Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.lich wurde, sich schieden, um jedes seinen besondern Weg Beachten wir für jetzt, welch Schicksal die Tanzkunst Gab die Tanzkunst es auf, der griesgrämig-tenden¬ lich wurde, ſich ſchieden, um jedes ſeinen beſondern Weg Beachten wir für jetzt, welch Schickſal die Tanzkunſt Gab die Tanzkunſt es auf, der griesgrämig-tenden¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0075" n="59"/> lich wurde, ſich ſchieden, um jedes ſeinen beſondern Weg<lb/> zu gehen: ſo ſchieden die Kunſtarten, als alles National¬<lb/> gemeinſame in tauſend egoiſtiſche Beſonderheiten ſich zer¬<lb/> ſplitterte, ſich aus dem ſtolzen, bis in den Himmel ragen¬<lb/> den Bau des Drama, in welchem ſie ihr gemeinſam be¬<lb/> ſeelendes Verſtändniß verloren hatten.</p><lb/> <p>Beachten wir für jetzt, welch Schickſal die Tanzkunſt<lb/> erlebte, als ſie den Reigen der Schweſtern verließ, um auf<lb/> gut Glück allein ſich in die Welt zu verlieren. —</p><lb/> <p>Gab die Tanzkunſt es auf, der griesgrämig-tenden¬<lb/> tiös eurypideiſch ſchulmeiſternden Dichtkunſt länger zur Ver¬<lb/> ſtändigung die Hand zu reichen, die dieſe übellauniſch hoch¬<lb/> müthig von ſich wieß, um ſie nur, zu einer <hi rendition="#g">Zweckleiſtung</hi><lb/> demüthig dargeboten, wieder zu erfaſſen; — ſchied ſie ſich<lb/> von der philoſophiſchen Schweſter, die in trübſinniger<lb/> Frivolität ihre jugendlichen Reize nur noch zu <hi rendition="#g">beneiden</hi>,<lb/> nicht mehr zu lieben vermochte, — ſo konnte ſie die Hülfe<lb/> der ihr nächſten, der Tonkunſt, doch nie vollſtändig entbehren.<lb/> Durch ein unauflösbares Band war ſie an ſie gebunden,<lb/> die Tonkunſt hatte den <hi rendition="#g">Schlüſſel</hi> zu ihrer Seele in ihren<lb/> Händen. Wie nach dem Tode des Vaters, in deſſen Liebe<lb/> ſie Alle ſich vereinigten und all ihr Lebensgut als ein ge¬<lb/> meinſames wußten, die Erben eigenſüchtig abwägen, was<lb/> ihnen zum beſondern Eigen gehöre, — ſo erwog aber<lb/> auch die Tanzkunſt, daß jener Schlüſſel von <hi rendition="#g">ihr</hi> geſchmie¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [59/0075]
lich wurde, ſich ſchieden, um jedes ſeinen beſondern Weg
zu gehen: ſo ſchieden die Kunſtarten, als alles National¬
gemeinſame in tauſend egoiſtiſche Beſonderheiten ſich zer¬
ſplitterte, ſich aus dem ſtolzen, bis in den Himmel ragen¬
den Bau des Drama, in welchem ſie ihr gemeinſam be¬
ſeelendes Verſtändniß verloren hatten.
Beachten wir für jetzt, welch Schickſal die Tanzkunſt
erlebte, als ſie den Reigen der Schweſtern verließ, um auf
gut Glück allein ſich in die Welt zu verlieren. —
Gab die Tanzkunſt es auf, der griesgrämig-tenden¬
tiös eurypideiſch ſchulmeiſternden Dichtkunſt länger zur Ver¬
ſtändigung die Hand zu reichen, die dieſe übellauniſch hoch¬
müthig von ſich wieß, um ſie nur, zu einer Zweckleiſtung
demüthig dargeboten, wieder zu erfaſſen; — ſchied ſie ſich
von der philoſophiſchen Schweſter, die in trübſinniger
Frivolität ihre jugendlichen Reize nur noch zu beneiden,
nicht mehr zu lieben vermochte, — ſo konnte ſie die Hülfe
der ihr nächſten, der Tonkunſt, doch nie vollſtändig entbehren.
Durch ein unauflösbares Band war ſie an ſie gebunden,
die Tonkunſt hatte den Schlüſſel zu ihrer Seele in ihren
Händen. Wie nach dem Tode des Vaters, in deſſen Liebe
ſie Alle ſich vereinigten und all ihr Lebensgut als ein ge¬
meinſames wußten, die Erben eigenſüchtig abwägen, was
ihnen zum beſondern Eigen gehöre, — ſo erwog aber
auch die Tanzkunſt, daß jener Schlüſſel von ihr geſchmie¬
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