Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Dort reichte sie ihm ein Goldstück als Zehr-
pfennig, und zwar wollte sie ihn gern damit unter-
stützen, er möchte nun würklich ihr Bruder sein
oder nicht. Da sie aber einen stolzen Barbaren
zum Manne hätte, der ihn am wenigsten als Bru-
der hier dulden würde, so rieth sie ihm, sich doch
ja sogleich fortzumachen, denn erführe er, daß dies
nicht geschehen, und der Soldat, welcher ohne
Zweifel ein Deserteur wäre, sich noch im Dorfe
oder auch in der Nähe aufhielt, so ließ er ihn ge-
wiß sogleich arretiren!

Was sollte nun Friedrich thun, die Gefahr,
wovor ihn seine Schwester warnte, war sehr wahr-
scheinlich, besonders da er nicht zweifeln konnte,
daß sie selbst dafür sorgen würde, ihn hinein zu
ziehen. Er gab also den Umständen nach, und ver-
sprach, ohne weiter mit jemand im Dorfe zu spre-
chen, oder es in der Gegend auszubreiten, daß sie
seine Schwester sei, abzureisen, wenn sie ihre Gabe
noch durch etliche Goldstücke vermehrte. Um aus
dem Verdruß zu kommen, erfüllte sie diese Bedin-
gung, setzte aber hinzu, daß es für Zeitlebens nichts
weiter setzte, darauf sollte er ja rechnen, und sich
nur gleich aus dem Staube machen.

Friedrich hielt sein Wort nicht ganz pünktlich,
er blieb über Nacht bei einem Bauer, der ihn ins-

geheim

Dort reichte ſie ihm ein Goldſtuͤck als Zehr-
pfennig, und zwar wollte ſie ihn gern damit unter-
ſtuͤtzen, er moͤchte nun wuͤrklich ihr Bruder ſein
oder nicht. Da ſie aber einen ſtolzen Barbaren
zum Manne haͤtte, der ihn am wenigſten als Bru-
der hier dulden wuͤrde, ſo rieth ſie ihm, ſich doch
ja ſogleich fortzumachen, denn erfuͤhre er, daß dies
nicht geſchehen, und der Soldat, welcher ohne
Zweifel ein Deſerteur waͤre, ſich noch im Dorfe
oder auch in der Naͤhe aufhielt, ſo ließ er ihn ge-
wiß ſogleich arretiren!

Was ſollte nun Friedrich thun, die Gefahr,
wovor ihn ſeine Schweſter warnte, war ſehr wahr-
ſcheinlich, beſonders da er nicht zweifeln konnte,
daß ſie ſelbſt dafuͤr ſorgen wuͤrde, ihn hinein zu
ziehen. Er gab alſo den Umſtaͤnden nach, und ver-
ſprach, ohne weiter mit jemand im Dorfe zu ſpre-
chen, oder es in der Gegend auszubreiten, daß ſie
ſeine Schweſter ſei, abzureiſen, wenn ſie ihre Gabe
noch durch etliche Goldſtuͤcke vermehrte. Um aus
dem Verdruß zu kommen, erfuͤllte ſie dieſe Bedin-
gung, ſetzte aber hinzu, daß es fuͤr Zeitlebens nichts
weiter ſetzte, darauf ſollte er ja rechnen, und ſich
nur gleich aus dem Staube machen.

Friedrich hielt ſein Wort nicht ganz puͤnktlich,
er blieb uͤber Nacht bei einem Bauer, der ihn ins-

geheim
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0292" n="288"/>
        <p>Dort reichte &#x017F;ie ihm ein Gold&#x017F;tu&#x0364;ck als Zehr-<lb/>
pfennig, und zwar wollte &#x017F;ie ihn gern damit unter-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;tzen, er mo&#x0364;chte nun wu&#x0364;rklich ihr Bruder &#x017F;ein<lb/>
oder nicht. Da &#x017F;ie aber einen &#x017F;tolzen Barbaren<lb/>
zum Manne ha&#x0364;tte, der ihn am wenig&#x017F;ten als Bru-<lb/>
der hier dulden wu&#x0364;rde, &#x017F;o rieth &#x017F;ie ihm, &#x017F;ich doch<lb/>
ja &#x017F;ogleich fortzumachen, denn erfu&#x0364;hre er, daß dies<lb/>
nicht ge&#x017F;chehen, und der Soldat, welcher ohne<lb/>
Zweifel ein De&#x017F;erteur wa&#x0364;re, &#x017F;ich noch im Dorfe<lb/>
oder auch in der Na&#x0364;he aufhielt, &#x017F;o ließ er ihn ge-<lb/>
wiß &#x017F;ogleich arretiren!</p><lb/>
        <p>Was &#x017F;ollte nun Friedrich thun, die Gefahr,<lb/>
wovor ihn &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter warnte, war &#x017F;ehr wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich, be&#x017F;onders da er nicht zweifeln konnte,<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t dafu&#x0364;r &#x017F;orgen wu&#x0364;rde, ihn hinein zu<lb/>
ziehen. Er gab al&#x017F;o den Um&#x017F;ta&#x0364;nden nach, und ver-<lb/>
&#x017F;prach, ohne weiter mit jemand im Dorfe zu &#x017F;pre-<lb/>
chen, oder es in der Gegend auszubreiten, daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;eine Schwe&#x017F;ter &#x017F;ei, abzurei&#x017F;en, wenn &#x017F;ie ihre Gabe<lb/>
noch durch etliche Gold&#x017F;tu&#x0364;cke vermehrte. Um aus<lb/>
dem Verdruß zu kommen, erfu&#x0364;llte &#x017F;ie die&#x017F;e Bedin-<lb/>
gung, &#x017F;etzte aber hinzu, daß es fu&#x0364;r Zeitlebens nichts<lb/>
weiter &#x017F;etzte, darauf &#x017F;ollte er ja rechnen, und &#x017F;ich<lb/>
nur gleich aus dem Staube machen.</p><lb/>
        <p>Friedrich hielt &#x017F;ein Wort nicht ganz pu&#x0364;nktlich,<lb/>
er blieb u&#x0364;ber Nacht bei einem Bauer, der ihn ins-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">geheim</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288/0292] Dort reichte ſie ihm ein Goldſtuͤck als Zehr- pfennig, und zwar wollte ſie ihn gern damit unter- ſtuͤtzen, er moͤchte nun wuͤrklich ihr Bruder ſein oder nicht. Da ſie aber einen ſtolzen Barbaren zum Manne haͤtte, der ihn am wenigſten als Bru- der hier dulden wuͤrde, ſo rieth ſie ihm, ſich doch ja ſogleich fortzumachen, denn erfuͤhre er, daß dies nicht geſchehen, und der Soldat, welcher ohne Zweifel ein Deſerteur waͤre, ſich noch im Dorfe oder auch in der Naͤhe aufhielt, ſo ließ er ihn ge- wiß ſogleich arretiren! Was ſollte nun Friedrich thun, die Gefahr, wovor ihn ſeine Schweſter warnte, war ſehr wahr- ſcheinlich, beſonders da er nicht zweifeln konnte, daß ſie ſelbſt dafuͤr ſorgen wuͤrde, ihn hinein zu ziehen. Er gab alſo den Umſtaͤnden nach, und ver- ſprach, ohne weiter mit jemand im Dorfe zu ſpre- chen, oder es in der Gegend auszubreiten, daß ſie ſeine Schweſter ſei, abzureiſen, wenn ſie ihre Gabe noch durch etliche Goldſtuͤcke vermehrte. Um aus dem Verdruß zu kommen, erfuͤllte ſie dieſe Bedin- gung, ſetzte aber hinzu, daß es fuͤr Zeitlebens nichts weiter ſetzte, darauf ſollte er ja rechnen, und ſich nur gleich aus dem Staube machen. Friedrich hielt ſein Wort nicht ganz puͤnktlich, er blieb uͤber Nacht bei einem Bauer, der ihn ins- geheim

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/292
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/292>, abgerufen am 01.07.2024.