Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

nes Wesens wirklich persönlich unterging, sein per¬
sönliches Dasein um der entäußerten Nothwendigkeit seines
Wesens willen wirklich aufhob, -- daß er die Wahrheit
seines Wesens nicht nur in seinem Handeln allein -- was
uns, so lange er handelt, noch willkürlich erscheinen darf--
sondern mit dem vollbrachten Opfer seiner Persönlichkeit
zu Gunsten dieses nothwendigen Handelns, uns bezeugt.
Die letzte, vollständigste Entäußerung seines persönlichen
Egoismus, die Darlegung seines vollkommenen Aufgehens
in die Allgemeinheit, gibt uns ein Mensch nur mit seinem
Tode kund, und zwar nicht mit seinem zufälligen,
sondern seinem nothwendigen, dem durch sein Handeln
aus der Fülle seines Wesens bedingten Tode.

Die Feier eines solchen Todes, ist die wür¬
digste
, die von Menschen begangen werden kann.
Sie erschließt uns nach dem, durch jenen Tod erkannten, Wesen
dieses einen Menschen die Fülle des Inhaltes des mensch¬
lichen Wesens überhaupt. Am Vollkommensten versichern
wir uns des Erkannten aber in der bewußtvollen Dar¬
stellung
jenes Todes selbst, und, um ihn uns zu erklä¬
ren, durch die Darstellung derjenigen Handlung, deren
nothwendiger Abschluß jener Tod war. Nicht in den
widerlichen Leichenfeiern, wie wir sie in unsrer christlich-
modernen Lebensweise durch beziehungslose Gesänge und
banale Kirchhofsreden begehen, sondern durch die künst¬

nes Weſens wirklich perſönlich unterging, ſein per¬
ſönliches Daſein um der entäußerten Nothwendigkeit ſeines
Weſens willen wirklich aufhob, — daß er die Wahrheit
ſeines Weſens nicht nur in ſeinem Handeln allein — was
uns, ſo lange er handelt, noch willkürlich erſcheinen darf—
ſondern mit dem vollbrachten Opfer ſeiner Perſönlichkeit
zu Gunſten dieſes nothwendigen Handelns, uns bezeugt.
Die letzte, vollſtändigſte Entäußerung ſeines perſönlichen
Egoismus, die Darlegung ſeines vollkommenen Aufgehens
in die Allgemeinheit, gibt uns ein Menſch nur mit ſeinem
Tode kund, und zwar nicht mit ſeinem zufälligen,
ſondern ſeinem nothwendigen, dem durch ſein Handeln
aus der Fülle ſeines Weſens bedingten Tode.

Die Feier eines ſolchen Todes, iſt die wür¬
digſte
, die von Menſchen begangen werden kann.
Sie erſchließt uns nach dem, durch jenen Tod erkannten, Weſen
dieſes einen Menſchen die Fülle des Inhaltes des menſch¬
lichen Weſens überhaupt. Am Vollkommenſten verſichern
wir uns des Erkannten aber in der bewußtvollen Dar¬
ſtellung
jenes Todes ſelbſt, und, um ihn uns zu erklä¬
ren, durch die Darſtellung derjenigen Handlung, deren
nothwendiger Abſchluß jener Tod war. Nicht in den
widerlichen Leichenfeiern, wie wir ſie in unſrer chriſtlich-
modernen Lebensweiſe durch beziehungsloſe Geſänge und
banale Kirchhofsreden begehen, ſondern durch die künſt¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0226" n="210"/>
nes We&#x017F;ens wirklich <hi rendition="#g">per&#x017F;önlich unterging</hi>, &#x017F;ein per¬<lb/>
&#x017F;önliches Da&#x017F;ein um der entäußerten Nothwendigkeit &#x017F;eines<lb/>
We&#x017F;ens willen wirklich aufhob, &#x2014; daß er die Wahrheit<lb/>
&#x017F;eines We&#x017F;ens nicht nur in &#x017F;einem Handeln allein &#x2014; was<lb/>
uns, &#x017F;o lange er handelt, noch willkürlich er&#x017F;cheinen darf&#x2014;<lb/>
&#x017F;ondern mit dem vollbrachten Opfer &#x017F;einer Per&#x017F;önlichkeit<lb/>
zu Gun&#x017F;ten die&#x017F;es nothwendigen Handelns, uns bezeugt.<lb/>
Die letzte, voll&#x017F;tändig&#x017F;te Entäußerung &#x017F;eines per&#x017F;önlichen<lb/>
Egoismus, die Darlegung &#x017F;eines vollkommenen Aufgehens<lb/>
in die Allgemeinheit, gibt uns ein Men&#x017F;ch nur mit &#x017F;einem<lb/><hi rendition="#g">Tode</hi> kund, und zwar nicht mit &#x017F;einem <hi rendition="#g">zufälligen</hi>,<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;einem <hi rendition="#g">nothwendigen</hi>, dem durch &#x017F;ein Handeln<lb/>
aus der Fülle &#x017F;eines We&#x017F;ens bedingten Tode.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Die Feier eines &#x017F;olchen Todes</hi>, <hi rendition="#g">i&#x017F;t die wür¬<lb/>
dig&#x017F;te</hi>, <hi rendition="#g">die von Men&#x017F;chen begangen werden kann</hi>.<lb/>
Sie er&#x017F;chließt uns nach dem, durch jenen Tod erkannten, We&#x017F;en<lb/>
die&#x017F;es <hi rendition="#g">einen</hi> Men&#x017F;chen die Fülle des Inhaltes des men&#x017F;ch¬<lb/>
lichen We&#x017F;ens überhaupt. Am Vollkommen&#x017F;ten ver&#x017F;ichern<lb/>
wir uns des Erkannten aber in der bewußtvollen <hi rendition="#g">Dar¬<lb/>
&#x017F;tellung</hi> jenes Todes &#x017F;elb&#x017F;t, und, um ihn uns zu erklä¬<lb/>
ren, durch die Dar&#x017F;tellung derjenigen Handlung, deren<lb/>
nothwendiger Ab&#x017F;chluß jener Tod war. Nicht in den<lb/>
widerlichen Leichenfeiern, wie wir &#x017F;ie in un&#x017F;rer chri&#x017F;tlich-<lb/>
modernen Lebenswei&#x017F;e durch beziehungslo&#x017F;e Ge&#x017F;änge und<lb/>
banale Kirchhofsreden begehen, &#x017F;ondern durch die kün&#x017F;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0226] nes Weſens wirklich perſönlich unterging, ſein per¬ ſönliches Daſein um der entäußerten Nothwendigkeit ſeines Weſens willen wirklich aufhob, — daß er die Wahrheit ſeines Weſens nicht nur in ſeinem Handeln allein — was uns, ſo lange er handelt, noch willkürlich erſcheinen darf— ſondern mit dem vollbrachten Opfer ſeiner Perſönlichkeit zu Gunſten dieſes nothwendigen Handelns, uns bezeugt. Die letzte, vollſtändigſte Entäußerung ſeines perſönlichen Egoismus, die Darlegung ſeines vollkommenen Aufgehens in die Allgemeinheit, gibt uns ein Menſch nur mit ſeinem Tode kund, und zwar nicht mit ſeinem zufälligen, ſondern ſeinem nothwendigen, dem durch ſein Handeln aus der Fülle ſeines Weſens bedingten Tode. Die Feier eines ſolchen Todes, iſt die wür¬ digſte, die von Menſchen begangen werden kann. Sie erſchließt uns nach dem, durch jenen Tod erkannten, Weſen dieſes einen Menſchen die Fülle des Inhaltes des menſch¬ lichen Weſens überhaupt. Am Vollkommenſten verſichern wir uns des Erkannten aber in der bewußtvollen Dar¬ ſtellung jenes Todes ſelbſt, und, um ihn uns zu erklä¬ ren, durch die Darſtellung derjenigen Handlung, deren nothwendiger Abſchluß jener Tod war. Nicht in den widerlichen Leichenfeiern, wie wir ſie in unſrer chriſtlich- modernen Lebensweiſe durch beziehungsloſe Geſänge und banale Kirchhofsreden begehen, ſondern durch die künſt¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/226
Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/226>, abgerufen am 25.11.2024.