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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800.

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der das Leben zu genießen versteht, nur auslacht,
eingepflanzt werden. Der Baron war nicht ruhm-
süchtig, sonst hätte er damit prahlen können, daß
er in wenig Jahren ein Dutzend junge Edelleute,
sechs reiche Kaufmannssöhne, verschiedene einzige
Söhne anderer angesehener Leute und etliche Ehe-
männer in eine Last von Schulden gestürzt hätte.
Aber dergleichen schöne Handlungen bleiben doch
nicht verborgen, wenn auch der, welcher sie veran-
laßt, es nicht gesagt wissen will; die Väter, Müt-
ter und Weiber der Verschuldeten wußten immer,
wenn die glückliche Lage der ihrigen offenbar ward,
bei wem sie sich dafür zu bedanken hätten.

Madam Schnitzer befand sich bei diesem glän-
zenden Zustand ihres Freundes vortreflich, er hätte
ihre Freundschaft itzt zwar nicht mehr so ganz nö-
thig gehabt, da er Geld genug besaß, überall zu be-
zahlen, und ein andres Logis zu beziehn als in ei-
nem Gasthof, aber einmal war alles so gut dort
eingerichtet, er hatte sich der besten Zimmer be-
mächtiget, befahl nach Herzenslust im Hause und
hat tezugleich die Bequemlichkeit, alle ankommenden
Fremde beiderlei Geschlechts sogleich kennen zu ler-
nen. Diese Vortheile gönnte ihm Frau Suschen
recht gerne, da sie selbst dabei immer mehr gewann
und in steten Freuden lebte. Sie war meist sehr
einig
der das Leben zu genießen verſteht, nur auslacht,
eingepflanzt werden. Der Baron war nicht ruhm-
ſuͤchtig, ſonſt haͤtte er damit prahlen koͤnnen, daß
er in wenig Jahren ein Dutzend junge Edelleute,
ſechs reiche Kaufmannsſoͤhne, verſchiedene einzige
Soͤhne anderer angeſehener Leute und etliche Ehe-
maͤnner in eine Laſt von Schulden geſtuͤrzt haͤtte.
Aber dergleichen ſchoͤne Handlungen bleiben doch
nicht verborgen, wenn auch der, welcher ſie veran-
laßt, es nicht geſagt wiſſen will; die Vaͤter, Muͤt-
ter und Weiber der Verſchuldeten wußten immer,
wenn die gluͤckliche Lage der ihrigen offenbar ward,
bei wem ſie ſich dafuͤr zu bedanken haͤtten.

Madam Schnitzer befand ſich bei dieſem glaͤn-
zenden Zuſtand ihres Freundes vortreflich, er haͤtte
ihre Freundſchaft itzt zwar nicht mehr ſo ganz noͤ-
thig gehabt, da er Geld genug beſaß, uͤberall zu be-
zahlen, und ein andres Logis zu beziehn als in ei-
nem Gaſthof, aber einmal war alles ſo gut dort
eingerichtet, er hatte ſich der beſten Zimmer be-
maͤchtiget, befahl nach Herzensluſt im Hauſe und
hat tezugleich die Bequemlichkeit, alle ankommenden
Fremde beiderlei Geſchlechts ſogleich kennen zu ler-
nen. Dieſe Vortheile goͤnnte ihm Frau Suschen
recht gerne, da ſie ſelbſt dabei immer mehr gewann
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[202/0208] der das Leben zu genießen verſteht, nur auslacht, eingepflanzt werden. Der Baron war nicht ruhm- ſuͤchtig, ſonſt haͤtte er damit prahlen koͤnnen, daß er in wenig Jahren ein Dutzend junge Edelleute, ſechs reiche Kaufmannsſoͤhne, verſchiedene einzige Soͤhne anderer angeſehener Leute und etliche Ehe- maͤnner in eine Laſt von Schulden geſtuͤrzt haͤtte. Aber dergleichen ſchoͤne Handlungen bleiben doch nicht verborgen, wenn auch der, welcher ſie veran- laßt, es nicht geſagt wiſſen will; die Vaͤter, Muͤt- ter und Weiber der Verſchuldeten wußten immer, wenn die gluͤckliche Lage der ihrigen offenbar ward, bei wem ſie ſich dafuͤr zu bedanken haͤtten. Madam Schnitzer befand ſich bei dieſem glaͤn- zenden Zuſtand ihres Freundes vortreflich, er haͤtte ihre Freundſchaft itzt zwar nicht mehr ſo ganz noͤ- thig gehabt, da er Geld genug beſaß, uͤberall zu be- zahlen, und ein andres Logis zu beziehn als in ei- nem Gaſthof, aber einmal war alles ſo gut dort eingerichtet, er hatte ſich der beſten Zimmer be- maͤchtiget, befahl nach Herzensluſt im Hauſe und hat tezugleich die Bequemlichkeit, alle ankommenden Fremde beiderlei Geſchlechts ſogleich kennen zu ler- nen. Dieſe Vortheile goͤnnte ihm Frau Suschen recht gerne, da ſie ſelbſt dabei immer mehr gewann und in ſteten Freuden lebte. Sie war meiſt ſehr einig

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/208>, abgerufen am 23.11.2024.