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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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sichte, wie zartbewegtes Laub, um uns spielte.
Nur im Tempel des Eros sitz ich oft einsam und
lange, und weine, ... weine um dich! Da schwe-
ben zu mir heran die Geister geschwundener Stun-
den. Die Vergangenheit nahet an der Hand der
Erinnerung, wie ein weinendes Kind am Arme
der Mutter, und dein Bild, dein Wesen begegnet
mir, wie das Wehen zarter Lindenblüthe.

Oft bin ich heiter. Mein Schmerz ist so süß.
Natur .. Gott .. Unsterblichkeit .. Liebe! alles wird
mir Eins .. Ein überströhmendes Gefühl! Ein
tiefer, sich selbst stärkender Sinn!

Caton ist wieder still geworden, aber ohne
Schmerz. Nur manchmal wird er off'ner und ver-
klärter, wann wir des Abends von Griechenland
sprechen. Dann blickt er oft lange stumm in Cäci-
liens Auge, seufzt und schweigt. Oft mahnen sie
sich auch an die Tage, wo sie am Eurotas lebten.
Jch werde dann still und immer stiller und weiß
nicht warum? Er ist so ernst, so groß. Sein
Schweigen ist so tief.

Lebe wohl, Phaethon! Lege meine Worte in
deinen Busen!

ſichte, wie zartbewegtes Laub, um uns ſpielte.
Nur im Tempel des Eros ſitz ich oft einſam und
lange, und weine, … weine um dich! Da ſchwe-
ben zu mir heran die Geiſter geſchwundener Stun-
den. Die Vergangenheit nahet an der Hand der
Erinnerung, wie ein weinendes Kind am Arme
der Mutter, und dein Bild, dein Weſen begegnet
mir, wie das Wehen zarter Lindenbluͤthe.

Oft bin ich heiter. Mein Schmerz iſt ſo ſuͤß.
Natur .. Gott .. Unſterblichkeit .. Liebe! alles wird
mir Eins .. Ein uͤberſtroͤhmendes Gefuͤhl! Ein
tiefer, ſich ſelbſt ſtaͤrkender Sinn!

Caton iſt wieder ſtill geworden, aber ohne
Schmerz. Nur manchmal wird er off’ner und ver-
klaͤrter, wann wir des Abends von Griechenland
ſprechen. Dann blickt er oft lange ſtumm in Caͤci-
liens Auge, ſeufzt und ſchweigt. Oft mahnen ſie
ſich auch an die Tage, wo ſie am Eurotas lebten.
Jch werde dann ſtill und immer ſtiller und weiß
nicht warum? Er iſt ſo ernſt, ſo groß. Sein
Schweigen iſt ſo tief.

Lebe wohl, Phaethon! Lege meine Worte in
deinen Buſen!

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[102/0102] ſichte, wie zartbewegtes Laub, um uns ſpielte. Nur im Tempel des Eros ſitz ich oft einſam und lange, und weine, … weine um dich! Da ſchwe- ben zu mir heran die Geiſter geſchwundener Stun- den. Die Vergangenheit nahet an der Hand der Erinnerung, wie ein weinendes Kind am Arme der Mutter, und dein Bild, dein Weſen begegnet mir, wie das Wehen zarter Lindenbluͤthe. Oft bin ich heiter. Mein Schmerz iſt ſo ſuͤß. Natur .. Gott .. Unſterblichkeit .. Liebe! alles wird mir Eins .. Ein uͤberſtroͤhmendes Gefuͤhl! Ein tiefer, ſich ſelbſt ſtaͤrkender Sinn! Caton iſt wieder ſtill geworden, aber ohne Schmerz. Nur manchmal wird er off’ner und ver- klaͤrter, wann wir des Abends von Griechenland ſprechen. Dann blickt er oft lange ſtumm in Caͤci- liens Auge, ſeufzt und ſchweigt. Oft mahnen ſie ſich auch an die Tage, wo ſie am Eurotas lebten. Jch werde dann ſtill und immer ſtiller und weiß nicht warum? Er iſt ſo ernſt, ſo groß. Sein Schweigen iſt ſo tief. Lebe wohl, Phaethon! Lege meine Worte in deinen Buſen!

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/102>, abgerufen am 27.04.2024.