aufnahm. Busch sagte ihr über ihre Schönheit, ihre Artigkeit und ihren Verstand so übertriebene Schmeicheleien, daß sie entzückt war, sie versicher- te der Fanchon, ja Schnitzern selbst, daß sie in ihrem Leben keinen galantern Chapeau gesehen hät- te und bildete sich völlig ein, einen Liebhaber an ihm gewonnen zu haben.
Bisher hatte sie noch nicht daran gedacht, daß Lectüre zu den Beschäftigungen einer feinen Dame gehörte, Busch hatte sie erst durch die Frage, ob sie Liebhaberinn von Büchern wäre? daran erin- nert. Sie versicherte ihn, daß sie nichts so sehr liebte, ob sie gleich außer den Liederbüchern, Mord- und Wundergeschichten, von denen sie als Mädchen eine hübsche Sammlung, immer das Exemplar für zwei Groschen, zusammengekauft hatte, noch nie etwas gelesen hatte, und seit sie die höhern Freuden des Soupe spirituel kannte, jene Sammlung nicht mehr ansah, indem sie ganz andre Anekdo- ten und kleine Geschichtgen erzählen hörte und geist- reichere Lieder lernte, worunter auch französische waren. Jetzt sang sie, wenn sie bei guter Laune war, nicht mehr "Jm Schatten grüner Bäume trug etc. oder Eleonore die Betrübte etc. sondern ein saftiges Liedchen, welches in ihrem Zirkel in
Schwan-
aufnahm. Buſch ſagte ihr uͤber ihre Schoͤnheit, ihre Artigkeit und ihren Verſtand ſo uͤbertriebene Schmeicheleien, daß ſie entzuͤckt war, ſie verſicher- te der Fanchon, ja Schnitzern ſelbſt, daß ſie in ihrem Leben keinen galantern Chapeau geſehen haͤt- te und bildete ſich voͤllig ein, einen Liebhaber an ihm gewonnen zu haben.
Bisher hatte ſie noch nicht daran gedacht, daß Lectuͤre zu den Beſchaͤftigungen einer feinen Dame gehoͤrte, Buſch hatte ſie erſt durch die Frage, ob ſie Liebhaberinn von Buͤchern waͤre? daran erin- nert. Sie verſicherte ihn, daß ſie nichts ſo ſehr liebte, ob ſie gleich außer den Liederbuͤchern, Mord- und Wundergeſchichten, von denen ſie als Maͤdchen eine huͤbſche Sammlung, immer das Exemplar fuͤr zwei Groſchen, zuſammengekauft hatte, noch nie etwas geleſen hatte, und ſeit ſie die hoͤhern Freuden des Soupé spirituel kannte, jene Sammlung nicht mehr anſah, indem ſie ganz andre Anekdo- ten und kleine Geſchichtgen erzaͤhlen hoͤrte und geiſt- reichere Lieder lernte, worunter auch franzoͤſiſche waren. Jetzt ſang ſie, wenn ſie bei guter Laune war, nicht mehr „Jm Schatten gruͤner Baͤume trug ꝛc. oder Eleonore die Betruͤbte ꝛc. ſondern ein ſaftiges Liedchen, welches in ihrem Zirkel in
Schwan-
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aufnahm. Buſch ſagte ihr uͤber ihre Schoͤnheit,
ihre Artigkeit und ihren Verſtand ſo uͤbertriebene
Schmeicheleien, daß ſie entzuͤckt war, ſie verſicher-
te der Fanchon, ja Schnitzern ſelbſt, daß ſie in
ihrem Leben keinen galantern Chapeau geſehen haͤt-
te und bildete ſich voͤllig ein, einen Liebhaber an
ihm gewonnen zu haben.
Bisher hatte ſie noch nicht daran gedacht, daß
Lectuͤre zu den Beſchaͤftigungen einer feinen Dame
gehoͤrte, Buſch hatte ſie erſt durch die Frage, ob
ſie Liebhaberinn von Buͤchern waͤre? daran erin-
nert. Sie verſicherte ihn, daß ſie nichts ſo ſehr
liebte, ob ſie gleich außer den Liederbuͤchern, Mord-
und Wundergeſchichten, von denen ſie als Maͤdchen
eine huͤbſche Sammlung, immer das Exemplar fuͤr
zwei Groſchen, zuſammengekauft hatte, noch nie
etwas geleſen hatte, und ſeit ſie die hoͤhern Freuden
des Soupé spirituel kannte, jene Sammlung
nicht mehr anſah, indem ſie ganz andre Anekdo-
ten und kleine Geſchichtgen erzaͤhlen hoͤrte und geiſt-
reichere Lieder lernte, worunter auch franzoͤſiſche
waren. Jetzt ſang ſie, wenn ſie bei guter Laune
war, nicht mehr „Jm Schatten gruͤner Baͤume
trug ꝛc. oder Eleonore die Betruͤbte ꝛc. ſondern
ein ſaftiges Liedchen, welches in ihrem Zirkel in
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/290>, abgerufen am 22.11.2024.
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