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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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Ist nun auf diese Weise das Schöne entweder unter friedfertigem pwa_028.002
Zusammenwirken oder unter einem Conflict der dabei thätigen Seelenkräfte pwa_028.003
angeschaut, so bedarf es, um das Werk zu vollenden, nur noch pwa_028.004
des Schrittes von innen nach aussen, von der Anschauung zur Darstellung, pwa_028.005
zu der letzten Objectivierung in hörbar gestalteten Gedanken, pwa_028.006
in Worten.

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Die Darstellung, die sinnlich wahrnehmbare Gestaltung des innerlich pwa_028.008
geistig Angeschauten, gehört, wie das schon früher ist ausgeführt pwa_028.009
worden, zum Wesen jeder Kunst. Nur haben die verschiedenen pwa_028.010
Künste verschiedene Mittel der Darstellung. Die bildenden Künste, pwa_028.011
Architectur, Sculptur, Malerei, fixieren ihre Anschauung für das Auge pwa_028.012
in unbelebten Stoffen; die Tanzkunst führt sie dem Auge vor in beweglicher pwa_028.013
Gestaltung des lebenden Leibes, die Musik dem Ohr in pwa_028.014
gleichfalls bewegten Tönen; die Poesie bedient sich des geistigsten pwa_028.015
Mittels, des unmittelbarsten Abdrucks und Ausdrucks innerer Anschauungen, pwa_028.016
des eigensten Eigenthums der Menschheit, der Sprache. pwa_028.017
Denn Formen wie die bildenden Künste, wie die Tanzkunst sie darstellen, pwa_028.018
Töne, wie sich die Musik ihrer bedient, finden sich auch ohne pwa_028.019
Zuthun des Menschen schon in der niederen Natur vor: nicht aber pwa_028.020
die Sprache, sie besteht nur durch den Menschen und mit ihm.

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Aber wie die Gebärden des Tanzes, wie die Töne der Musik, pwa_028.022
so ist auch diese hörbare Gestaltung der Gedanken durchaus beweglicher pwa_028.023
Natur. Die Gedanken sind in beständiger Succession und Progression, pwa_028.024
einer fliesst aus dem andern, Welle auf Welle drängen sich, pwa_028.025
Grund und Folgerung, Behauptung und Beweis, Satz und Gegensatz. pwa_028.026
Ebenso ihr hörbares Bild, die Worte: so wie das eine vernommen pwa_028.027
ist, erklingt schon das andre, und dessen Eindruck wird wiederum pwa_028.028
durch ein drittes verwischt. Diese Beschaffenheit des Darstellungsmittels pwa_028.029
hat aber die wichtigste und folgenreichste Bedeutung nicht pwa_028.030
nur für die Darstellung, sondern natürlicher und nothwendiger Weise pwa_028.031
schon für die Anschauung, welche darzustellen ist; es ergeben sich pwa_028.032
daraus, wie für das Verfahren bei der Darstellung, so schon für die pwa_028.033
Beschaffenheit der poetischen Anschauung selbst wesentliche und unausweichliche pwa_028.034
Bedingungen. Was in so bewegter Gestalt erscheinen pwa_028.035
soll, muss in sich selber schon die Beweglichkeit tragen. Den Bildhauer, pwa_028.036
den Maler nöthigt die starre Unbeweglichkeit seines Stoffes pwa_028.037
auch zu ruhiger fixierter Anschauung: die Anschauungen des Dichters pwa_028.038
dagegen müssen bewegt, strömend, fortschreitend sein, müssen einen pwa_028.039
historischen causalen Verlauf haben wie sein Darstellungsmittel, wie pwa_028.040
die menschliche Rede. Der Maler, der Bildhauer stellt uns z. B. den pwa_028.041
gewappneten Helden auf einmal überschaubar hin, mit Einem Blick

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Ist nun auf diese Weise das Schöne entweder unter friedfertigem pwa_028.002
Zusammenwirken oder unter einem Conflict der dabei thätigen Seelenkräfte pwa_028.003
angeschaut, so bedarf es, um das Werk zu vollenden, nur noch pwa_028.004
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zu der letzten Objectivierung in hörbar gestalteten Gedanken, pwa_028.006
in Worten.

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Die Darstellung, die sinnlich wahrnehmbare Gestaltung des innerlich pwa_028.008
geistig Angeschauten, gehört, wie das schon früher ist ausgeführt pwa_028.009
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Künste verschiedene Mittel der Darstellung. Die bildenden Künste, pwa_028.011
Architectur, Sculptur, Malerei, fixieren ihre Anschauung für das Auge pwa_028.012
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Denn Formen wie die bildenden Künste, wie die Tanzkunst sie darstellen, pwa_028.018
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Zuthun des Menschen schon in der niederen Natur vor: nicht aber pwa_028.020
die Sprache, sie besteht nur durch den Menschen und mit ihm.

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Aber wie die Gebärden des Tanzes, wie die Töne der Musik, pwa_028.022
so ist auch diese hörbare Gestaltung der Gedanken durchaus beweglicher pwa_028.023
Natur. Die Gedanken sind in beständiger Succession und Progression, pwa_028.024
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Ebenso ihr hörbares Bild, die Worte: so wie das eine vernommen pwa_028.027
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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/46>, abgerufen am 21.11.2024.