Notiz davon gegeben wurde, Theil. Der Pension- halter hatte Verdruß und büßte einige seiner Zög- linge ein; er konnte und wollte mir nun nichts mehr übersehen, und indem er die Geschenke meiner Mut- ter nicht als Entschädigung des Verlustes zweier Eleven ansehen konnte, fuhr er im Zorn gewaltig über mich her. Jch bekam die ersten Streiche seit Hannsens Execution im Holzstall und dem wüthen- den Ausfall meiner Mutter im Garten. Noch war es mir erinnerlich, wie böse sie auf Hannsen gewe- sen war, und wie sie mich wegen ihrer eigenen Ue- bereilung um Vergebung gebeten hatte. Leicht also konnte ich schließen, daß sie jetzt eben den Antheil an der mir geschehenen Mißhandlung nehmen würde.
Jch ward, nachdem ich mit einem Strick ge- hörig durchgegerbt war, eingesperrt, und sollte bei Wasser und Brod, weis nicht wie lange, sitzen. Das Glück aber, welches mich damals und lange nachher beschützte, führte von ohngefähr eine Magd in die Kammer, wo ich saß, und diese ließ sich, für einen baaren Thaler, den ich im Vorrath hatte, erbitten, mich davon schleichen zu lassen.
Jch eilte die Stadt zu verlassen, machte mich auf den Weg nach Hause, fiel einigemal in Graben, verirrte mich, kam aber doch nach Mitternacht glück- lich, wiewohl schmutzig und abgemattet, nach Hause.
Alles
Notiz davon gegeben wurde, Theil. Der Penſion- halter hatte Verdruß und buͤßte einige ſeiner Zoͤg- linge ein; er konnte und wollte mir nun nichts mehr uͤberſehen, und indem er die Geſchenke meiner Mut- ter nicht als Entſchaͤdigung des Verluſtes zweier Eleven anſehen konnte, fuhr er im Zorn gewaltig uͤber mich her. Jch bekam die erſten Streiche ſeit Hannſens Execution im Holzſtall und dem wuͤthen- den Ausfall meiner Mutter im Garten. Noch war es mir erinnerlich, wie boͤſe ſie auf Hannſen gewe- ſen war, und wie ſie mich wegen ihrer eigenen Ue- bereilung um Vergebung gebeten hatte. Leicht alſo konnte ich ſchließen, daß ſie jetzt eben den Antheil an der mir geſchehenen Mißhandlung nehmen wuͤrde.
Jch ward, nachdem ich mit einem Strick ge- hoͤrig durchgegerbt war, eingeſperrt, und ſollte bei Waſſer und Brod, weis nicht wie lange, ſitzen. Das Gluͤck aber, welches mich damals und lange nachher beſchuͤtzte, fuͤhrte von ohngefaͤhr eine Magd in die Kammer, wo ich ſaß, und dieſe ließ ſich, fuͤr einen baaren Thaler, den ich im Vorrath hatte, erbitten, mich davon ſchleichen zu laſſen.
Jch eilte die Stadt zu verlaſſen, machte mich auf den Weg nach Hauſe, fiel einigemal in Graben, verirrte mich, kam aber doch nach Mitternacht gluͤck- lich, wiewohl ſchmutzig und abgemattet, nach Hauſe.
Alles
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Notiz davon gegeben wurde, Theil. Der Penſion-
halter hatte Verdruß und buͤßte einige ſeiner Zoͤg-
linge ein; er konnte und wollte mir nun nichts mehr
uͤberſehen, und indem er die Geſchenke meiner Mut-
ter nicht als Entſchaͤdigung des Verluſtes zweier
Eleven anſehen konnte, fuhr er im Zorn gewaltig
uͤber mich her. Jch bekam die erſten Streiche ſeit
Hannſens Execution im Holzſtall und dem wuͤthen-
den Ausfall meiner Mutter im Garten. Noch war
es mir erinnerlich, wie boͤſe ſie auf Hannſen gewe-
ſen war, und wie ſie mich wegen ihrer eigenen Ue-
bereilung um Vergebung gebeten hatte. Leicht alſo
konnte ich ſchließen, daß ſie jetzt eben den Antheil
an der mir geſchehenen Mißhandlung nehmen wuͤrde.
Jch ward, nachdem ich mit einem Strick ge-
hoͤrig durchgegerbt war, eingeſperrt, und ſollte bei
Waſſer und Brod, weis nicht wie lange, ſitzen.
Das Gluͤck aber, welches mich damals und lange
nachher beſchuͤtzte, fuͤhrte von ohngefaͤhr eine Magd
in die Kammer, wo ich ſaß, und dieſe ließ ſich,
fuͤr einen baaren Thaler, den ich im Vorrath hatte,
erbitten, mich davon ſchleichen zu laſſen.
Jch eilte die Stadt zu verlaſſen, machte mich
auf den Weg nach Hauſe, fiel einigemal in Graben,
verirrte mich, kam aber doch nach Mitternacht gluͤck-
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/160>, abgerufen am 23.11.2024.
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