Hier sieht denn der Geist, in seinem künstlerischen Streben nach Wiedervereinigung mit der Natur im Kunst¬ werke, sich zu der einzigen Hoffnung auf die Zukunft hin¬ gewiesen, oder zur traurigen Kraftübung der Resignation gedrängt. Er begreift, daß er seine Erlösung nur im sinn¬ lich gegenwärtigen Kunstwerke, daher also nur in einer wahrhaft kunstbedürftigen, d. h. kunstbedingenden, aus eigener Naturwahrheit und Schönheit kunstzeugenden, Gegenwart zu gewinnen hat, und hofft daher auf die Zu¬ kunft, d. h. er glaubt an die Macht der Nothwendigkeit, der das Werk der Zukunft vorbehalten ist. Der Gegen¬ wart gegenüber aber verzichtet er auf die Gegenwart, d. h. auf das Erscheinen des Kunstwerkes auf der Oberfläche der Gegenwart, der Oeffentlichkeit, folglich auf die Oeffent¬ lichkeit selbst, soweit sie der Mode gehört. Das große Ge¬ sammtkunstwerk, das alle Gattungen der Kunst zu umfassen hat, um jede einzelne dieser Gattungen als Mittel gewisser¬ maßen zu verbrauchen, zu vernichten zu Gunsten der Er¬ reichung des Gesammtzweckes aller, nämlich der unbe¬ dingten, unmittelbaren Darstellung der vollendeten mensch¬ lichen Natur, -- dieses große Gesammtkunstwerk erkennt er nicht als die willkürlich mögliche That des Einzelnen, sondern als das nothwendig denkbare gemeinsame Werk des Menschen der Zukunft. Der Trieb, der sich als einen nur in der Gemeinsamkeit zu befriedigenden erkennt, ent¬
Hier ſieht denn der Geiſt, in ſeinem künſtleriſchen Streben nach Wiedervereinigung mit der Natur im Kunſt¬ werke, ſich zu der einzigen Hoffnung auf die Zukunft hin¬ gewieſen, oder zur traurigen Kraftübung der Reſignation gedrängt. Er begreift, daß er ſeine Erlöſung nur im ſinn¬ lich gegenwärtigen Kunſtwerke, daher alſo nur in einer wahrhaft kunſtbedürftigen, d. h. kunſtbedingenden, aus eigener Naturwahrheit und Schönheit kunſtzeugenden, Gegenwart zu gewinnen hat, und hofft daher auf die Zu¬ kunft, d. h. er glaubt an die Macht der Nothwendigkeit, der das Werk der Zukunft vorbehalten iſt. Der Gegen¬ wart gegenüber aber verzichtet er auf die Gegenwart, d. h. auf das Erſcheinen des Kunſtwerkes auf der Oberfläche der Gegenwart, der Oeffentlichkeit, folglich auf die Oeffent¬ lichkeit ſelbſt, ſoweit ſie der Mode gehört. Das große Ge¬ ſammtkunſtwerk, das alle Gattungen der Kunſt zu umfaſſen hat, um jede einzelne dieſer Gattungen als Mittel gewiſſer¬ maßen zu verbrauchen, zu vernichten zu Gunſten der Er¬ reichung des Geſammtzweckes aller, nämlich der unbe¬ dingten, unmittelbaren Darſtellung der vollendeten menſch¬ lichen Natur, — dieſes große Geſammtkunſtwerk erkennt er nicht als die willkürlich mögliche That des Einzelnen, ſondern als das nothwendig denkbare gemeinſame Werk des Menſchen der Zukunft. Der Trieb, der ſich als einen nur in der Gemeinſamkeit zu befriedigenden erkennt, ent¬
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Hier ſieht denn der Geiſt, in ſeinem künſtleriſchen
Streben nach Wiedervereinigung mit der Natur im Kunſt¬
werke, ſich zu der einzigen Hoffnung auf die Zukunft hin¬
gewieſen, oder zur traurigen Kraftübung der Reſignation
gedrängt. Er begreift, daß er ſeine Erlöſung nur im ſinn¬
lich gegenwärtigen Kunſtwerke, daher alſo nur in einer
wahrhaft kunſtbedürftigen, d. h. kunſtbedingenden, aus
eigener Naturwahrheit und Schönheit kunſtzeugenden,
Gegenwart zu gewinnen hat, und hofft daher auf die Zu¬
kunft, d. h. er glaubt an die Macht der Nothwendigkeit,
der das Werk der Zukunft vorbehalten iſt. Der Gegen¬
wart gegenüber aber verzichtet er auf die Gegenwart, d. h.
auf das Erſcheinen des Kunſtwerkes auf der Oberfläche der
Gegenwart, der Oeffentlichkeit, folglich auf die Oeffent¬
lichkeit ſelbſt, ſoweit ſie der Mode gehört. Das große Ge¬
ſammtkunſtwerk, das alle Gattungen der Kunſt zu umfaſſen
hat, um jede einzelne dieſer Gattungen als Mittel gewiſſer¬
maßen zu verbrauchen, zu vernichten zu Gunſten der Er¬
reichung des Geſammtzweckes aller, nämlich der unbe¬
dingten, unmittelbaren Darſtellung der vollendeten menſch¬
lichen Natur, — dieſes große Geſammtkunſtwerk erkennt
er nicht als die willkürlich mögliche That des Einzelnen,
ſondern als das nothwendig denkbare gemeinſame Werk
des Menſchen der Zukunft. Der Trieb, der ſich als einen
nur in der Gemeinſamkeit zu befriedigenden erkennt, ent¬
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/48>, abgerufen am 22.07.2024.
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