Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.auswirft, so ist Schwester Musik gefangen und muß, So wird die Oper zum gemeinsamen Vertrage des auswirft, ſo iſt Schweſter Muſik gefangen und muß, So wird die Oper zum gemeinſamen Vertrage des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0151" n="135"/> auswirft, ſo iſt Schweſter Muſik gefangen und muß,<lb/> wollend oder nicht, ohne an ihnen haften zu können, die<lb/> öden Spinnenfäden drehen und wenden, die die raffinirende<lb/> Theaterſtückmacherei allein zum Gewebe verbinden kann:<lb/> da ſchwirrt und zwitſchert ſie denn wohl noch, wie in der<lb/> franzöſiſchen Pfiffigkeitsoper, bis ihr endlich mißmuthig<lb/> der Athem ausgeht, und Schweſter Proſa ganz allein ſich<lb/> nur noch breit macht. Die Tanzkunſt hingegen darf nur<lb/> irgend welche Lücke im Athemholen der geſetzgebenden<lb/> Sängerin erſehen, irgend welches Erkalten des Lavaſtromes<lb/> muſikaliſchen Gefühlserguſſes, — ſogleich ſchwingt ſie ihre<lb/> Beine bis zu ihrer Ausdehnung über die ganze Bühne,<lb/> tanzt die Schweſter Muſik von der Scene hinweg in das<lb/> einzige Orcheſter noch hinunter, dreht, ſchwenkt und wirbelt<lb/> ſich ſo lange, bis das Publikum den Wald vor lauter Bäu¬<lb/> men, d. h. die Oper vor lauter Beinen gar nicht mehr ſieht.</p><lb/> <p>So wird die Oper zum gemeinſamen Vertrage des<lb/> Egoismus der drei Künſte. Die Tonkunſt, um ihre Su¬<lb/> prematie zu retten, verträgt mit der Tanzkunſt auf ſo und<lb/> ſo viele Viertelſtunden, die ihr <hi rendition="#g">ganz allein</hi> gehören<lb/> ſollen: in dieſer Zeit ſoll die Kreide auf den Schuhſohlen<lb/> die Geſetze der Bühne ſchreiben, nach dem Syſteme der<lb/><hi rendition="#g">Bein</hi>ſchwingungen, nicht aber dem der <hi rendition="#g">Ton</hi>ſchwingungen,<lb/> Muſik gemacht werden; auch ſoll den Sängern ausdrücklich<lb/> verboten ſein, nach irgend welcher anmuthiger Leibesbe¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [135/0151]
auswirft, ſo iſt Schweſter Muſik gefangen und muß,
wollend oder nicht, ohne an ihnen haften zu können, die
öden Spinnenfäden drehen und wenden, die die raffinirende
Theaterſtückmacherei allein zum Gewebe verbinden kann:
da ſchwirrt und zwitſchert ſie denn wohl noch, wie in der
franzöſiſchen Pfiffigkeitsoper, bis ihr endlich mißmuthig
der Athem ausgeht, und Schweſter Proſa ganz allein ſich
nur noch breit macht. Die Tanzkunſt hingegen darf nur
irgend welche Lücke im Athemholen der geſetzgebenden
Sängerin erſehen, irgend welches Erkalten des Lavaſtromes
muſikaliſchen Gefühlserguſſes, — ſogleich ſchwingt ſie ihre
Beine bis zu ihrer Ausdehnung über die ganze Bühne,
tanzt die Schweſter Muſik von der Scene hinweg in das
einzige Orcheſter noch hinunter, dreht, ſchwenkt und wirbelt
ſich ſo lange, bis das Publikum den Wald vor lauter Bäu¬
men, d. h. die Oper vor lauter Beinen gar nicht mehr ſieht.
So wird die Oper zum gemeinſamen Vertrage des
Egoismus der drei Künſte. Die Tonkunſt, um ihre Su¬
prematie zu retten, verträgt mit der Tanzkunſt auf ſo und
ſo viele Viertelſtunden, die ihr ganz allein gehören
ſollen: in dieſer Zeit ſoll die Kreide auf den Schuhſohlen
die Geſetze der Bühne ſchreiben, nach dem Syſteme der
Beinſchwingungen, nicht aber dem der Tonſchwingungen,
Muſik gemacht werden; auch ſoll den Sängern ausdrücklich
verboten ſein, nach irgend welcher anmuthiger Leibesbe¬
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