Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gemessene. Das Blatt zitterte in seiner Hand, als er von Neuem hineinsah und eine Anzeige fand, die ihn nicht stärker außer Fassung gebracht haben könnte, wenn sie dem Abbruch des Riesendaches mit der Wetterfahne über seiner Küsterzelle gegolten hätte. War doch das Korn auf seinem Boden dasjenige des seligen Herrn Pfarrers, und floßen doch für ihn die Begriffe von Küsterei und Pfarreigenthum so in einander, daß es ihm schwer war, sich eines von dem andern gesondert zu denken. Die verhängnißvolle Anzeige lautete aber wörtlich wie folgt: Amtsgericht Wolfenbüttel. Auf den Antrag des Herrn Pastors Klepp zu Seinstedt, als Bevollmächtigten des Consistoriums, ist auf den 10. September d. I. zehn Uhr Morgens im Kruge zu Hedeper Termin angesetzt, um das Pfarrwittwenhaus sub. No. 97 zu Hedeper nebst Scheuer und Stallgebäude und dem dazu gehörigen, mit Obstbäumen bepflanzten und einen halben Morgen enthaltenden Garten als Anbauerwesen mittelst Meistgebots zu verkaufen, wozu sich Kauflustige zeitig einfinden wollen. -- Wolfenbüttel, den 26. Aug. 1825. Erst nach dreimaliger Lesung hatte der Küster von Hedeper sich mit dem Inhalt dieser Anzeige hinlänglich vertraut gemacht, um über ihren Zweck und ihre Veranlassung eigene Gedanken zu finden. Schon als sein Oheim noch in dem kaffeebraunen Hinterstübchen saß, war einmal die Rede davon gewesen, das alte Pfarrwittwengehöft solle eingehen und die Wittwe durch eine gemessene. Das Blatt zitterte in seiner Hand, als er von Neuem hineinsah und eine Anzeige fand, die ihn nicht stärker außer Fassung gebracht haben könnte, wenn sie dem Abbruch des Riesendaches mit der Wetterfahne über seiner Küsterzelle gegolten hätte. War doch das Korn auf seinem Boden dasjenige des seligen Herrn Pfarrers, und floßen doch für ihn die Begriffe von Küsterei und Pfarreigenthum so in einander, daß es ihm schwer war, sich eines von dem andern gesondert zu denken. Die verhängnißvolle Anzeige lautete aber wörtlich wie folgt: Amtsgericht Wolfenbüttel. Auf den Antrag des Herrn Pastors Klepp zu Seinstedt, als Bevollmächtigten des Consistoriums, ist auf den 10. September d. I. zehn Uhr Morgens im Kruge zu Hedeper Termin angesetzt, um das Pfarrwittwenhaus sub. No. 97 zu Hedeper nebst Scheuer und Stallgebäude und dem dazu gehörigen, mit Obstbäumen bepflanzten und einen halben Morgen enthaltenden Garten als Anbauerwesen mittelst Meistgebots zu verkaufen, wozu sich Kauflustige zeitig einfinden wollen. — Wolfenbüttel, den 26. Aug. 1825. Erst nach dreimaliger Lesung hatte der Küster von Hedeper sich mit dem Inhalt dieser Anzeige hinlänglich vertraut gemacht, um über ihren Zweck und ihre Veranlassung eigene Gedanken zu finden. Schon als sein Oheim noch in dem kaffeebraunen Hinterstübchen saß, war einmal die Rede davon gewesen, das alte Pfarrwittwengehöft solle eingehen und die Wittwe durch eine <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0026"/> gemessene. Das Blatt zitterte in seiner Hand, als er von Neuem hineinsah und eine Anzeige fand, die ihn nicht stärker außer Fassung gebracht haben könnte, wenn sie dem Abbruch des Riesendaches mit der Wetterfahne über seiner Küsterzelle gegolten hätte. War doch das Korn auf seinem Boden dasjenige des seligen Herrn Pfarrers, und floßen doch für ihn die Begriffe von Küsterei und Pfarreigenthum so in einander, daß es ihm schwer war, sich eines von dem andern gesondert zu denken. Die verhängnißvolle Anzeige lautete aber wörtlich wie folgt:</p><lb/> <p>Amtsgericht Wolfenbüttel. Auf den Antrag des Herrn Pastors Klepp zu Seinstedt, als Bevollmächtigten des Consistoriums, ist auf den 10. September d. I. zehn Uhr Morgens im Kruge zu Hedeper Termin angesetzt, um das Pfarrwittwenhaus sub. No. 97 zu Hedeper nebst Scheuer und Stallgebäude und dem dazu gehörigen, mit Obstbäumen bepflanzten und einen halben Morgen enthaltenden Garten als Anbauerwesen mittelst Meistgebots zu verkaufen, wozu sich Kauflustige zeitig einfinden wollen. — Wolfenbüttel, den 26. Aug. 1825.</p><lb/> <p>Erst nach dreimaliger Lesung hatte der Küster von Hedeper sich mit dem Inhalt dieser Anzeige hinlänglich vertraut gemacht, um über ihren Zweck und ihre Veranlassung eigene Gedanken zu finden. Schon als sein Oheim noch in dem kaffeebraunen Hinterstübchen saß, war einmal die Rede davon gewesen, das alte Pfarrwittwengehöft solle eingehen und die Wittwe durch eine<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
gemessene. Das Blatt zitterte in seiner Hand, als er von Neuem hineinsah und eine Anzeige fand, die ihn nicht stärker außer Fassung gebracht haben könnte, wenn sie dem Abbruch des Riesendaches mit der Wetterfahne über seiner Küsterzelle gegolten hätte. War doch das Korn auf seinem Boden dasjenige des seligen Herrn Pfarrers, und floßen doch für ihn die Begriffe von Küsterei und Pfarreigenthum so in einander, daß es ihm schwer war, sich eines von dem andern gesondert zu denken. Die verhängnißvolle Anzeige lautete aber wörtlich wie folgt:
Amtsgericht Wolfenbüttel. Auf den Antrag des Herrn Pastors Klepp zu Seinstedt, als Bevollmächtigten des Consistoriums, ist auf den 10. September d. I. zehn Uhr Morgens im Kruge zu Hedeper Termin angesetzt, um das Pfarrwittwenhaus sub. No. 97 zu Hedeper nebst Scheuer und Stallgebäude und dem dazu gehörigen, mit Obstbäumen bepflanzten und einen halben Morgen enthaltenden Garten als Anbauerwesen mittelst Meistgebots zu verkaufen, wozu sich Kauflustige zeitig einfinden wollen. — Wolfenbüttel, den 26. Aug. 1825.
Erst nach dreimaliger Lesung hatte der Küster von Hedeper sich mit dem Inhalt dieser Anzeige hinlänglich vertraut gemacht, um über ihren Zweck und ihre Veranlassung eigene Gedanken zu finden. Schon als sein Oheim noch in dem kaffeebraunen Hinterstübchen saß, war einmal die Rede davon gewesen, das alte Pfarrwittwengehöft solle eingehen und die Wittwe durch eine
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Zitationshilfe: | Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/26>, abgerufen am 16.02.2025. |