wie die Erinnerung geschwundener Abende, vor meinen trunkenen Sinnen. Atalanta gieng mir zur Seite.
Auch wir schwiegen lange. Nur manchmal bebten unsere Lippen: gedenke mein! und dann zerflossen die Worte wieder in die Thränen unsers Schmerzes.
Da begann ich endlich: O blicke hinauf, Ge- liebte! hinauf zum gestirnten Himmel. Da wan- delt der Schöpfer unter den Sternen, wie der Gärtner unter seinen Blumen. Er ist die ewige Liebe. Gott ist die ewige Liebe. Atalanta! denke diesen erhab'nen Gedanken. Er ist das ewige, un- erklärbare Wesen, das jene schweren Riesenwelten durch die Unendlichkeit gestreut hat, wie leichten, zarten Samen, das sie aus dem Elemente rief, werden ließ und gestaltete! Wenn die Morgensonne mit ihrem Hochroth über den glühenden Hügeln schwebt und durch die Eichenwipfel quillend unsere Häupter bescheint, wenn dann alles stille wird, ein hohes, feyerliches Gefühl unsern Busen schwellt und wir zu vernehmen glauben, ein dunkles Et- was wehe mit seinem beseligenden Geiste daher über Wiesen und Gründe, Wälder und Berge, und alles glühe, lebe und öffne sich bey seinem allbelebenden
wie die Erinnerung geſchwundener Abende, vor meinen trunkenen Sinnen. Atalanta gieng mir zur Seite.
Auch wir ſchwiegen lange. Nur manchmal bebten unſere Lippen: gedenke mein! und dann zerfloſſen die Worte wieder in die Thraͤnen unſers Schmerzes.
Da begann ich endlich: O blicke hinauf, Ge- liebte! hinauf zum geſtirnten Himmel. Da wan- delt der Schoͤpfer unter den Sternen, wie der Gaͤrtner unter ſeinen Blumen. Er iſt die ewige Liebe. Gott iſt die ewige Liebe. Atalanta! denke dieſen erhab’nen Gedanken. Er iſt das ewige, un- erklaͤrbare Weſen, das jene ſchweren Rieſenwelten durch die Unendlichkeit geſtreut hat, wie leichten, zarten Samen, das ſie aus dem Elemente rief, werden ließ und geſtaltete! Wenn die Morgenſonne mit ihrem Hochroth uͤber den gluͤhenden Huͤgeln ſchwebt und durch die Eichenwipfel quillend unſere Haͤupter beſcheint, wenn dann alles ſtille wird, ein hohes, feyerliches Gefuͤhl unſern Buſen ſchwellt und wir zu vernehmen glauben, ein dunkles Et- was wehe mit ſeinem beſeligenden Geiſte daher uͤber Wieſen und Gruͤnde, Waͤlder und Berge, und alles gluͤhe, lebe und oͤffne ſich bey ſeinem allbelebenden
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wie die Erinnerung geſchwundener Abende, vor
meinen trunkenen Sinnen. Atalanta gieng mir
zur Seite.
Auch wir ſchwiegen lange. Nur manchmal
bebten unſere Lippen: gedenke mein! und dann
zerfloſſen die Worte wieder in die Thraͤnen unſers
Schmerzes.
Da begann ich endlich: O blicke hinauf, Ge-
liebte! hinauf zum geſtirnten Himmel. Da wan-
delt der Schoͤpfer unter den Sternen, wie der
Gaͤrtner unter ſeinen Blumen. Er iſt die ewige
Liebe. Gott iſt die ewige Liebe. Atalanta! denke
dieſen erhab’nen Gedanken. Er iſt das ewige, un-
erklaͤrbare Weſen, das jene ſchweren Rieſenwelten
durch die Unendlichkeit geſtreut hat, wie leichten,
zarten Samen, das ſie aus dem Elemente rief,
werden ließ und geſtaltete! Wenn die Morgenſonne
mit ihrem Hochroth uͤber den gluͤhenden Huͤgeln
ſchwebt und durch die Eichenwipfel quillend unſere
Haͤupter beſcheint, wenn dann alles ſtille wird, ein
hohes, feyerliches Gefuͤhl unſern Buſen ſchwellt
und wir zu vernehmen glauben, ein dunkles Et-
was wehe mit ſeinem beſeligenden Geiſte daher uͤber
Wieſen und Gruͤnde, Waͤlder und Berge, und alles
gluͤhe, lebe und oͤffne ſich bey ſeinem allbelebenden
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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/72>, abgerufen am 18.07.2024.
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