Wesen überhaupt die künstlerisch darstellende Kraft in dem ganzen Gedankenkunstwerke, so rührt diese Kraft und die durch sie dargestellte Totalität aller Realitäten, doch nur von dem realen, sinnlichen Menschen, ihrem letzten Grunde nach also aus seinem Lebensbedürfnisse, und endlich aus der Bedingung, welche dieses Lebensbedürfniß hervorruft, dem realen, sinnlichen Dasein der Natur, her. Wo im Denken diese verbindende Kette aber fahren gelassen wird, wo es, nach doppelter und dreifacher Selbstvergegenständ¬ lichung sich selbst endlich als seinen Grund erfassen, wo sich der Geist nicht als letzte und bedingteste, sondern als erste und unbedingteste Thätigkeit, daher als Grund und Ur¬ sache der Natur begreifen will, -- da ist auch das Band der Nothwendigkeit aufgehoben, und die Willkür ras't schrankenlos, -- unbegrenzt, frei, wie unsre Metaphysiker wähnen' -- durch die Werkstätte der Gedanken, ergießt sich als Strom des Wahnsinns in die Welt der Wirklichkeit.
Hat der Geist die Natur erschaffen, hat der Gedanke das Wirkliche gemacht, ist der Philosoph eher als der Mensch, so ist Natur, Wirklichkeit und Mensch auch nicht mehr nothwendig, ihr Dasein, als überflüssig, sogar schädlich; das Ueberflüssigste aber ist das Unvollkommene nach dem Vorhandensein des Vollkommenen. Natur, Wirk¬ lichkeit und Menschen erhielten demnach nur dann einen Sinn, eine Berechtigung ihres Vorhandenseins, -- wenn
Weſen überhaupt die künſtleriſch darſtellende Kraft in dem ganzen Gedankenkunſtwerke, ſo rührt dieſe Kraft und die durch ſie dargeſtellte Totalität aller Realitäten, doch nur von dem realen, ſinnlichen Menſchen, ihrem letzten Grunde nach alſo aus ſeinem Lebensbedürfniſſe, und endlich aus der Bedingung, welche dieſes Lebensbedürfniß hervorruft, dem realen, ſinnlichen Daſein der Natur, her. Wo im Denken dieſe verbindende Kette aber fahren gelaſſen wird, wo es, nach doppelter und dreifacher Selbſtvergegenſtänd¬ lichung ſich ſelbſt endlich als ſeinen Grund erfaſſen, wo ſich der Geiſt nicht als letzte und bedingteſte, ſondern als erſte und unbedingteſte Thätigkeit, daher als Grund und Ur¬ ſache der Natur begreifen will, — da iſt auch das Band der Nothwendigkeit aufgehoben, und die Willkür raſ't ſchrankenlos, — unbegrenzt, frei, wie unſre Metaphyſiker wähnen' — durch die Werkſtätte der Gedanken, ergießt ſich als Strom des Wahnſinns in die Welt der Wirklichkeit.
Hat der Geiſt die Natur erſchaffen, hat der Gedanke das Wirkliche gemacht, iſt der Philoſoph eher als der Menſch, ſo iſt Natur, Wirklichkeit und Menſch auch nicht mehr nothwendig, ihr Daſein, als überflüſſig, ſogar ſchädlich; das Ueberflüſſigſte aber iſt das Unvollkommene nach dem Vorhandenſein des Vollkommenen. Natur, Wirk¬ lichkeit und Menſchen erhielten demnach nur dann einen Sinn, eine Berechtigung ihres Vorhandenſeins, — wenn
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Weſen überhaupt die künſtleriſch darſtellende Kraft in dem
ganzen Gedankenkunſtwerke, ſo rührt dieſe Kraft und die
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von dem realen, ſinnlichen Menſchen, ihrem letzten Grunde
nach alſo aus ſeinem Lebensbedürfniſſe, und endlich aus
der Bedingung, welche dieſes Lebensbedürfniß hervorruft,
dem realen, ſinnlichen Daſein der Natur, her. Wo im
Denken dieſe verbindende Kette aber fahren gelaſſen wird,
wo es, nach doppelter und dreifacher Selbſtvergegenſtänd¬
lichung ſich ſelbſt endlich als ſeinen Grund erfaſſen, wo ſich
der Geiſt nicht als letzte und bedingteſte, ſondern als erſte
und unbedingteſte Thätigkeit, daher als Grund und Ur¬
ſache der Natur begreifen will, — da iſt auch das Band
der Nothwendigkeit aufgehoben, und die Willkür raſ't
ſchrankenlos, — unbegrenzt, frei, wie unſre Metaphyſiker
wähnen' — durch die Werkſtätte der Gedanken, ergießt ſich
als Strom des Wahnſinns in die Welt der Wirklichkeit.
Hat der Geiſt die Natur erſchaffen, hat der Gedanke
das Wirkliche gemacht, iſt der Philoſoph eher als der
Menſch, ſo iſt Natur, Wirklichkeit und Menſch auch nicht
mehr nothwendig, ihr Daſein, als überflüſſig, ſogar ſchädlich;
das Ueberflüſſigſte aber iſt das Unvollkommene nach dem
Vorhandenſein des Vollkommenen. Natur, Wirk¬
lichkeit und Menſchen erhielten demnach nur dann einen
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/40>, abgerufen am 22.07.2024.
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