dem es aufgehen, sich also vernichten, befriedigen könnte. Der wirkliche, sinnliche Hunger hat seinen natürlichen Gegensatz, die Sättigung, in welchem er -- durch die Speisung -- aufgeht: das unnöthige Bedürfniß, das Be¬ dürfniß nach Luxus, ist aber schon bereits Luxus, Ueber¬ fluß selbst; der Irrthum in ihm kann daher nie in die Wahrheit aufgehen: es martert, verzehrt, brennt und pei¬ nigt stets ungestillt, läßt Geist, Herz und Sinne vergebens schmachten, verschlingt alle Lust, Heiterkeit und Freude des Lebens; verpraßt um eines einzigen, und dennoch unerreich¬ baren Augenblickes der Erlabung willen, die Thätigkeit und Lebenskraft Tausender von Nothleidenden; lebt vom ungestillten Hunger abermals Tausender von Armen, ohne seinen eigenen Hunger nur einen Augenblick sättigen zu können; er hält eine ganze Welt in eisernen Ketten des Despotismus, ohne nur einen Augenblick die goldenen Ketten jenes Tyrannen brechen zu können, der es sich eben selbst ist.
Und dieser Teufel, dieß wahnsinnige Bedürfniß ohne Bedürfniß, dieß Bedürfniß des Bedürfnisses, -- dieß Be¬ dürfniß des Luxus, welches der Luxus selbst ist, -- regiert die Welt; er ist die Seele dieser Industrie, die den Menschen tödtet, um ihn als Maschine zu verwenden; die Seele unsres Staates, der den Menschen ehrlos erklärt, um ihn als Unterthan wieder zu Gnaden anzunehmen; die
dem es aufgehen, ſich alſo vernichten, befriedigen könnte. Der wirkliche, ſinnliche Hunger hat ſeinen natürlichen Gegenſatz, die Sättigung, in welchem er — durch die Speiſung — aufgeht: das unnöthige Bedürfniß, das Be¬ dürfniß nach Luxus, iſt aber ſchon bereits Luxus, Ueber¬ fluß ſelbſt; der Irrthum in ihm kann daher nie in die Wahrheit aufgehen: es martert, verzehrt, brennt und pei¬ nigt ſtets ungeſtillt, läßt Geiſt, Herz und Sinne vergebens ſchmachten, verſchlingt alle Luſt, Heiterkeit und Freude des Lebens; verpraßt um eines einzigen, und dennoch unerreich¬ baren Augenblickes der Erlabung willen, die Thätigkeit und Lebenskraft Tauſender von Nothleidenden; lebt vom ungeſtillten Hunger abermals Tauſender von Armen, ohne ſeinen eigenen Hunger nur einen Augenblick ſättigen zu können; er hält eine ganze Welt in eiſernen Ketten des Despotismus, ohne nur einen Augenblick die goldenen Ketten jenes Tyrannen brechen zu können, der es ſich eben ſelbſt iſt.
Und dieſer Teufel, dieß wahnſinnige Bedürfniß ohne Bedürfniß, dieß Bedürfniß des Bedürfniſſes, — dieß Be¬ dürfniß des Luxus, welches der Luxus ſelbſt iſt, — regiert die Welt; er iſt die Seele dieſer Induſtrie, die den Menſchen tödtet, um ihn als Maſchine zu verwenden; die Seele unſres Staates, der den Menſchen ehrlos erklärt, um ihn als Unterthan wieder zu Gnaden anzunehmen; die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0029"n="13"/>
dem es aufgehen, ſich alſo vernichten, befriedigen könnte.<lb/>
Der wirkliche, ſinnliche Hunger hat ſeinen natürlichen<lb/>
Gegenſatz, die Sättigung, in welchem er — durch die<lb/>
Speiſung — aufgeht: das unnöthige Bedürfniß, das Be¬<lb/>
dürfniß nach Luxus, iſt aber ſchon bereits Luxus, Ueber¬<lb/>
fluß ſelbſt; der Irrthum in ihm kann daher nie in die<lb/>
Wahrheit aufgehen: es martert, verzehrt, brennt und pei¬<lb/>
nigt ſtets ungeſtillt, läßt Geiſt, Herz und Sinne vergebens<lb/>ſchmachten, verſchlingt alle Luſt, Heiterkeit und Freude des<lb/>
Lebens; verpraßt um eines einzigen, und dennoch unerreich¬<lb/>
baren Augenblickes der Erlabung willen, die Thätigkeit<lb/>
und Lebenskraft Tauſender von Nothleidenden; lebt vom<lb/>
ungeſtillten Hunger abermals Tauſender von Armen, ohne<lb/>ſeinen eigenen Hunger nur einen Augenblick ſättigen zu<lb/>
können; er hält eine ganze Welt in eiſernen Ketten des<lb/>
Despotismus, ohne nur einen Augenblick die goldenen<lb/>
Ketten jenes Tyrannen brechen zu können, der es ſich eben<lb/>ſelbſt iſt.</p><lb/><p>Und dieſer Teufel, dieß wahnſinnige Bedürfniß ohne<lb/>
Bedürfniß, dieß Bedürfniß des Bedürfniſſes, — dieß <hirendition="#g">Be¬<lb/>
dürfniß des Luxus</hi>, welches der <hirendition="#g">Luxus ſelbſt</hi> iſt,<lb/>— regiert die Welt; er iſt die Seele dieſer Induſtrie, die<lb/>
den Menſchen tödtet, um ihn als Maſchine zu verwenden;<lb/>
die Seele unſres Staates, der den Menſchen ehrlos erklärt,<lb/>
um ihn als Unterthan wieder zu Gnaden anzunehmen; die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[13/0029]
dem es aufgehen, ſich alſo vernichten, befriedigen könnte.
Der wirkliche, ſinnliche Hunger hat ſeinen natürlichen
Gegenſatz, die Sättigung, in welchem er — durch die
Speiſung — aufgeht: das unnöthige Bedürfniß, das Be¬
dürfniß nach Luxus, iſt aber ſchon bereits Luxus, Ueber¬
fluß ſelbſt; der Irrthum in ihm kann daher nie in die
Wahrheit aufgehen: es martert, verzehrt, brennt und pei¬
nigt ſtets ungeſtillt, läßt Geiſt, Herz und Sinne vergebens
ſchmachten, verſchlingt alle Luſt, Heiterkeit und Freude des
Lebens; verpraßt um eines einzigen, und dennoch unerreich¬
baren Augenblickes der Erlabung willen, die Thätigkeit
und Lebenskraft Tauſender von Nothleidenden; lebt vom
ungeſtillten Hunger abermals Tauſender von Armen, ohne
ſeinen eigenen Hunger nur einen Augenblick ſättigen zu
können; er hält eine ganze Welt in eiſernen Ketten des
Despotismus, ohne nur einen Augenblick die goldenen
Ketten jenes Tyrannen brechen zu können, der es ſich eben
ſelbſt iſt.
Und dieſer Teufel, dieß wahnſinnige Bedürfniß ohne
Bedürfniß, dieß Bedürfniß des Bedürfniſſes, — dieß Be¬
dürfniß des Luxus, welches der Luxus ſelbſt iſt,
— regiert die Welt; er iſt die Seele dieſer Induſtrie, die
den Menſchen tödtet, um ihn als Maſchine zu verwenden;
die Seele unſres Staates, der den Menſchen ehrlos erklärt,
um ihn als Unterthan wieder zu Gnaden anzunehmen; die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/29>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.