene im
Waldhaus widrig gefunden hätte, ich würde viel-
mehr dieses Vergnügen mit allem, was ich nach
unserer Anstalt nächstens besitzen würde, erkauft
haben, allein ich hatte jede Hoffnung verloren, je
nur einen Augenblick mit dem abgeschreckten Täub-
chen allein zu sein, es war mir mehr als zu gewiß,
daß sie sich für eine solche Vergünstigung hüthen,
und wenn sie sich auch von ohngefähr biethen soll-
te, doch unerbittlich sein, und mit Ernst auch die
kleinste Gunst verweigern würde; was sollte ich also
die Verstellung weiter fortsetzen, da ich ohnehin
keine Zeit darauf zu verwenden übrig hatte.

Jch mußte also mit dem vorwillen nehmen,
was ich genossen hatte, und Dorotheen dem Schick-
sal und der Nothwendigkeit mich zu vergessen, über-
lassen. Und so bitte ich den Leser, sie, die Betro-
gene zu vergessen, bis ich ihrer gelegentlich wieder
gedenken werde, er verschiebe bis dahin sein Mit-
leiden mit dem armen Mädchen, zu dem ich ihm
durch die weitern Nachrichten von ihr mehr Stoff
geben werde, als er glaubt, und denke sich indessen

ihren

daher noͤthig krank zu werden, welches mich auch
von weitern Beſuchen bei Madam Starkinn frei
ſprach. Dort hatte ich nichts mehr zu thun, nicht
daß ich Dorchens Umarmung und die Scene im
Waldhaus widrig gefunden haͤtte, ich wuͤrde viel-
mehr dieſes Vergnuͤgen mit allem, was ich nach
unſerer Anſtalt naͤchſtens beſitzen wuͤrde, erkauft
haben, allein ich hatte jede Hoffnung verloren, je
nur einen Augenblick mit dem abgeſchreckten Taͤub-
chen allein zu ſein, es war mir mehr als zu gewiß,
daß ſie ſich fuͤr eine ſolche Verguͤnſtigung huͤthen,
und wenn ſie ſich auch von ohngefaͤhr biethen ſoll-
te, doch unerbittlich ſein, und mit Ernſt auch die
kleinſte Gunſt verweigern wuͤrde; was ſollte ich alſo
die Verſtellung weiter fortſetzen, da ich ohnehin
keine Zeit darauf zu verwenden uͤbrig hatte.

Jch mußte alſo mit dem vorwillen nehmen,
was ich genoſſen hatte, und Dorotheen dem Schick-
ſal und der Nothwendigkeit mich zu vergeſſen, uͤber-
laſſen. Und ſo bitte ich den Leſer, ſie, die Betro-
gene zu vergeſſen, bis ich ihrer gelegentlich wieder
gedenken werde, er verſchiebe bis dahin ſein Mit-
leiden mit dem armen Maͤdchen, zu dem ich ihm
durch die weitern Nachrichten von ihr mehr Stoff
geben werde, als er glaubt, und denke ſich indeſſen

ihren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0332" n="328"/>
daher no&#x0364;thig krank zu werden, welches mich auch<lb/>
von weitern Be&#x017F;uchen bei Madam Starkinn frei<lb/>
&#x017F;prach. Dort hatte ich nichts mehr zu thun, nicht<lb/>
daß ich Dorchens Umarmung und die Scene im<lb/>
Waldhaus widrig gefunden ha&#x0364;tte, ich wu&#x0364;rde viel-<lb/>
mehr die&#x017F;es Vergnu&#x0364;gen mit allem, was ich nach<lb/>
un&#x017F;erer An&#x017F;talt na&#x0364;ch&#x017F;tens be&#x017F;itzen wu&#x0364;rde, erkauft<lb/>
haben, allein ich hatte jede Hoffnung verloren, je<lb/>
nur einen Augenblick mit dem abge&#x017F;chreckten Ta&#x0364;ub-<lb/>
chen allein zu &#x017F;ein, es war mir mehr als zu gewiß,<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;ich fu&#x0364;r eine &#x017F;olche Vergu&#x0364;n&#x017F;tigung hu&#x0364;then,<lb/>
und wenn &#x017F;ie &#x017F;ich auch von ohngefa&#x0364;hr biethen &#x017F;oll-<lb/>
te, doch unerbittlich &#x017F;ein, und mit Ern&#x017F;t auch die<lb/>
klein&#x017F;te Gun&#x017F;t verweigern wu&#x0364;rde; was &#x017F;ollte ich al&#x017F;o<lb/>
die Ver&#x017F;tellung weiter fort&#x017F;etzen, da ich ohnehin<lb/>
keine Zeit darauf zu verwenden u&#x0364;brig hatte.</p><lb/>
        <p>Jch mußte al&#x017F;o mit dem vorwillen nehmen,<lb/>
was ich geno&#x017F;&#x017F;en hatte, und Dorotheen dem Schick-<lb/>
&#x017F;al und der Nothwendigkeit mich zu verge&#x017F;&#x017F;en, u&#x0364;ber-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Und &#x017F;o bitte ich den Le&#x017F;er, &#x017F;ie, die Betro-<lb/>
gene zu verge&#x017F;&#x017F;en, bis ich ihrer gelegentlich wieder<lb/>
gedenken werde, er ver&#x017F;chiebe bis dahin &#x017F;ein Mit-<lb/>
leiden mit dem armen Ma&#x0364;dchen, zu dem ich ihm<lb/>
durch die weitern Nachrichten von ihr mehr Stoff<lb/>
geben werde, als er glaubt, und denke &#x017F;ich inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihren</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[328/0332] daher noͤthig krank zu werden, welches mich auch von weitern Beſuchen bei Madam Starkinn frei ſprach. Dort hatte ich nichts mehr zu thun, nicht daß ich Dorchens Umarmung und die Scene im Waldhaus widrig gefunden haͤtte, ich wuͤrde viel- mehr dieſes Vergnuͤgen mit allem, was ich nach unſerer Anſtalt naͤchſtens beſitzen wuͤrde, erkauft haben, allein ich hatte jede Hoffnung verloren, je nur einen Augenblick mit dem abgeſchreckten Taͤub- chen allein zu ſein, es war mir mehr als zu gewiß, daß ſie ſich fuͤr eine ſolche Verguͤnſtigung huͤthen, und wenn ſie ſich auch von ohngefaͤhr biethen ſoll- te, doch unerbittlich ſein, und mit Ernſt auch die kleinſte Gunſt verweigern wuͤrde; was ſollte ich alſo die Verſtellung weiter fortſetzen, da ich ohnehin keine Zeit darauf zu verwenden uͤbrig hatte. Jch mußte alſo mit dem vorwillen nehmen, was ich genoſſen hatte, und Dorotheen dem Schick- ſal und der Nothwendigkeit mich zu vergeſſen, uͤber- laſſen. Und ſo bitte ich den Leſer, ſie, die Betro- gene zu vergeſſen, bis ich ihrer gelegentlich wieder gedenken werde, er verſchiebe bis dahin ſein Mit- leiden mit dem armen Maͤdchen, zu dem ich ihm durch die weitern Nachrichten von ihr mehr Stoff geben werde, als er glaubt, und denke ſich indeſſen ihren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/332
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/332>, abgerufen am 01.06.2024.