Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite


Vierter Akt.


(Evchens Schlafzimmer; rechter Hand der Bühne ist die
Thür, gegenüber sind Fenster, die auf die Straße gehn.
Fr. Humbrecht macht eben wie der Vorhang auf-
gezogen wird, das Fenster zu: Evchen ließt.)
Fr. Humbrecht. Noch seh und hör ich nichts
von ihm.
Evchen. Heut wird er schwerlich mehr kommen,
Mutter! geh sie lieber ins Bett! Die Thore sind
ja schon längst zu.
Fr. Humbrecht. Wer weiß, kommt er nicht
zum Judenthor herein? es hat ja noch nicht eilf
geschlagen.
Evchen (seufzend.) Daran dacht ich nicht.
Fr. Humbrecht. Schon wieder ein Seufzer!
-- hast du mir nicht so eben versprochen, das ewige
Geächz und Gekrächz zu unterlassen? bist mir ein
rechter Mann von Parole!
Evchen O wenn ich ein Mann wäre!
Fr. Humbrecht. Was wärs?
Evchen Noch heute macht ich mich auf den
Weg nach Amerika, und hälf für die Freyheit
streiten.
Fr. Humbrecht. Und ließest Vater und Mut-
ter allein hier sitzen? Pfui Evchen! aber ich weiß
schon, wo es steckt, du liebst uns halt nicht mehr.
Evchen


Vierter Akt.


(Evchens Schlafzimmer; rechter Hand der Buͤhne iſt die
Thuͤr, gegenuͤber ſind Fenſter, die auf die Straße gehn.
Fr. Humbrecht macht eben wie der Vorhang auf-
gezogen wird, das Fenſter zu: Evchen ließt.)
Fr. Humbrecht. Noch ſeh und hoͤr ich nichts
von ihm.
Evchen. Heut wird er ſchwerlich mehr kommen,
Mutter! geh ſie lieber ins Bett! Die Thore ſind
ja ſchon laͤngſt zu.
Fr. Humbrecht. Wer weiß, kommt er nicht
zum Judenthor herein? es hat ja noch nicht eilf
geſchlagen.
Evchen (ſeufzend.) Daran dacht ich nicht.
Fr. Humbrecht. Schon wieder ein Seufzer!
— haſt du mir nicht ſo eben verſprochen, das ewige
Geaͤchz und Gekraͤchz zu unterlaſſen? biſt mir ein
rechter Mann von Parole!
Evchen O wenn ich ein Mann waͤre!
Fr. Humbrecht. Was waͤrs?
Evchen Noch heute macht ich mich auf den
Weg nach Amerika, und haͤlf fuͤr die Freyheit
ſtreiten.
Fr. Humbrecht. Und ließeſt Vater und Mut-
ter allein hier ſitzen? Pfui Evchen! aber ich weiß
ſchon, wo es ſteckt, du liebſt uns halt nicht mehr.
Evchen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0065" n="63"/>
      <fw place="top" type="header">
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </fw>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Vierter Akt.</hi> </hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <stage>(Evchens Schlafzimmer; rechter Hand der Bu&#x0364;hne i&#x017F;t die<lb/>
Thu&#x0364;r, gegenu&#x0364;ber &#x017F;ind Fen&#x017F;ter, die auf die Straße gehn.<lb/><hi rendition="#fr">Fr. Humbrecht</hi> macht eben wie der Vorhang auf-<lb/>
gezogen wird, das Fen&#x017F;ter zu: <hi rendition="#fr">Evchen</hi> ließt.)</stage><lb/>
        <sp who="#FHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Fr. Humbrecht.</hi> </speaker>
          <p>Noch &#x017F;eh und ho&#x0364;r ich nichts<lb/>
von ihm.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#EHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Evchen.</hi> </speaker>
          <p>Heut wird er &#x017F;chwerlich mehr kommen,<lb/>
Mutter! geh &#x017F;ie lieber ins Bett! Die Thore &#x017F;ind<lb/>
ja &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t zu.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Fr. Humbrecht.</hi> </speaker>
          <p>Wer weiß, kommt er nicht<lb/>
zum Judenthor herein? es hat ja noch nicht eilf<lb/>
ge&#x017F;chlagen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#EHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Evchen</hi> </speaker>
          <stage>(&#x017F;eufzend.)</stage>
          <p>Daran dacht ich nicht.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Fr. Humbrecht.</hi> </speaker>
          <p>Schon wieder ein Seufzer!<lb/>
&#x2014; ha&#x017F;t du mir nicht &#x017F;o eben ver&#x017F;prochen, das ewige<lb/>
Gea&#x0364;chz und Gekra&#x0364;chz zu unterla&#x017F;&#x017F;en? bi&#x017F;t mir ein<lb/>
rechter Mann von Parole!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#EHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Evchen</hi> </speaker>
          <p>O wenn ich ein Mann wa&#x0364;re!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Fr. Humbrecht.</hi> </speaker>
          <p>Was wa&#x0364;rs?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#EHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Evchen</hi> </speaker>
          <p>Noch heute macht ich mich auf den<lb/>
Weg nach Amerika, und ha&#x0364;lf fu&#x0364;r die Freyheit<lb/>
&#x017F;treiten.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Fr. Humbrecht.</hi> </speaker>
          <p>Und ließe&#x017F;t Vater und Mut-<lb/>
ter allein hier &#x017F;itzen? Pfui Evchen! aber ich weiß<lb/>
&#x017F;chon, wo es &#x017F;teckt, du lieb&#x017F;t uns halt nicht mehr.</p>
        </sp><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Evchen</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0065] Vierter Akt. (Evchens Schlafzimmer; rechter Hand der Buͤhne iſt die Thuͤr, gegenuͤber ſind Fenſter, die auf die Straße gehn. Fr. Humbrecht macht eben wie der Vorhang auf- gezogen wird, das Fenſter zu: Evchen ließt.) Fr. Humbrecht. Noch ſeh und hoͤr ich nichts von ihm. Evchen. Heut wird er ſchwerlich mehr kommen, Mutter! geh ſie lieber ins Bett! Die Thore ſind ja ſchon laͤngſt zu. Fr. Humbrecht. Wer weiß, kommt er nicht zum Judenthor herein? es hat ja noch nicht eilf geſchlagen. Evchen (ſeufzend.) Daran dacht ich nicht. Fr. Humbrecht. Schon wieder ein Seufzer! — haſt du mir nicht ſo eben verſprochen, das ewige Geaͤchz und Gekraͤchz zu unterlaſſen? biſt mir ein rechter Mann von Parole! Evchen O wenn ich ein Mann waͤre! Fr. Humbrecht. Was waͤrs? Evchen Noch heute macht ich mich auf den Weg nach Amerika, und haͤlf fuͤr die Freyheit ſtreiten. Fr. Humbrecht. Und ließeſt Vater und Mut- ter allein hier ſitzen? Pfui Evchen! aber ich weiß ſchon, wo es ſteckt, du liebſt uns halt nicht mehr. Evchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/65
Zitationshilfe: Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/65>, abgerufen am 23.11.2024.