Diese Frage muß nach dem entscheidenden, weltge¬ schichtlichen Sinne, der ihr jetzt zu Grunde liegt, also beant¬ wortet werden:
Das Volk ist der Inbegriff aller Derjenigen, welche eine gemeinschaftliche Noth empfinden. Zu ihm gehören daher alle Diejenigen, welche ihre eigene Noth als eine gemeinschaftliche erkennen, oder sie in einer ge¬ meinschaftlichen begründet finden; somit alle Diejenigen, welche die Stillung ihrer Noth nur in der Stillung einer gemeinsamen Noth verhoffen dürfen, und demnach ihre gesammte Lebenskraft auf die Stillung ihrer, als gemein¬ sam erkannten, Noth verwenden; -- denn nur die Noth, welche zum Aeußersten treibt, ist die wahre Noth; nur diese Noth ist aber die Kraft des wahren Bedürfnisses; nur ein gemeinsames Bedürfniß ist aber das wahre Bedürfniß; nur wer ein wahres Bedürfniß empfindet, hat aber ein Recht auf Befriedigung desselben; nur die Befriedigung eines wahren Bedürfnisses ist Nothwendigkeit, und nur das Volk handelt nach Nothwendigkeit, daher unwiderstehlich, siegreich und einzig wahr.
Wer gehört nun nicht zum Volke, und wer sind seine Feinde?
Alle Diejenigen, die keine Noth empfinden, deren Lebenstrieb also in einem Bedürfnisse besteht, das sich nicht bis zur Kraft der Noth steigert, somit eingebildet,
Dieſe Frage muß nach dem entſcheidenden, weltge¬ ſchichtlichen Sinne, der ihr jetzt zu Grunde liegt, alſo beant¬ wortet werden:
Das Volk iſt der Inbegriff aller Derjenigen, welche eine gemeinſchaftliche Noth empfinden. Zu ihm gehören daher alle Diejenigen, welche ihre eigene Noth als eine gemeinſchaftliche erkennen, oder ſie in einer ge¬ meinſchaftlichen begründet finden; ſomit alle Diejenigen, welche die Stillung ihrer Noth nur in der Stillung einer gemeinſamen Noth verhoffen dürfen, und demnach ihre geſammte Lebenskraft auf die Stillung ihrer, als gemein¬ ſam erkannten, Noth verwenden; — denn nur die Noth, welche zum Aeußerſten treibt, iſt die wahre Noth; nur dieſe Noth iſt aber die Kraft des wahren Bedürfniſſes; nur ein gemeinſames Bedürfniß iſt aber das wahre Bedürfniß; nur wer ein wahres Bedürfniß empfindet, hat aber ein Recht auf Befriedigung deſſelben; nur die Befriedigung eines wahren Bedürfniſſes iſt Nothwendigkeit, und nur das Volk handelt nach Nothwendigkeit, daher unwiderſtehlich, ſiegreich und einzig wahr.
Wer gehört nun nicht zum Volke, und wer ſind ſeine Feinde?
Alle Diejenigen, die keine Noth empfinden, deren Lebenstrieb alſo in einem Bedürfniſſe beſteht, das ſich nicht bis zur Kraft der Noth ſteigert, ſomit eingebildet,
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Dieſe Frage muß nach dem entſcheidenden, weltge¬
ſchichtlichen Sinne, der ihr jetzt zu Grunde liegt, alſo beant¬
wortet werden:
Das Volk iſt der Inbegriff aller Derjenigen, welche
eine gemeinſchaftliche Noth empfinden. Zu ihm
gehören daher alle Diejenigen, welche ihre eigene Noth
als eine gemeinſchaftliche erkennen, oder ſie in einer ge¬
meinſchaftlichen begründet finden; ſomit alle Diejenigen,
welche die Stillung ihrer Noth nur in der Stillung einer
gemeinſamen Noth verhoffen dürfen, und demnach ihre
geſammte Lebenskraft auf die Stillung ihrer, als gemein¬
ſam erkannten, Noth verwenden; — denn nur die Noth,
welche zum Aeußerſten treibt, iſt die wahre Noth; nur dieſe
Noth iſt aber die Kraft des wahren Bedürfniſſes; nur ein
gemeinſames Bedürfniß iſt aber das wahre Bedürfniß;
nur wer ein wahres Bedürfniß empfindet, hat aber ein
Recht auf Befriedigung deſſelben; nur die Befriedigung
eines wahren Bedürfniſſes iſt Nothwendigkeit, und nur
das Volk handelt nach Nothwendigkeit, daher
unwiderſtehlich, ſiegreich und einzig wahr.
Wer gehört nun nicht zum Volke, und wer ſind ſeine
Feinde?
Alle Diejenigen, die keine Noth empfinden,
deren Lebenstrieb alſo in einem Bedürfniſſe beſteht, das
ſich nicht bis zur Kraft der Noth ſteigert, ſomit eingebildet,
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/27>, abgerufen am 16.02.2025.
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