zu zeigen, auf dem allerdings noch Striemen zu sehen waren.
Meine Mutter ward fast ohnmächtig, doch sie kam bald wieder zu sich, um Rache über den Mann zu schreien, der mich so zugerichtet hatte, und um Pflege und Erquickung für mich zu besorgen. Nach- dem ich zu Bette gebracht war, und mich ein we- nig getrösiet gestellt hatte, forderte ich zu essen und zu trinken, das Beste, was im Vorrath war, mußte nun herbei gebracht werden, ich ließ es mir vor- trefflich schmecken, und schlief dann auf meine starke Bewegung so fest und sanft, daß ich sehr spät am Vormittag erwachte; ich wäre vielleicht noch nicht erwacht, wenn nicht zwei schreiende Stimmen mit- ten durch die goldnen Thore des Pflegers Morpheus gedrungen wären, und mich aus seinen Armen ge- rissen hätten.
Der Mann, bei welchem ich in Pension war, hatte nicht sobald vernommen, daß ich die Flucht ergriffen, als er zu Haus- und Stadtuntersuchung schritt; da beides fruchtlos war, und er nicht arg- wöhnen konnte, daß ein Muttersöhnchen sich etwa gar aus Verzweiflung ins Wasser gestürzt haben soll- te, war seiner Meinung nach nichts gewisser, als daß ich nach Hause gelaufen sein würde; er wollte nun sehen, ob ich glücklich angelangt set, und da er zugleich
die
zu zeigen, auf dem allerdings noch Striemen zu ſehen waren.
Meine Mutter ward faſt ohnmaͤchtig, doch ſie kam bald wieder zu ſich, um Rache uͤber den Mann zu ſchreien, der mich ſo zugerichtet hatte, und um Pflege und Erquickung fuͤr mich zu beſorgen. Nach- dem ich zu Bette gebracht war, und mich ein we- nig getroͤſiet geſtellt hatte, forderte ich zu eſſen und zu trinken, das Beſte, was im Vorrath war, mußte nun herbei gebracht werden, ich ließ es mir vor- trefflich ſchmecken, und ſchlief dann auf meine ſtarke Bewegung ſo feſt und ſanft, daß ich ſehr ſpaͤt am Vormittag erwachte; ich waͤre vielleicht noch nicht erwacht, wenn nicht zwei ſchreiende Stimmen mit- ten durch die goldnen Thore des Pflegers Morpheus gedrungen waͤren, und mich aus ſeinen Armen ge- riſſen haͤtten.
Der Mann, bei welchem ich in Penſion war, hatte nicht ſobald vernommen, daß ich die Flucht ergriffen, als er zu Haus- und Stadtunterſuchung ſchritt; da beides fruchtlos war, und er nicht arg- woͤhnen konnte, daß ein Mutterſoͤhnchen ſich etwa gar aus Verzweiflung ins Waſſer geſtuͤrzt haben ſoll- te, war ſeiner Meinung nach nichts gewiſſer, als daß ich nach Hauſe gelaufen ſein wuͤrde; er wollte nun ſehen, ob ich gluͤcklich angelangt ſet, und da er zugleich
die
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0162"n="158"/>
zu zeigen, auf dem allerdings noch Striemen zu<lb/>ſehen waren.</p><lb/><p>Meine Mutter ward faſt ohnmaͤchtig, doch ſie<lb/>
kam bald wieder zu ſich, um Rache uͤber den Mann<lb/>
zu ſchreien, der mich ſo zugerichtet hatte, und um<lb/>
Pflege und Erquickung fuͤr mich zu beſorgen. Nach-<lb/>
dem ich zu Bette gebracht war, und mich ein we-<lb/>
nig getroͤſiet geſtellt hatte, forderte ich zu eſſen und<lb/>
zu trinken, das Beſte, was im Vorrath war, mußte<lb/>
nun herbei gebracht werden, ich ließ es mir vor-<lb/>
trefflich ſchmecken, und ſchlief dann auf meine ſtarke<lb/>
Bewegung ſo feſt und ſanft, daß ich ſehr ſpaͤt am<lb/>
Vormittag erwachte; ich waͤre vielleicht noch nicht<lb/>
erwacht, wenn nicht zwei ſchreiende Stimmen mit-<lb/>
ten durch die goldnen Thore des Pflegers Morpheus<lb/>
gedrungen waͤren, und mich aus ſeinen Armen ge-<lb/>
riſſen haͤtten.</p><lb/><p>Der Mann, bei welchem ich in Penſion war,<lb/>
hatte nicht ſobald vernommen, daß ich die Flucht<lb/>
ergriffen, als er zu Haus- und Stadtunterſuchung<lb/>ſchritt; da beides fruchtlos war, und er nicht arg-<lb/>
woͤhnen konnte, daß ein Mutterſoͤhnchen ſich etwa<lb/>
gar aus Verzweiflung ins Waſſer geſtuͤrzt haben ſoll-<lb/>
te, war ſeiner Meinung nach nichts gewiſſer, als<lb/>
daß ich nach Hauſe gelaufen ſein wuͤrde; er wollte nun<lb/>ſehen, ob ich gluͤcklich angelangt ſet, und da er zugleich<lb/><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[158/0162]
zu zeigen, auf dem allerdings noch Striemen zu
ſehen waren.
Meine Mutter ward faſt ohnmaͤchtig, doch ſie
kam bald wieder zu ſich, um Rache uͤber den Mann
zu ſchreien, der mich ſo zugerichtet hatte, und um
Pflege und Erquickung fuͤr mich zu beſorgen. Nach-
dem ich zu Bette gebracht war, und mich ein we-
nig getroͤſiet geſtellt hatte, forderte ich zu eſſen und
zu trinken, das Beſte, was im Vorrath war, mußte
nun herbei gebracht werden, ich ließ es mir vor-
trefflich ſchmecken, und ſchlief dann auf meine ſtarke
Bewegung ſo feſt und ſanft, daß ich ſehr ſpaͤt am
Vormittag erwachte; ich waͤre vielleicht noch nicht
erwacht, wenn nicht zwei ſchreiende Stimmen mit-
ten durch die goldnen Thore des Pflegers Morpheus
gedrungen waͤren, und mich aus ſeinen Armen ge-
riſſen haͤtten.
Der Mann, bei welchem ich in Penſion war,
hatte nicht ſobald vernommen, daß ich die Flucht
ergriffen, als er zu Haus- und Stadtunterſuchung
ſchritt; da beides fruchtlos war, und er nicht arg-
woͤhnen konnte, daß ein Mutterſoͤhnchen ſich etwa
gar aus Verzweiflung ins Waſſer geſtuͤrzt haben ſoll-
te, war ſeiner Meinung nach nichts gewiſſer, als
daß ich nach Hauſe gelaufen ſein wuͤrde; er wollte nun
ſehen, ob ich gluͤcklich angelangt ſet, und da er zugleich
die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/162>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.