Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

lichen Kunstwerke Theil zu nehmen. Die plastische Archi¬
tektur fühlt hier ihre Schranke, ihre Unfreiheit, und
wirft sich liebebedürftig der Malerkunst in die Arme, die
sie zum schönsten Aufgehen in die Natur erlösen soll.

Hier tritt die Landschaftsmalerei ein, von einem
gemeinsamen Bedürfnisse hervorgerufen, dem nur sie zu
entsprechen vermag. Was der Maler mit glücklichem
Auge der Natur entsehen, was er als künstlericher Mensch
der vollen Gemeinsamkeit zum künstlerischen Genuße dar¬
stellen will, fügt er hier als sein reiches Theil dem ver¬
einten Werke aller Künste ein. Durch ihn wird die Scene
zur vollen künstlerischen Wahrheit: seine Zeichnung, seine
Farbe, seine warm belebende Anwendung des Lichtes zwin¬
gen die Natur der höchsten künstlerischen Absicht zu dienen.
Was der Landschaftsmaler bisher im Drange nach Mit¬
theilung des Ersehenen und Begriffenen in den engen
Rahmen des Bildstückes einzwängte, -- was er an der
einsamen Zimmerwand des Egoisten aufhängte, oder zu
beziehungsloser, unzusammenhängender und entstellender
Uebereinanderschichtung in einem Bilderspeicher dahingab,
-- damit wird er nun den weiten Rahmen der tragi¬
schen Bühne erfüllen, den ganzen Raum der Scene zum
Zeugniß seiner naturschöpferischen Kraft gestaltend. Was
er durch den Pinsel und durch feinste Farbenmischung nur

lichen Kunſtwerke Theil zu nehmen. Die plaſtiſche Archi¬
tektur fühlt hier ihre Schranke, ihre Unfreiheit, und
wirft ſich liebebedürftig der Malerkunſt in die Arme, die
ſie zum ſchönſten Aufgehen in die Natur erlöſen ſoll.

Hier tritt die Landſchaftsmalerei ein, von einem
gemeinſamen Bedürfniſſe hervorgerufen, dem nur ſie zu
entſprechen vermag. Was der Maler mit glücklichem
Auge der Natur entſehen, was er als künſtlericher Menſch
der vollen Gemeinſamkeit zum künſtleriſchen Genuße dar¬
ſtellen will, fügt er hier als ſein reiches Theil dem ver¬
einten Werke aller Künſte ein. Durch ihn wird die Scene
zur vollen künſtleriſchen Wahrheit: ſeine Zeichnung, ſeine
Farbe, ſeine warm belebende Anwendung des Lichtes zwin¬
gen die Natur der höchſten künſtleriſchen Abſicht zu dienen.
Was der Landſchaftsmaler bisher im Drange nach Mit¬
theilung des Erſehenen und Begriffenen in den engen
Rahmen des Bildſtückes einzwängte, — was er an der
einſamen Zimmerwand des Egoiſten aufhängte, oder zu
beziehungsloſer, unzuſammenhängender und entſtellender
Uebereinanderſchichtung in einem Bilderſpeicher dahingab,
damit wird er nun den weiten Rahmen der tragi¬
ſchen Bühne erfüllen, den ganzen Raum der Scene zum
Zeugniß ſeiner naturſchöpferiſchen Kraft geſtaltend. Was
er durch den Pinſel und durch feinſte Farbenmiſchung nur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0207" n="191"/>
lichen Kun&#x017F;twerke Theil zu nehmen. Die pla&#x017F;ti&#x017F;che Archi¬<lb/><hi rendition="#g">tektur</hi> fühlt hier ihre Schranke, ihre Unfreiheit, und<lb/>
wirft &#x017F;ich liebebedürftig der Malerkun&#x017F;t in die Arme, die<lb/>
&#x017F;ie zum &#x017F;chön&#x017F;ten Aufgehen in die Natur erlö&#x017F;en &#x017F;oll.</p><lb/>
        <p>Hier tritt die <hi rendition="#g">Land&#x017F;chaftsmalerei</hi> ein, von einem<lb/>
gemein&#x017F;amen Bedürfni&#x017F;&#x017F;e hervorgerufen, dem nur &#x017F;ie zu<lb/>
ent&#x017F;prechen vermag. Was der Maler mit glücklichem<lb/>
Auge der Natur ent&#x017F;ehen, was er als kün&#x017F;tlericher Men&#x017F;ch<lb/>
der vollen Gemein&#x017F;amkeit zum kün&#x017F;tleri&#x017F;chen Genuße dar¬<lb/>
&#x017F;tellen will, fügt er hier als &#x017F;ein reiches Theil dem ver¬<lb/>
einten Werke aller Kün&#x017F;te ein. Durch ihn wird die Scene<lb/>
zur vollen kün&#x017F;tleri&#x017F;chen Wahrheit: &#x017F;eine Zeichnung, &#x017F;eine<lb/>
Farbe, &#x017F;eine warm belebende Anwendung des Lichtes zwin¬<lb/>
gen die Natur der höch&#x017F;ten kün&#x017F;tleri&#x017F;chen Ab&#x017F;icht zu dienen.<lb/>
Was der Land&#x017F;chaftsmaler bisher im Drange nach Mit¬<lb/>
theilung des Er&#x017F;ehenen und Begriffenen in den engen<lb/>
Rahmen des Bild&#x017F;tückes einzwängte, &#x2014; was er an der<lb/>
ein&#x017F;amen Zimmerwand des Egoi&#x017F;ten aufhängte, oder zu<lb/>
beziehungslo&#x017F;er, unzu&#x017F;ammenhängender und ent&#x017F;tellender<lb/>
Uebereinander&#x017F;chichtung in einem Bilder&#x017F;peicher dahingab,<lb/>
&#x2014; <hi rendition="#g">damit</hi> wird er nun den weiten Rahmen der tragi¬<lb/>
&#x017F;chen Bühne erfüllen, den ganzen Raum der Scene zum<lb/>
Zeugniß &#x017F;einer natur&#x017F;chöpferi&#x017F;chen Kraft ge&#x017F;taltend. Was<lb/>
er durch den Pin&#x017F;el und durch fein&#x017F;te Farbenmi&#x017F;chung nur<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0207] lichen Kunſtwerke Theil zu nehmen. Die plaſtiſche Archi¬ tektur fühlt hier ihre Schranke, ihre Unfreiheit, und wirft ſich liebebedürftig der Malerkunſt in die Arme, die ſie zum ſchönſten Aufgehen in die Natur erlöſen ſoll. Hier tritt die Landſchaftsmalerei ein, von einem gemeinſamen Bedürfniſſe hervorgerufen, dem nur ſie zu entſprechen vermag. Was der Maler mit glücklichem Auge der Natur entſehen, was er als künſtlericher Menſch der vollen Gemeinſamkeit zum künſtleriſchen Genuße dar¬ ſtellen will, fügt er hier als ſein reiches Theil dem ver¬ einten Werke aller Künſte ein. Durch ihn wird die Scene zur vollen künſtleriſchen Wahrheit: ſeine Zeichnung, ſeine Farbe, ſeine warm belebende Anwendung des Lichtes zwin¬ gen die Natur der höchſten künſtleriſchen Abſicht zu dienen. Was der Landſchaftsmaler bisher im Drange nach Mit¬ theilung des Erſehenen und Begriffenen in den engen Rahmen des Bildſtückes einzwängte, — was er an der einſamen Zimmerwand des Egoiſten aufhängte, oder zu beziehungsloſer, unzuſammenhängender und entſtellender Uebereinanderſchichtung in einem Bilderſpeicher dahingab, — damit wird er nun den weiten Rahmen der tragi¬ ſchen Bühne erfüllen, den ganzen Raum der Scene zum Zeugniß ſeiner naturſchöpferiſchen Kraft geſtaltend. Was er durch den Pinſel und durch feinſte Farbenmiſchung nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/207
Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/207>, abgerufen am 22.11.2024.