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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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Diese Worte klangen mir wie Donner, und
mein unmächtiger Schmerz ward zur zuckenden Be-
geisterung. Mein Auge muß ihm's gesagt haben,
wie mir war. Caton ergriff meine Hand und drückte
sie und sagte: Jhr Wesen gefällt mir. Der Geist
des göttlichen Volkes weht in ihrem Bilde. Jch
war von Sinnen.

Caton setzte sich. Wir sprachen über die Grie-
chen. Er lächelte über mein leidenschaftlich Wesen.
Jch sah ihn an, wie einen, der aus dem Grabe
stieg, den Sterblichen die hohe Borwelt zu ver-
künden.

O Theodor! diese Ruhe, diese antike Größe,
die aus diesem Manne sprach! Wie so ganz ver-
schieden von meinem wilden unstäten Charakter.

Er sagte, die Gräfin könne länger nicht mehr
warten, das Bild zu sehen. Sie werde in einigen
Tagen mit ihrer Tochter ins Dorf fahren.

Er lud mich dringend ein, hinüber zu kommen
ins Schloß. Es ist wahr. Warum hab' ich's auch
bisher immer unterlassen?

Dieſe Worte klangen mir wie Donner, und
mein unmaͤchtiger Schmerz ward zur zuckenden Be-
geiſterung. Mein Auge muß ihm’s geſagt haben,
wie mir war. Caton ergriff meine Hand und druͤckte
ſie und ſagte: Jhr Weſen gefaͤllt mir. Der Geiſt
des goͤttlichen Volkes weht in ihrem Bilde. Jch
war von Sinnen.

Caton ſetzte ſich. Wir ſprachen uͤber die Grie-
chen. Er laͤchelte uͤber mein leidenſchaftlich Weſen.
Jch ſah ihn an, wie einen, der aus dem Grabe
ſtieg, den Sterblichen die hohe Borwelt zu ver-
kuͤnden.

O Theodor! dieſe Ruhe, dieſe antike Groͤße,
die aus dieſem Manne ſprach! Wie ſo ganz ver-
ſchieden von meinem wilden unſtaͤten Charakter.

Er ſagte, die Graͤfin koͤnne laͤnger nicht mehr
warten, das Bild zu ſehen. Sie werde in einigen
Tagen mit ihrer Tochter ins Dorf fahren.

Er lud mich dringend ein, hinuͤber zu kommen
ins Schloß. Es iſt wahr. Warum hab’ ich’s auch
bisher immer unterlaſſen?

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[42/0052] Dieſe Worte klangen mir wie Donner, und mein unmaͤchtiger Schmerz ward zur zuckenden Be- geiſterung. Mein Auge muß ihm’s geſagt haben, wie mir war. Caton ergriff meine Hand und druͤckte ſie und ſagte: Jhr Weſen gefaͤllt mir. Der Geiſt des goͤttlichen Volkes weht in ihrem Bilde. Jch war von Sinnen. Caton ſetzte ſich. Wir ſprachen uͤber die Grie- chen. Er laͤchelte uͤber mein leidenſchaftlich Weſen. Jch ſah ihn an, wie einen, der aus dem Grabe ſtieg, den Sterblichen die hohe Borwelt zu ver- kuͤnden. O Theodor! dieſe Ruhe, dieſe antike Groͤße, die aus dieſem Manne ſprach! Wie ſo ganz ver- ſchieden von meinem wilden unſtaͤten Charakter. Er ſagte, die Graͤfin koͤnne laͤnger nicht mehr warten, das Bild zu ſehen. Sie werde in einigen Tagen mit ihrer Tochter ins Dorf fahren. Er lud mich dringend ein, hinuͤber zu kommen ins Schloß. Es iſt wahr. Warum hab’ ich’s auch bisher immer unterlaſſen?

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/52>, abgerufen am 05.05.2024.