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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

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unsre moderne Kunst sind die geschlechtslosen, unfrucht¬
baren Kinder dieser Träume.

Die großen unwillkürlichen Irrthümer des Volkes,
wie sie in ihren religiösen Anschauungen von Anfang
herein sich kundgaben und zu den Ausgangspunkten will¬
kürlichen, spekulativen Denkens und Systematisirens in der
Theologie und Philosophie wurden, haben sich in diesen
Wissenschaften, namentlich vermittelst ihrer Adoptivschwester,
der Staatsweisheit, zu Mächten erhoben, welche nicht ge¬
ringere Ansprüche machen, als, kraft inwohnender göttli¬
cher Unfehlbarkeit, die Welt und das Leben zu ordnen und
zu beherrschen. Unlösbar würde demnach der Irrthum in
alle Ewigkeit in siegreicher Zerstörung fortwähren, wenn
dieselbe Lebensmacht, die ihn unwillkürlich hervorbrachte,
nicht, kraft inwohnender natürlicher Nothwendigkeit, ihn
praktisch wiederum vernichtete, und zwar mit solcher Be¬
stimmtheit und Augenscheinlichkeit, daß die, übermüthig
vom Leben sich aussondernde, Intelligenz endlich keine an¬
dere Rettung vor wirklichem Wahnsinne zu ersehen hat,
als in der unbedingten Anerkennung dieses einzig Be¬
stimmten und Augenscheinlichen. Diese Lebensmacht aber
ist -- das Volk. --

Wer ist das Volk? -- Nothwendig müssen wir
zunächst in der Beantwortung dieser überaus wichtigen
Frage uns einigen.

unſre moderne Kunſt ſind die geſchlechtsloſen, unfrucht¬
baren Kinder dieſer Träume.

Die großen unwillkürlichen Irrthümer des Volkes,
wie ſie in ihren religiöſen Anſchauungen von Anfang
herein ſich kundgaben und zu den Ausgangspunkten will¬
kürlichen, ſpekulativen Denkens und Syſtematiſirens in der
Theologie und Philoſophie wurden, haben ſich in dieſen
Wiſſenſchaften, namentlich vermittelſt ihrer Adoptivſchweſter,
der Staatsweisheit, zu Mächten erhoben, welche nicht ge¬
ringere Anſprüche machen, als, kraft inwohnender göttli¬
cher Unfehlbarkeit, die Welt und das Leben zu ordnen und
zu beherrſchen. Unlösbar würde demnach der Irrthum in
alle Ewigkeit in ſiegreicher Zerſtörung fortwähren, wenn
dieſelbe Lebensmacht, die ihn unwillkürlich hervorbrachte,
nicht, kraft inwohnender natürlicher Nothwendigkeit, ihn
praktiſch wiederum vernichtete, und zwar mit ſolcher Be¬
ſtimmtheit und Augenſcheinlichkeit, daß die, übermüthig
vom Leben ſich ausſondernde, Intelligenz endlich keine an¬
dere Rettung vor wirklichem Wahnſinne zu erſehen hat,
als in der unbedingten Anerkennung dieſes einzig Be¬
ſtimmten und Augenſcheinlichen. Dieſe Lebensmacht aber
iſt — das Volk. —

Wer iſt das Volk? — Nothwendig müſſen wir
zunächſt in der Beantwortung dieſer überaus wichtigen
Frage uns einigen.

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[9/0025] unſre moderne Kunſt ſind die geſchlechtsloſen, unfrucht¬ baren Kinder dieſer Träume. Die großen unwillkürlichen Irrthümer des Volkes, wie ſie in ihren religiöſen Anſchauungen von Anfang herein ſich kundgaben und zu den Ausgangspunkten will¬ kürlichen, ſpekulativen Denkens und Syſtematiſirens in der Theologie und Philoſophie wurden, haben ſich in dieſen Wiſſenſchaften, namentlich vermittelſt ihrer Adoptivſchweſter, der Staatsweisheit, zu Mächten erhoben, welche nicht ge¬ ringere Anſprüche machen, als, kraft inwohnender göttli¬ cher Unfehlbarkeit, die Welt und das Leben zu ordnen und zu beherrſchen. Unlösbar würde demnach der Irrthum in alle Ewigkeit in ſiegreicher Zerſtörung fortwähren, wenn dieſelbe Lebensmacht, die ihn unwillkürlich hervorbrachte, nicht, kraft inwohnender natürlicher Nothwendigkeit, ihn praktiſch wiederum vernichtete, und zwar mit ſolcher Be¬ ſtimmtheit und Augenſcheinlichkeit, daß die, übermüthig vom Leben ſich ausſondernde, Intelligenz endlich keine an¬ dere Rettung vor wirklichem Wahnſinne zu erſehen hat, als in der unbedingten Anerkennung dieſes einzig Be¬ ſtimmten und Augenſcheinlichen. Dieſe Lebensmacht aber iſt — das Volk. — Wer iſt das Volk? — Nothwendig müſſen wir zunächſt in der Beantwortung dieſer überaus wichtigen Frage uns einigen.

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Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/25>, abgerufen am 24.11.2024.