dung ihres Gemahls zu willigen, und die Regie- rung zu übernehmen. Sie ziert sich zwar anfangs ein wenig, und macht die Bedenkliche und Gewis- senhafte; man stellt ihr aber vor, ein großes Un- glück für so viele könne gar füglich durch den Mord einiger, die es verursachen wollen, verhütet wer- den; und so ergiebt sie sich endlich drein, daß noch heute Abend der König und seine drei Weisen im Cabinett überfallen und erdrosselt werden sollen.
Ein Kammerdiener, dessen ganze Verwand- schaft aus Doctoren und Magistern besteht, hat in- dessen gehorcht, und tritt, nachdem alles die Büh- ne verlassen hat, auf, den Zuschauern zu melden, daß er die Verrätherei entdecken will. Das thut er denn auch, und im fünften Act wird alles, auch die Königinn in Verhaft genommen, und gefesselt aufs Theater gebracht; worauf denn auch die To- desurtheile über die Verbrecher gesprochen werden. Doch die Königinn ist schön, und der König leut- selig; sie bittet ihn für sich und die andern Ver- schwornen um Begnadigung, und er begnadigt sie. Alle kommen zur Erkenntniß, gestehen, das neue Staatssystem sei edel und weise, und somit wird beschlossen, daß es morgendes Tages unter Trom- peten und Paukenschall eingeführt, auch durch Cou- riere in allen Provinzen des Reichs, und an allen
andern
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dung ihres Gemahls zu willigen, und die Regie- rung zu uͤbernehmen. Sie ziert ſich zwar anfangs ein wenig, und macht die Bedenkliche und Gewiſ- ſenhafte; man ſtellt ihr aber vor, ein großes Un- gluͤck fuͤr ſo viele koͤnne gar fuͤglich durch den Mord einiger, die es verurſachen wollen, verhuͤtet wer- den; und ſo ergiebt ſie ſich endlich drein, daß noch heute Abend der Koͤnig und ſeine drei Weiſen im Cabinett uͤberfallen und erdroſſelt werden ſollen.
Ein Kammerdiener, deſſen ganze Verwand- ſchaft aus Doctoren und Magiſtern beſteht, hat in- deſſen gehorcht, und tritt, nachdem alles die Buͤh- ne verlaſſen hat, auf, den Zuſchauern zu melden, daß er die Verraͤtherei entdecken will. Das thut er denn auch, und im fuͤnften Act wird alles, auch die Koͤniginn in Verhaft genommen, und gefeſſelt aufs Theater gebracht; worauf denn auch die To- desurtheile uͤber die Verbrecher geſprochen werden. Doch die Koͤniginn iſt ſchoͤn, und der Koͤnig leut- ſelig; ſie bittet ihn fuͤr ſich und die andern Ver- ſchwornen um Begnadigung, und er begnadigt ſie. Alle kommen zur Erkenntniß, geſtehen, das neue Staatsſyſtem ſei edel und weiſe, und ſomit wird beſchloſſen, daß es morgendes Tages unter Trom- peten und Paukenſchall eingefuͤhrt, auch durch Cou- riere in allen Provinzen des Reichs, und an allen
andern
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[55/0061]
dung ihres Gemahls zu willigen, und die Regie-
rung zu uͤbernehmen. Sie ziert ſich zwar anfangs
ein wenig, und macht die Bedenkliche und Gewiſ-
ſenhafte; man ſtellt ihr aber vor, ein großes Un-
gluͤck fuͤr ſo viele koͤnne gar fuͤglich durch den Mord
einiger, die es verurſachen wollen, verhuͤtet wer-
den; und ſo ergiebt ſie ſich endlich drein, daß noch
heute Abend der Koͤnig und ſeine drei Weiſen im
Cabinett uͤberfallen und erdroſſelt werden ſollen.
Ein Kammerdiener, deſſen ganze Verwand-
ſchaft aus Doctoren und Magiſtern beſteht, hat in-
deſſen gehorcht, und tritt, nachdem alles die Buͤh-
ne verlaſſen hat, auf, den Zuſchauern zu melden,
daß er die Verraͤtherei entdecken will. Das thut er
denn auch, und im fuͤnften Act wird alles, auch
die Koͤniginn in Verhaft genommen, und gefeſſelt
aufs Theater gebracht; worauf denn auch die To-
desurtheile uͤber die Verbrecher geſprochen werden.
Doch die Koͤniginn iſt ſchoͤn, und der Koͤnig leut-
ſelig; ſie bittet ihn fuͤr ſich und die andern Ver-
ſchwornen um Begnadigung, und er begnadigt ſie.
Alle kommen zur Erkenntniß, geſtehen, das neue
Staatsſyſtem ſei edel und weiſe, und ſomit wird
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/61>, abgerufen am 22.11.2024.
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